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Wonderwoman

DC Comics and Warner Bros. Entertainment Inc.

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„Wonder Woman 1984“: Ein Sequel, das man am liebsten verdrängen möchte

Es gibt Fortsetzungen, die sind so schlecht, dass sie beinahe den Originalfilm nachträglich beschädigen. Leider zählt das neue Abenteuer der wunderbaren Amazonenprinzessin dazu.

Von Christian Fuchs

Filmpodcast

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Der FM4 Film Podcast läuft am Montag um Mitternacht auf Radio FM4 und ist auch in der Radiothek verfügbar.

„Was hat sich Patty Jenkins nur bei diesem Film gedacht?“, schreibt mir ein Freund entsetzt, nachdem er sich „Wonder Woman 1984“ angeschaut hat. Gemeinsam mit seiner Frau zählt er zu den eingefleischten Fans der wunderbaren Amazonenprinzessin.

Eine ähnliche Frage stellen wir uns auch in der neuen Ausgabe des FM4 Filmpodcast. Gerade weil wir „Wonder Woman“ aus dem Jahr 2017 so hinreißend finden, ist uns dieses katastrophale Sequel unerklärlich.

Dabei ist die Regisseurin eine ganz große Sympathiefigur. Hört man Podcasts, in denen Patty Jenkins zu Wort kommt, ist man danach fast berauscht. Die Kalifornierin erweist sich als dermaße kluge und gewitzte Interviewpartnerin, dass man Beifall klatschen möchte. Und dann ist da ihr künstlerisches Schaffen. Jenkins, die Wurzeln in der Punkbewegung und scheinbar eine Affinität für dunkle Indiestoffe hat, beschert mit dem beklemmenden Serienkillerdrama „Monster“ Charlize Theron einen Oscar.

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Eigentlich war der Kinostart von „Wonder Woman 1984“ für Juni 2020 geplant. Wegen der Pandemie wurde der Film aber mehrfach verschoben.

Schließlich entschied sich die Produktionsfirma Warner Bros. den Blockbuster im Dezember 2020 zu veröffentlichen - und zwar zeitgleich auf dem Streamingkanal HBO Max und in wenigen offenen Kinos.

Diese vielfach kritisierte Releasestrategie setzt sich nun im deutschen Sprachraum fort. Seit 18.02 ist „Wonder Woman 1984“ via SKY zu sehen - und erst danach in den wieder geöffneten Kinos.

Ganz anders, aber nicht weniger toll ist der Film, mit dem Patty Jenkins in die Blockbuster-Kategorie wechselt. „Wonder Woman“ wirbelt nicht nur die männerdominierte Welt des Comickinos durcheinander. Die Regisseurin bringt auch eine Art Unschuld ins Spektakelkino zurück, die man in Zeiten fashionabel-destruktiver Antiheld*innen kaum mehr kennt.

Die Amazonenprinzessin Diana tritt erfrischend unverkorkst und frei von zynischer Ironie der Außenwelt entgegen. Zumindest bis ihr Glaube an das Gute auf eine knochenharte Probe gestellt wird. Mit Gal Gadot findet Patty Jenkins ihre ideale Hauptdarstellerin, die in dem Film auf dem Schlachtfeld des Ersten Weltkriegs für die Liebe kämpft.

Die Melange aus Fantasy-Zitaten und brachialer Action, abgefedert von einem menschelnden Humor, der anderen DC-Adaptionen fehlt, begeistert nicht nur das Publikum. Auch viele Kritiker*innen loben die spezielle Chemie zwischen Gal Gadot und Chris „Star Trek“ Pine, der den männlichen Sidekick gibt - oder schwärmen über die berühmte No Man’s Land Sequenz, in der Wonder Woman zum ersten Mal in Aktion zu sehen ist.

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Die ödesten Aspekte des Unterhaltungskinos der 80er

All diese schwärmerischen Reminiszenzen an den ersten Teil sind wichtig, wenn man „Wonder Woman 1984“ verdauen will. Ich für meinen Teil habe den Originalfilm sogar nochmal über die Heimkinoleinwand flimmern lassen, weil ich Angst hatte, das Sequel würde ihn nachträglich beschädigen.

