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Das Gesicht von Salami Rose Joe Louis in einer Sci-Fi-Montage

Fabrice Bourgelle

Salami Rose Joe Louis: Flirren in der Weltmaschine

Die US-amerikanische Musikerin Salami Rose Joe Louis macht Musik, die so klingt, als wäre sie der Soundtrack für einen Science Fiction-Film. Nur eben ohne Film. Ihre Platten erscheinen bei Brainfeeder, dem Label von Flying Lotus. Ein Portrait über die vielversprechende Musikerin aus Kalifornien.

Von Alexandra Augustin

Es gibt viele Theorien darüber, wie man die eigene Vorstellungskraft bewahren kann: Ob mit speziellen Kräutern in diversen Aggregatzuständen, mehr Bewegung an der frischen Luft, ein paar Gläsern Whiskey zum Frühstück oder allerhand Kunsttherapieformen. So viel Aufwand! Dabei würde es ausreichen, sein Mobiltelefon in der Toilette zu versenken. Weniger dramatisch veranlagte Menschen könnten die kleine Blechschüssel einfach öfters mal abdrehen.

Dass es sich ohne Handy und Flut an Informationen besser lebt, das weiß auch die Musikerin und Wissenschaftlerin Lindsay Olsen aka Salami Rose Joe Louis: Bis 2019 hat sie überhaupt keines besessen. Das hat ihre blühende Fantasie wohl auch vor größerem Schaden bewahrt. Bester Beweis: Ihre Platten erscheinen bei Brainfeeder, dem Label des kalifornischen HipHop-Visionärs Flying Lotus. Ihre Musik klingt so, als hätten ein paar außerirdische Wesen mit einer Affinität für Pop und Jazz den Auftrag bekommen, mit Hilfe eines Casio-Keyboards und eines Drumcomputers ein Opus magnum zu komponieren.

Salami Rose Joe Louis auf Bandcamp

Dystopische Geschichte in LP-Form

Bizarr, absurd, magisch, nicht von dieser Welt: Diese Umschreibungen fallen, wenn es um die Musik von Salami Rose Joe Louis geht. Vor zwei Jahren ist ihre Platte „Zdenka 2080“ erschienen, ein Konzeptalbum, das so klingt, als würde man einen Science-Fiction-Roman in Musik packen: Mit ihrer Platte „Zdenka 2080“ von 2019 hat sich die Musikerin bei Menschen mit einem Faible für IDM und experimentelle, elektronische Musik einen Namen gemacht. Und die dystopische Geschichte geht so:

Der Planet Erde ist im Jahr 2080 am Ende seiner Ressourcen angelangt. Die reiche Elite chartert ein Raumschiff von metropolitaner Dimension. Doch die Energie, die dazu benötigt wird, um dieses anzutreiben, saugt der Sonne alle Kraft aus. Zurück bleibt eine kalte Erde, dessen übrige Bewohner*innen qualvoll verenden. Eine Protagonistin namens Salami – gleichnamig der Musikerin – entdeckt in einem verlassenen Haus einen achteckigen Raum mit acht Gemälden einer Malerin namens Zdenka. Diese Bilder sind Portale in andere Dimensionen und stehen in spiritueller Verbindung mit allen Wesen im Universum und der Erde selbst. Diese Bilder fungieren wie eine zentrale Schaltstelle, wie eine Festplatte in einer großen Weltmaschine. Und an dieser Stelle stoppen wir diese Geschichte, denn wie auch in einem Buch oder Film, sollen sich die Rezipient*innen bekanntlich selbst in derartige Fantasiewelten hineinversetzen. Man möchte ja nicht spoilern.

Cover Art zu Alben von Salami Rose Joe Louis

Brainfeeder

„Zdenka 2080“

Lindsay Olsen aka Salami Rose Joe Louis lebt aber in keinem achteckigen Haus, sondern in einem kleinen Haus in Crockett in der kalifornischen Bay Area. An diesem Ort am Wasser, 30 Minuten von San Francisco entfernt, wohnen knapp über 3.000 Menschen. Außer einer Zuckerfabrik hat die Gegend vor allem viel Ruhe zu bieten. Der Künstlername Salami Rose Joe Louis ist ein Amalgam aus diversen Spitznamen ihrer Kindheit. Via Skype erzählt uns die Mittzwanzigerin mehr zu ihrer Musik. In ihrem abgedunkelten Wohnzimmer sitzt sie umringt von Instrumenten und Computern. Hier ein microKORG, daneben ein Rhodes Piano. Seit der Pandemie vertreibt sie sich die überflüssige Zeit mit ihrem neuen Lieblingsinstrument, der Klarinette. Draußen regnet es. Hier schraubt sie an ihren Beats und Melodien.

