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Filmstills aus "Black Narcissus", Nonne mit einem Handwerker

Disney+

Serie

„Black Narcissus“: dünne Luft für Nonnen

In der Mini-Serie „Black Narcissus“ will eine Handvoll britischer Nonnen einen abgelegenen Palast im Himalaya-Gebirge mit Gottes Segen erfüllen und mit einer Schule für Dorfkinder beleben. Dabei stehen ihnen die eigenen menschlichen Schwächen und Gelüste sowie willkürlich herumspukende Geister im Weg.

Von Anna Katharina Laggner

„Black Narcissus“ spielt irgendwann zwischen Erstem und Zweitem Weltkrieg, was für die Geschichte keine große Rolle spielt, da hier alles außerhalb von Raum und Zeit zu geschehen scheint. Mit jedem Schritt, den die Nonnenschar sich hinauf über den steinigen Weg zum Palast bewegt, bewegt sie sich weiter weg von einer Realität, die etwas mit uns zu tun haben könnte.

Tatsache ist: Die Nonnen sind dem Himmel nah, doch mit Irdischem konfrontiert. Also verhängen sie die Kamasutra-Abbildungen auf den Wänden, stellen Bänke und Tische auf und unterrichten Kinder in Rechnen, Schreiben und, ja, Knüpfen. Kinder, die wie vom Himmel fallen. Denn weit und breit gibt es nichts rund um diesen alten Palast, der hoch auf einem Felsen thront. Nichts, bis auf einen langhaarigen Inder, der sich bewegungslos im Schneidersitz unter einem Baum aufhält. Ein heiliger Mann, keine Frage. Schwester Clodagh möchte ihn weg haben. Weshalb entzieht sich unserer Kenntnis, spielt aber auch keine Rolle. Der heilige Mann bleibt sitzen, ob’s stürmt oder schneit.

„Black Narcissus“ basiert auf einem Roman, der 1939 veröffentlicht wurde und bereits 1947 in einem seltenen Fall von britischem Psycho-Erotik-Drama, damals mit Deborah Kerr in einer Hauptrolle, verfilmt wurde. Nun gibt es eine Neuauflage des Dramas, das als Mini-Serie bei Disney+ zu sehen ist.

Filmstills aus "Black Narcissus", Nonne mit einem Handwerker

Disney+

Die beunruhigendste Erscheinung ist ein verwegener Brite im besten Alter, der an keinen Gott glaubt und keine Scheu hat, den Nonnen tief in die Augen zu schauen. Also genug, um eine Nonne zum Schwitzen zu bringen. „Ich bin froh, dass Sie menschliche Körperfunktionen haben,“ sagt er der ehrgeizigen Schwester Clodagh, nachdem er das Wasserklosett repariert hat. Schwester Clodagh wird, wann immer sie allein ist und aus dem Fenster auf die schneebedeckten und wolkenumkränzten Bergspitzen schaut, von Erinnerungen heimgesucht, die verraten, dass sie schon Erfahrungen gemacht hat. Mit normalen Körperfunktionen, auch außerhalb des Klos.

Doch weshalb sie die Sommerkleider gegen eine Nonnen-Robe ausgetauscht hat und wie sie von saftigen Blumenwiesen ins karge nordindische Gebirge gelangt ist, darüber verrät sie nichts. Was insofern schade ist, als dass uns diese biographische Lücke durchaus daran hindert, sich mit ihr (oder irgendeiner anderen der lebensgeschichtslosen Figuren) zu identifizieren.

„Black Narcissus“ bleibt auf seltsame Art und Weise nebulös und in der bloßen Aussage stecken: Der Palast war früher von Mönchen bewohnt, die sich Konkubinen gehalten haben. Ein Kind lag schreiend in einem Bettchen. Die Nonnen bemerken die dünne Luft. Sie ist ähnlich dünn, wie der Spuk in diesem alten Palast. Balken bewegen sich knarrend, Türen gehen auf, ohne dass sie ein menschliches Wesen aufgemacht hätte. Die Gänge sind leer. Und Schwester Ruth wird, so scheint es, von einer toten Katze verhext. Oder von dem wiederkehrenden Geist einer jungen Inderin, die sich einst vom Glockenturm in die Tiefen des Himalaya-Gebirges gestürzt hat.

„Black Narcissus“ ist in all seinen Erzählsträngen substanzlos. Das Geheimnis über Schwester Clodaghs wahren Namen? Der ruhelose Geist der Selbstmöderin? Und warum, in Gottes Namen, muss eine der Nonnen den Palast verlassen? Nicht etwa weil ihr die Luft zu dünn ist, nein, sie sagt: Die Luft ist mir zu klar. Das sei zu viel für eine gläubige Person. Eine gläubige Person, die keine Klarheit verträgt? Das müsste man eigentlich erklären. Passiert aber nicht. Und so muss man „Black Narcissus“ nehmen wie den heiligen Mann im Schneidersitz: Er ist einfach da. Und tut niemandem was.

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