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Kings Of Leon neues Album "When You See Yourself"

Sony

Die Kings of Leon und ihr revolutionäres Album „When You See Yourself“

Die Kings of Leon veröffentlichen mit „When You See Yourself” ihr innovativstes Album bisher. Das liegt allerdings nicht an der Musik.

Von Christian Lehner

Die wilden Jahre sind vorbei. Der britischen Zeitung The Guardian erzählte Kings of Leon-Frontmann Caleb Followill, dass das neue Album das erste sei, bei dessen Entstehung nicht die Fäuste geflogen sind. Die einstigen Rock-Rebellen aus dem Süden der USA sind erwachsen geworden, haben Familien gegründet, Restaurants eröffnet und die Bierflaschen gegen Golfschläger getauscht. Die einsetzende Altersmilde hört man den neuen Songs an.

„When You See Yourself“, das achte Album der Kings of Leon, hätte vor einem Jahr erscheinen sollen. Dann kam Corona, dann der Lockdown und plötzlich stand das Herz der Musik still. Die Stücke waren zu diesem Zeitpunkt längst eingespielt. Entgegen früher Meldungen haben die Kings of Leon nichts mehr am Album verändert, immerhin hatten sie davor so viel Zeit in die Aufnahmen investiert wie nie zuvor in ein Album, erzählt Caleb Followill am Telefon. Im Lockdown verstaubte die Gitarre in der Ecke des heimatlichen Anwesens in Nashville. Wären da nicht die Kinder, wäre kein Ton erklungen.

Vom Wilden zum Milden

„Natürlich ist die Versuchung groß, etwas am Album zu ändern, wenn es so lange auf Halde liegt, aber wir hatten überhaupt keine Lust auf Musik, nachdem wir so viel Zeit und Energie in das neue Ding gesteckt hatten. Einzig wenn mein Sohn die Gitarre in die Hand nahm, habe ich einige Akkorde gegriffen, angeschlagen hat er sie selbst und das ziemlich kräftig.“

Obwohl Caleb die Texte bereits vor der Pandemie geschrieben hat, scheinen die Lyrics wie gemacht für die Lockdown-Ära. In den Songs geht es um Reflexion und Rückschau. Gedanken kreisen um Erlebtes. Tunes wie „Golden Restless Age“, „Time In Disguise” und „Echoing“ sind kleine Entwicklungsromane. Die Figuren erleben turbulente Zeiten, wachsen aber an den Erfahrungen.

Kings Of Leon neues Album "When You See Yourself"

Matthew Followill

„Alle Charaktere, die im Album vorkommen, verstehen am Ende, wer sie sind. Ich lasse niemanden hängen. Sie kennen ihre Fehler und hoffentlich werden sie daraus die richtigen Lehren ziehen“, so Caleb.

Synthes und Gitarren

Musikalisch hat sich auch etwas getan. Zum Breitwandrock der letzten Alben gesellen sich nun Synthesizer und andere Zwitscherkisten vom Flohmarkt, was – laut Caleb – dem Tatendrang und der Experimentierfreude von Schlagzeuger-Bruder Nathan Followill zu verdanken ist.

Caleb, der sich mit seinem Frontmannstatus immer weniger anfreunden kann, vergräbt seine Stimme tiefer im Mix. Der Bass von Bruder Jared Followill drängt in den Vordergrund, die Gitarrenriffs von Caleb und Cousin Matthew gehen in Reverbs und Echos auf, sie fügen sich den neuen Gegebenheiten.

In den besten Momenten klingt das nach der Band Interpol. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie, wurden die Kings of Leon aus Nashville Anfang der Nullerjahre doch als heißes Gegengewicht zum coolen Gitarrensound von New York gefeiert. In den schlechtesten Momenten fühlt man sich hingegen unangenehm an Coldplay in deren Harlekin-Phase erinnert.

