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Filmstill Cherry

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Neuer Film der Russo-Brüder: Die Leiden des jungen Cherry

Im Drama „Cherry“ legt Tom Holland seinen Spider-Man-Anzug ab und wird zu einem kriminellen und drogenabhängigen Kriegsveteranen. Die Regisseure Anthony und Joe Russo nehmen sich mit dem Film, der auf einem autobiographischen Roman basiert, große Themen vor und inszenieren diese optisch durchaus komplex.

Von Philipp Emberger

Als Cherry werden im Jargon der US-Armee unerfahrene Soldaten bezeichnet. Genau so ein Frischling ist der gleichnamige Protagonist des Filmdramas „Cherry“, der sich nach dem Umzug seiner Freundin Emily (Ciara Bravo) als Sanitäter bei der US-Armee verpflichtet. Das Filmdrama folgt dann dem Leben des jungen Mannes und zeigt die Abwärtsspirale ausgehend von seiner Armee-Verpflichtung.

Nach dem brutalen Kriegseinsatz im Irak kehrt Cherry traumatisiert in die Heimat zurück. Dort angekommen leidet der Kriegsveteran unter posttraumatischen Belastungsstörungen, die er mithilfe von Opioiden zu unterdrücken versucht. Fortan ist er gefangen in einer Shitshow zwischen Drogensucht und Kriminalität, in die er immer mehr seine zurückgekehrte Frau Emily hineinzieht. Die beiden teilen sich nicht nur das Haus, sondern auch ihre Lebenshölle bestehend aus der Sorge um den nächsten Schuss und den damit einhergehenden Geldmangel, um die Drogen bezahlen zu können.

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Tom Holland als Cherry

Filmplakat Cherry

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„Cherry“ ist auf dem Streakingkanal AppleTV+ zu sehen.

Technisch verspielter Film

Ausgefeilte Kameraspielereien, verzerrte Seitenverhältnisse und unterschiedliche Produktionsdesigns pro Filmkapitel - die Regie-Brüder haben „Cherry“ wuchtig und visuell anspruchsvoll angelegt. Die einzelnen Filmkapitel sind optisch voneinander getrennt und wurden mit Hilfe von verschiedenen Objektiven gedreht. Im zweiten Kapitel etwa, das Cherrys militärische Grundausbildung zeigt, wird auf ein verzerrtes, eingeengtes Seitenverhältnis zurückgegriffen, um Cherrys beschränkte Sicht auf das Leben darzustellen. Solche visuellen Spielereien ziehen sich durch den kompletten Film.

Inhaltlich thematisieren die Russo-Brüder mit dem umfangreichen Werk gleich mehrere Themen, darunter die Opiat-Krise und den Umgang mit Kriegsveteranen. Sie kritisieren, wie viele jungen Männer von der Armee verheizt, gebrochen und nach ihrem Kriegseinsatz vergessen werden.

Leider verlieren sich die beiden Marvel-Regisseure (zuletzt waren sie für die beiden Finalfilme der Avengers-Reihe verantwortlich) dabei weitgehend und opfern die Geschichte zugunsten ihrer technischen Variationen.

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Emily (Ciara Bravo) und Cherry (Tom Holland)

Diese erdrücken Hauptdarsteller Tom Holland dann auch und radieren die Nuancen seiner eigentlich gelungenen Charakterisierung beinahe aus. Holland minimiert mit diesem Auftritt aber einmal mehr die Gefahr, in die Typecasting-Schublade gesteckt zu werden und zeigt, dass er mehr drauf hat als nur die freundliche, comedyhafte Spinne aus der Nachbarschaft.

Mit Angela Russo-Otstot war die jüngere Schwester der Russos, gemeinsam mit Jessica Goldberg, für das Drehbuch verantwortlich. Die Familie Russo hat auch einen persönlichen Bezug zur Geschichte. Die Romanvorlage von Nico Walker spielt in derselben Gegend Clevenlands, in der die Russos aufgewachsen sind.

Bestseller als Filmvorlage

Filmstill Cherry

Heyne-Verlag

Der Roman „Cherry“ von Nico Walker ist im Heyne-Verlag erschienen.

„Cherry“ basiert auf dem gleichnamigen Roman des Autors Nico Walker. Darin verarbeitet der Kriegsveteran seine persönlichen Horrorerfahrungen bei der US-Armee inklusive des Gefühls, nie richtig für den belastenden Einsatz vorbereitet gewesen sein. Andererseits erzählt Walker in dem Roman auch von seinem anschließenden kriminellen Lebensweg.

Die Russo-Brüder halten sich weitgehend an die Erzählstruktur des Buches und unterteilen auch das Filmdrama in verschiedene Kapitel, optisch getrennt durch flashige blutrote Visualisierung. Die zitierfähigen Sätze des Buchs kommen im Film von Cherry dann in Forrest-Gump-Manier mittels Voice-Over-Erzählung daher. Dazu kommt, dass Tom Holland als Cherry häufig die vierte Wand durchbricht und direkt mit den Zuseher*innen spricht. Es ist aber wohl auch die plakativste Voice-Over-Erzählung in einem Film seit längerer Zeit. In Show-and-Tell-Manier erklärt Holland die Filmbilder, ohne in vielen Fällen wirklich einen Mehrwert zu bieten.

Am Ende bleibt „Cherry“ zumindest eine intensive Zustandsbeschreibung des Elends, hat aber trotz der dramatischen und intensiven Bilder selten die Kraft, die er haben könnte.

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