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Maximo Park Artwork "Nature Always Wins"

Em Cole

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Maximo Park und ihr 7. Album „Nature Always Wins“

Maximo Park, die englische Band rund um Sänger Paul Smith, schüttelt auch noch 15 Jahre nach ihrem gefeierten Debut „A Certain Trigger“ zackige Gitarrenriffs aus dem Ärmel. Aber auch eine gewisse Beschaulichkeit dürfen die ambitionierten Songs von Maximo Park jetzt haben.

von Eva Umbauer

Seit dem letzten Album von Maximo Park sind schon wieder fast vier Jahre vergangen. Die Comeback-Single der Band, „All Of Me“, ist dann auch gleich der Beweis dafür, dass die Briten wieder zu alter Form gefunden haben. „All Of Me“ ist schon jetzt ein Klassiker. Paul Smith und Co sind in voller Fahrt, mit einem tollen Gitarrenhook im Refrain und einer dahinsausenden Synthie-Linie, wie die Killers aus Las Vegas sie nicht besser hinbekommen hätten. Außerdem ist Paul Smith nach wie vor bei bester emotionsgeladener Stimme, und das Texten hat er ebenfalls noch nicht verlernt: „This song is where you belong, this is all of me. If I can’t include you, if art is apart, well then I disagree.“

Paul Smith hat ein abgeschlossenes Kunststudium, er könnte Professor sein, aber Maximo Park nimmt den Sänger und Songschreiber aus dem Nordosten Englands weiterhin stark in Anspruch. Auf sein Studium greift Paul aber immer wieder zurück, fast wie ein Kunstobjekt geht er Maximo Park an, immer daran weiterarbeiten, wie ein Bildhauer, step by step, egal wie die Umstände gerade sind.

Der Keyboarder von Maximo Park, das Gründungsmitglied Lukas Wooller, verließ nach dem letzten Album die Band. Er wanderte nach Australien aus und gründete dort eine Familie. Es war ein Schock für die verbliebenen Bandmitglieder. Bassist Archis Tiku war schon 2017 gegangen, nachdem er zuvor schon nicht mehr wirklich mit der Band gespielt hatte. Da waren sie nun also nur mehr zu dritt: Paul Smith, Gitarrist Duncan Lloyd und Schlagzeuger Tom English.

Maximo Park Artwork "Nature Always Wins"

Em Cole

Große Bands der Popgeschichte waren Trios, etwa The Jam oder The Police. Letztere kamen übrigens ebenfalls aus dem nordostenglischen Newcastle. Dennoch wollten Paul, Duncan und Tom eine Art viertes Bandmitglied dabei haben. Der US-Amerikaner Ben Allen hätte es sein sollen. Der Musiker und Producer aus Atlanta, Georgia kam 2019 nach Newcastle, um Maximo Park zu besuchen. Im folgenden Jahr wäre die Band dann zu ihm in die USA gefahren, um an Songs zu arbeiten, die Ben auch produzieren sollte.

Doch dann kam die Pandemie. Also begannen Maximo Park mit den neuen Songs, ohne einander direkt zu treffen. Paul Smith sang in seinem kleinen Studio am Dachboden seines Hauses Songzeilen ein. Duncan Lloyd lebt ebenfalls in Newcastle, traf Paul aber nicht, sondern komponierte zu Hause an der Gitarre. Ben Allen in den USA schaltete man zu, wann immer es ging, nur Drummer Tom English, der in Liverpool lebt, besuchte ein richtiges Aufnahmestudio: „I was the only one who went to a real studio because you need about 500 mics on the drumkit. It was odd driving into town every day, when Liverpool was like a ghost town, me in one room, the engineer in another, hashing it out over a few days with Ben on FaceTime on a laptop next to me while I tracked everything. It made it quite intense.“

Irgendwann waren alle zwölf Songs für „Nature Always Wins“ dann aber fertig, im Long-Distance-Verfahren zustande gekommen. Songs wie das monumentale „Partly Of My Making“ - mit seinem stampfenden Beat und den himmlischen Streicherarrangements. Im Text zu „Partly Of My Making“ geht es um das Älterwerden. Überhaupt ist die Zeit und wie sie vergeht eines der Themen am neuen Maximo-Park-Album. „It’s about the passing of time. I have more affection for the past than before. It’s also about the fractuous, divided time that we live in“, sagt Paul Smith im FM4-Interview.

Im wunderschönen „Child Of The Flatlands“ erinnert sich Smith an seine Kindheit im englischen Nordosten und wie sich seither dort vieles verändert hat. Er beklagt etwa, dass die Büchereien in der Stadt schließen. Die Stadt ist Billingham, etwa 50 Kilometer von Newcastle entfernt, mit heute etwa 35 000 Einwohnern. Sunderland ist eine weitere Stadt in der Gegend, die früher durch ihre Industrie in voller wirtschaftlicher Blüte war, vor allem durch Stahl, Kohlebergbau und Schiffbau. Die Bergwerke sind längst geschlossen - 1988, während der Thatcher-Ära, sperrte das letzte zu, ein paar Jahre später auch die letzte Werft.

