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Screenshot des fiktiven Unternehmens Fizzle

Aggro Crab/Team 17

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Das härteste Praktikum der Welt

Statt einem Praktikum im Bereich Marketing, muss die Protagonistin Jackie ein Start-Up von Monstern befreien – ohne Bezahlung versteht sich. Das Game „Going Under“ entlarvt mit geschickter Satire die Ausbeutung junger Arbeitskräfte in der modernen Arbeitswelt.

Von David Riegler

Wer nach der Schule oder Uni versucht, in die Arbeitswelt einzusteigen, steht heute vor dem klassischen Dilemma des modernen Jobmarkts: Für fast alle Jobs muss man Erfahrung vorweisen. Doch wie soll man Erfahrung sammeln, wenn alle Jobs Erfahrung voraussetzen? Richtig – durch (oft unbezahlte) Praktika. Genau so eines macht auch unsere Protagonistin Jackie, die in der dystopischen Welt Neo-Cascadia lebt und eine von 100.000 unbezahlten Arbeitskräften der fiktiven Firma Cubicle ist.

Auch du kannst es schaffen!

Als Begrüßung bekommt Jackie erstmal ein Motivationsvideo zu sehen, in dem den unbezahlten Praktikant*innen erklärt wird wie großartig Cubicle ist, das mehrere Start-Ups aufkauft, um sie zu Cash Cows zu verwandeln. Die Firmengeschichte ist das klassische Märchen moderner Tech-Konzerne: Eine Produktidee, die in einer Garage mit viel Fleiß entwickelt wurde, hat zu einem erfolgreichen Großkonzern geführt. Die Message dahinter ist klar – wer sich im unbezahlten Praktikum anstrengt, kann auch etwas erreichen. Doch ganz so einfach ist es nicht.

Screenshot Jackie mit ihrem Vorgesetzten

Aggro Crab/Team 17

Jackie wird dem Soft Drink Start-Up Fizzle zugewiesen, einem mit Nährstoffen angereicherten Getränk, das man statt einer Mahlzeit trinken kann. Das spart Zeit und Geld. Eigentlich hat sie einen Abschluss in Marketing und geht davon aus ihr Praktikum in der Marketing-Abteilung zu beginnen, doch der Abteilungsleiter von Fizzle hat eine andere Idee. Sie soll sich um die Monster im Keller kümmern. So hat sich Jackie ihr Praktikum nicht vorgestellt, aber ihr neuer Chef stellt klar, dass sie keine Wahl hat, denn wenn sie es nicht macht, findet sich sofort jemand anderes.

Spätestens jetzt fühlt man sich der Protagonistin Jackie eng verbunden, denn demütigende Situationen wie diese, kennen die Generationen Y und Z nur zu gut aus den eigenen Bestrebungen in einen stark umkämpften Jobmarkt einzusteigen. Jackie macht das was die meisten machen würden – sie widerspricht nicht, geht in den Keller und beginnt ihren ersten Arbeitstag. Die unheimlichen Wesen im Keller waren früher selbst Angestellte des Start-Ups Joblin, das jedoch gescheitert ist. Zum Glück ist die Büroeinrichtung noch vorhanden und kann zu Waffen umfunktioniert werden.

Screenshot der Keller Monster

Aggro Crab/Team 17

Alles kann eine Waffe sein

So wird „Going Under“ zum Dungeon-Crawl und wir müssen Raum für Raum die Ruinen des alten Start-Ups von Monstern befreien. Der Kampfmodus ist einfach zu verstehen und trotzdem abwechslungsreich durch die Vielfalt an möglichen Waffen. Egal ob Bürosessel, alte Laptops oder Bleistifte – wir können so ziemlich alles verwenden, um auf die Monster einzuprügeln. Unsere Leistung wird dabei ständig von den Vorgesetzten überwacht und mit einem Sternen-System bewertet. Als Belohnung für gute Arbeit bekommen wir kein Geld, dafür aber Erfahrung und neue Skills, die wir nutzen, um die Monster noch effizienter zu bekämpfen.

Der Kampfmodus funktioniert flüssig und macht Spaß, doch die wahren Highlights des Spiels sind die vielen satirischen Momente, die die harte Realität des modernen Arbeitsmarkts mit Humor aufdecken. Fizzle ist nach außen ein hippes Start-Up mit Open Spaces und moderner Einrichtung, doch nach innen ist es streng hierarchisch und nutzt die Perspektivlosigkeit junger Menschen schamlos aus. Auch die Kolleg*innen mit Fixanstellung zeigen keine Solidarität, sondern haben nur arrogante Ratschläge wie Jackie noch produktiver sein kann, indem sie zum Beispiel ein paar Mahlzeiten auslässt. Man müsse eben die „Extra-Meile“ gehen und dankbar für diese einzigartige Arbeitsgelegenheit sein. Leider braucht man die Kolleg*innen als wichtige Verbündete, darum heißt es freundlich bleiben, nicken und die angestauten Aggressionen einfach später bei den Monstern rauszulassen.

Screenshot aus dem Start-Up

Aggro Crab/Team 17

Jetzt auch im Homeoffice

Als wäre „Going Under“ nicht schon schmerzhaft realistisch genug, hat das Entwicklerstudio jetzt auch ein Homeoffice-Update als kostenlosen DLC hinzugefügt. Das heißt Jackie kann ihre wertvollen Arbeitserfahrungen jetzt auch zuhause von ihrem Laptop aus sammeln. In ihrem Zimmer kann man kurz Pause machen und abhängen, doch der Kampf hört auch hier nicht auf. In einer surrealen Welt in ihrem Spiegel muss sie die gelernten Skills jetzt auch gegen neue Homeoffice-Monster anwenden. Nicht einmal das eigene Zimmer ist geschützt vor den dunklen Kräften des Konzerns.

Logo Going Under

Aggro Crab/Team 17

Going Under wurde von Aggro Crab entwickelt und von Team 17 veröffentlicht. Es ist für Windows, Xbox One, PS4 und Switch erhältlich.

„Going Under“ trifft dorthin, wo es wehtut, denn es entlarvt die hohlen Phrasen und verlogenen Motivationssprüche der modernen Start-Up Kultur und zeigt die brutale Konzerngier und strenge Hierarchie die, zumindest bei Fizzle, dahintersteckt. Die Entwickler*innen haben einen scharfen Sinn für Satire, denn in jedem Gespräch und jedem kleinen Detail des Spiels steckt eine kluge Parodie auf die Arbeitsrealität von unbezahlten Praktikant*innen. Wer selbst schon einmal ohne Bezahlung ganz unten in der Hierarchie gestanden ist, hat mit diesem Spiel die Chance auf Katharsis, denn es parodiert immer mit einer großen Portion Humor. Wer sich genügend anstrengt und es schafft den Endboss zu besiegen gewinnt am Ende das Spiel, wird von den Vorgesetzten respektiert und bekommt eine Fixanstellung. Kleiner Scherz, die Arbeit im unbezahlten Praktikum hört natürlich nie auf, egal wie gut man ist.

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