Kings Of Leon neues Album "When You See Yourself"

Sony

„When You See Yourself“ ist auf RCA/Sony erschienen und als NFT erhältlich

„Wir haben sehr viel Neues ausprobiert“, sagt Caleb. „Ich bin mir gar nicht sicher, ob meine Gitarre im Final-Cut mancher Songs zu hören ist. Aber warum nicht? Nichts muss dort sein, wo es nicht sein muss. Wir sind jetzt in Bezug auf das Experimentieren auf den Geschmack gekommen und freuen uns schon jetzt auf die nächsten Studiosessions.“

Doch leider ist „When You See Yourself“ ein Album, das weniger wagt, als es verspricht. Die Fans bekommen solide Rockkost garniert mit ein paar Synth- und Soundexperimenten in Denkerpose. Bei allem Verständnis für neue Lebensverhältnisse von nun nüchternen und raufarmen Rockstars mit Papabäuchlein wünscht man sich doch etwas mehr das Wilde als das Milde in der Musik der Kings of Leon (zurück). Die gute Nachricht für die Fans: Stücke wie die klug gewählten Singles „The Bandit“ und „Echoes“ funktionieren im Stadion wohl auf Autopilot.

Album via Blockchain

Dass die Kings of Leon (oder ihr Management) auch Innovation können, demonstrieren sie abseits der Musik. Laut Rolling Stone Magazine ist „When You See Yourself“ das erste Pop-Album überhaupt, das neben den herkömmlichen Formaten als Krypto-Token aufliegt. Non-Fungible Token (NFT) funktionieren wie Kryptowährungen über Blockchain und stellen dort ein Gefäß für Spielinhalte, Designs oder Tickets zur Verfügung. Im Gegensatz zu Kryptowährungen wie Bitcoin sind diese Tokens einmalig und nicht austauschbar.

Musik und Kunst als Krypto-Token: Hype oder Zukunftsmodell?

Christoph „Burstup“ Weiss darüber, was hinter dem NFT-Hype steckt und wo die Technologie sinnvoll sein könnte.

Entwickelt wurden die Token der Kings Of Leon von YellosHeart, einer Firma, die versucht, für Musiker*Innen über die Blockchain-Technologie neue Einnahmequellen zu erschließen und eine direkte Beziehung zwischen Acts und Fans herzustellen.

NFT zirkulieren schon länger in der Kunst und DJ-Szene. Zuletzt sprangen prominente Pop-Acts wie Portugal The Man und Grimes auf den Krypto-Zug auf.

Die Token der Kings of Leon, die ab dem Release-Date des Albums am 05. März für zwei Wochen unter dem Namen „NFT Yourself“ erhältlich sind, kosten jeweils 50 US-Dollar und beinhalten neben dem Download des Albums exklusives Artwork und eine limitierte Vinyl-Auflage. Danach wird die Produktion eingestellt und die Token können unter den Fans als Sammelstücke gehandelt werden.

Zusätzlich zu den regulären Einheiten wurden 18 „Golden Tickets“-Token „geprägt“. Diese Token enthalten verschiedene Spezial-Features – etwa lebenslang gültige Tickets für alle künftigen Kings of Leon-Touren. Sechs dieser Token werden umgehend versteigert, den Rest behält die Band für künftige Auktionen.

Der Vorteil dieses Formats liegt darin, dass die Künstler*innen selbst bestimmen können, was in die jeweiligen Token kommt und an wen die Einnahmen verteilt werden. So spenden die Kings of Leon einen Teil der Erlöse an eine Charity, die Mitgliedern von Touring-Crews zugutekommt, die durch die Corona-Pandemie arbeitslos geworden sind.

Die Einnahmen der Auktionen und Verkäufe fließen direkt in das sogenannte Wallet, also die Krypto-Brieftasche der jeweiligen Artists. Zwischenhändler wie Streamingdienste und Ticketverkäufer fallen weg. Der Nachteil: So wie auch bei den Kryptowährungen verbraucht die Prägung der Token sehr viel Energie.

NFT klingt wie Zukunftsmusik, die bereits jetzt stattfindet. Ob die Krypto-Technologie für Musiker*Innen ein Schritt in Richtung Unabhängigkeit ist oder doch nur neue Abhängigkeiten schafft, bleibt zu beobachten. Im Fall des achten Albums der Rock-Millionäre Kings of Leon ist die Art des Releases jedenfalls spannender als die Musik selbst.

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