Paul Smith hat die Gegend seiner Kindheit nie verlassen, ist als erfolgreicher Musiker Mitte der 00er Jahre nicht hinunter nach London gezogen, sondern in seiner krisengebeutelten nordostenglischen Heimat geblieben, die so oft seine Alltagspoesie bei Maximo Park inspiriert. Und so kann man den Albumtitel „Nature Always Wins“ auch dahingehend interpretieren, dass sich die Natur Orte zurückholt, wo nur noch Industrieruinen stehen.

Moos wächst über verrostete Eisentraversen, Füchse graben ihren Bau unter verlassenen Lagerhallen. Die Band selbst mag diese Version, die den Albumtitel „Nature Always Wins“ erklärt. Die Natur wird letztlich immer den Menschen bezwingen, sie wird sich etwa via die Erderwärmung an seinem umweltschädigenden Verhalten rächen. Aber auch so könnte der Albumtitel „Nature Always Wins“ erklärt werden: Es liegt in der Natur von Maximo Park, eine Popband zu sein.

„It’s the reality of our situation on earth, you can’t fight against nature, whether it’s human nature or the environment. Whatever happens is down to the nature of who we are. When you give birth to anything, whether it’s a child or an album, you betray who you are in that process. Even just making this record the way we have and the way it sounds now – that’s the nature of the band. It wins out. We’re a pop band. They’re songs you can understand, yes, influenced by lots of different genres. But what it comes down to is: we still want every song to be hooky, melodic, memorable – to be loved. It’s not a vanity project - we want people to get into it. That is the nature of Maxïmo Park.“

Maximo Park Artwork "Nature Always Wins"

Prolifica / Maximo Park

„Nature Always Wins“ von Maximo Park ist am 26.2.2021 bei Prolifica erschienen.

Paul Smith ist ein politischer Mensch. Meist kommt Politisches in seinen Texten eher subtil vor, beim letzten Album war es stärker. Dieses Mal ist es wieder versteckter, aber dennoch manchmal recht gut zu erkennen, etwa beim Song „Why Must A Building Burn“, in dem es unter anderem um den abgebrannten Londoner Grenfell Tower geht. Viele Menschen kamen bei diesem verheerenden Brand ums Leben. Maximo Park waren gerade in London, um eine Radio Session aufzunehmen, als der Grenfell Tower in Flammen aufging.

Der Maximo Park-Sänger ist aber auch seit ein paar Jahren Vater. „Versions Of You“ handelt von seiner kleinen Tochter. Der Song hat einen verträumten Ambient-Synth-Sound, inspiriert von dem großen britischen Musiker und Produzenten Brian Eno. Paul Smith zweifelt gelegentlich an sich, ob er der Vaterrolle gerecht wird. Im punkigen Song „I Don´t Know What I’m Doing“ geht es darum.

Bei „Ardour“, einem ebenfalls punkigen Track, singt eine gewisse Pauline Murray mit. Sie war Sängerin der britischen Punkband Penetration. Murray lebt ebenfalls im englischen Nordosten und betreibt dort ein Tonstudio und einen Proberaum für Musiker*innen. Man kennt einander schon länger, kam aber nie auf die Idee, zusammenzuarbeiten - erst als Producer Ben Allen das vorschlug, kam die Zusammenarbeit zustande.

In „Baby, Sleep“ geht es wieder um die Tochter von Paul Smith, samt dem dazugehörigen Schlafmangel, den Eltern kleiner Kinder haben - aber den ist Paul ohnehin von den Tourneen mit Maximo Park gewohnt. Allerdings, so berichtet er im FM4-Interview, kommt das Wort „baby“ in der Popmusik oft vor, als Kosename, es muss sich also gar nicht unbedingt auf ein kleines Kind beziehen, denn Paul Smith will niemanden ausschließen beim Hören von Maximo-Park-Songs, in diesem Fall Menschen, die selbst keine Kinder oder auch nur wenig Bezug zu solchen haben.

Die Songs am „Nature Always Wins“-Album von Maximo Park strahlen große Freude aus, sind ambitioniert, können auch zornig sein, halten gelegentlich Einkehr und schlagen leisere Töne an. Paul Smith erinnert sich an seine eigene Kindheit, während er nun sein Kind vor sich sieht. Ein Kreis schließt sich. Insgesamt sind die neuen Songs auch wieder für die Bühne geschaffen. Hoffen wir also, dass das geplante Wien-Konzert am 19. September im Flex tatsächlich stattfinden kann. Maximo Park sind wieder in Topform und scharren schon mit den Hufen in der Startbox.

Am 6. März 2021 spielen Maximo Park ein paar der neuen Songs in einer Live-Streaming-Session. Nähere Infos gibt es hier:

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