Skype-Interview mit Salami Rose Joe Louis

Alexandra Augustin

„Lange war es mein Traum, Musik für Filme zu komponieren. Und dann habe ich eine Zeit lang sehr viel Science-Fiction gelesen und hatte plötzlich die Idee, einen Zeichentrickfilm zu machen. Dazu habe ich einen Song geschrieben, der irgendwie wie eine Titelmelodie geklungen hat. Damit hat alles begonnen.“

Salami Rose Joe Louis hat ihr Album „Zdenka 2080“ wie den Soundtrack für diesen Anime-Film in ihrem Kopf angelegt. Surrealer Exotica-Future-Jazz, ein halluzinogenes Dreampop-Universum, eine Portion Easy Listening, getragen vom warmen Klang eines dahinfließenden Rhodes E-Pianos und der Synthesizer-Melodien. Dazu geloopte Beats eines Drumcomputers. Alles zusammengehalten durch die zuckersüße, mantrahafte Stimme von Salami Rose Joe Louis. Einundzwanzig, beziehungsweise zweiundzwanzig Miniaturen befinden sich auf „Zdenka 2080“ von 2019 und dem aktuellen Nachfolgewerk „Chapters of Zdenka“. Zwei Alben, die man am Stück hören sollte.

Cover Art zu Alben von Salami Rose Joe Louis

Brainfeeder

„Chapters of Zdenka“

Konzeptalben mit Weltraumbezug

Das erinnert natürlich auch an David Bowie und seine Geschichte „The Rise and Fall of Ziggy Stardust And the Spiders from Mars“, in der ein bisexueller Alien-Rockstar den Planeten Erde aus seiner Perspektive besingt. Man denkt vielleicht auch an Sun Ra und seinen Space-Jazz. Die Einflüsse von Salami Rose Joe Louis sind divers und ebenso eine Welt für sich. Sie liest gerne Romane der ersten bekannteren, schwarzen Science-Fiction Autorin Octavia Butler. Auch die dystopischen Zukunftswelten des Kultautors Gene Wolfe sind ihr eine Inspiration. Dazu hört sie gerne Musik von Stereolab, Herbie Hancock und Shuggie Otis. Eine große Liebe zu Kulturgütern abseits des Mainstreamgeschmacks ist bei Salami Rose Joe Louis spürbar. Aus all diesen Ingredienzen zimmert sie sich ihre neue Welt zusammen.

„Chapters of Zdenka“ und „Zdenka 2080“ sind auf dem Label von Steven Ellison aka Flying Lotus, bei Brainfeeder erschienen.

Ihr Zugang zu intelligenter, elektronischer Musik wird vielleicht noch ein Stück nachvollziehbarer, wenn man sich ihre Biografie ansieht: Vor ihrer Zeit als Vollzeitmusikerin hat Salami Rose Joe Louis als Wissenschaftlerin gearbeitet, als Forscherin in einem Labor für Ozeanografie. Für ihre Dissertation hat sie an Kohlenstoff-Isotopen im Wasser geforscht:

„Ich war innerlich immer hin- und hergerissen zwischen der Wissenschaft und der Musik. Und irgendwann war ich so beschäftigt mit dem Musikmachen, dass ich eine schlechte Labormitarbeiterin wurde, weil ich immer zu spät kam (lacht)! Ich denke die Beharrlichkeit und Hingabe zu etwas so Abstraktem, die Beschäftigung mit Wissenschaft, war bereichernd für meine Musik. In diese Welt und in diese abstrakten Orte einzutauchen - die Beschäftigung mit Wissenschaft hat meinen Fokus geschärft und meine Aufmerksamkeit für’s Detail verbessert. Und auch das Mixen meiner Stücke.“

Die Musik von Salami Rose Joe Louis ist ein kreatives Wunderwerk, das eine/n in fremde, spannende Welten entführt. Musik, die so ganz anders zustande kommt, als sie das vielleicht sonst oft tut. Kindliche Fantasie trifft auf große Kompositionen, trifft auf Liebe zu Naturwissenschaften, trifft auf Storytelling, trifft auf eine große Leidenschaft für Technik. Salami Rose Joe Louis ist wie das eine Mädchen in der Schule mit den großen Brillen, das etwas nerdig, introvertiert und unfassbar clever ist. Die am Nachmittag im Physikfreifach sitzt, anstatt Klamotten zu shoppen. Und die sich später dann eben zur coolsten Socke weit und breit mausert.

Dass es sich bei der Musikerin Salami Rose Joe Louis um ein kreatives High Potential handelt, ist auch dem Label Brainfeeder aufgefallen, das der visionäre Musiker Flying Lotus betreibt. Dort wurde die Musikerin unter Vertrag genommen. Sie befindet sich dort in bester Gesellschaft mit anderen Avantgardemusiker*innen, wie Thundercat und The Gaslamp Killer. Mit Flying Lotus und Toro Y Moi war Salami Rose Joe Louis auch bereits auf Tour. Besser könnte es für den vielversprechendsten Neuzugang am Label also wirklich nicht laufen. Von Salami Rose Joe Louis wird man also in nächster Zeit noch viel hören. Hier auf der Erde, als auch in diversen anderen Paralleluniversen.

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