Was ist nun so schlecht an Patty Jenkins neuem Werk? Dazu muss man ein bisschen ausholen, bis hin zu einem der wichtigsten Einflüsse auf die Regisseurin. Als Jenkins sieben Jahre alt ist, stirbt ihr Vater bei einem tragischen Unfall. Wenig später sieht die kleine Patty „Superman - The Movie“ mit ihrer Mutter. Damals, im Winter 1978, wird der Film zu einem emotionalen Rettungsanker für das kleine Mädchen.

Nicht nur, weil auch der außerirdische Kal El ein Waisenjunge und Außenseiter ist. Superman, unsterblich von Christopher Reeve verkörpert, steht auch für einen naiven Optimismus, der ansteckend wirkt. Derselbe Spirit durchzieht Jahrzehnte später auch „Wonder Woman“, wie Patty Jenkins in einem berührenden Gespräch mit Superman-Schöpfer Richard Donner beteuert.

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So weit, so gut, aber die Geschichte geht weiter: Nach dem ebenso großartigen „Superman II“ werden die Rechte an dem ikonischen DC-Charakter weiterverkauft. Und nach einem enttäuschenden Teil III endet die Supie-Saga mit einem Finale, das auch den Hardcore-Fans des „Mann aus Stahl“ Stoßseufzer entlockt.

„Superman IV: The Quest for Peace“, 1987 zum Billigsttarif produziert, entpuppt sich als Klamaukversion der Filme davor. Vor allem versammelt dieses Superhelden-Desaster aber sämtliche Peinlichkeiten, die damals zum Hollywood-Zeitgeist gehörten.

Warum so viel (Super-)Mansplaining in einer Kritik zu einem Wonder-Woman-Film? Weil Patty Jenkins tatsächlich an die ödesten Aspekte des Unterhaltungskinos der 80er anknüpft. Angefangen bei der lächerlichen Plotidee eines Zauberkristalls, der Wünsche erfüllt über die schmalzige Reanimierung von Chris Pine bis hin zu einem sinnlos überzogenem Kitschfinale: Die Regisseurin erinnert daran, dass die dauergehypte Dekade auch ganz schön viel audiovisuellen Müll produzierte.

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Missglückte Bösewichte, digitaler Overkill

Es reicht, die Story dieses Sequels nur anzureißen. 70 Jahre nach den dramatischen Ereignissen des Originalfilms finden wir Diana Prince in Washington anno 1984 wieder. Obwohl sie keinerlei Maskierung trägt, erkennt niemand einen Zusammenhang zwischen der Frau, die als Anthropologin arbeitet und ihrem Alter Ego Wonder Woman.

Diana trauert noch immer um ihren Piloten Steve, findet sich in der Welt der Schulterpolster und High Heels aber bestens zurecht. Bis ein mysteriöses antikes Artefakt im Museum auftaucht und eine Kette von Bedrohungen auslöst.

Dazu gehören zwei der missglücktesten Bösewichte der jüngeren Comicfilmhistorie. Pedro Pascal spielt einen schwerreichen Unternehmer mit Weltbeherrscherplänen, Kristen Wiig eine schusselige Wissenschaftlerin. Mag man beide Darsteller für frühere Rollen verehren, hier schockieren sie mit Auftritten, die ans Schmierenkomödiantische grenzen. Besonders die Komödiantin Wiig, auf Autopilot agierend, verstört mit ihrer Transformation vom Nerd zum Monster, bei der feministische Aspekte mit Stöckelschuhen getreten werden.

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Und Gal Gadot? Der Charme, der Wonder Woman im ersten Teil ausmachte, dieser Blick, der Stolz, Mut und eine gewisse Verwunderung über die Welt ausdrückte, ist einer faden Superheldinnen-Routine gewichen. Mitten im digitalen Effekt-Overkill saust sie fast verloren durch die Szenerie, nur in gewissen Momenten blitzt noch das unsprüngliche Charisma auf.

The worst of the 80ies, als ironische Retrosause verpackt, dazu noch ein verdammter Zauberstein, ich schließe mich an das Eingangszitat meines Freundes an: Was hat sich Patty Jenkins nur bei diesem Film gedacht?

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