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Landschaft Missouri

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Benedict Wells nennt seinen neuen Roman „Hard Land“

Nach seinem Bestseller „Vom Ende der Einsamkeit“ schreibt Benedict Wells mit „Hard Land“ nun wieder ein Buch über das Erwachsenwerden. Der Roman spielt in den 1980er Jahren, und zwar im Mittleren Westen der USA, in einer fiktiven Kleinstadt namens Grady, Missouri. Protagonist Sam Turner ist zum ersten Mal verliebt, aber auch der Tod tritt schon früh in sein Leben.

von Eva Umbauer

Benedict Wells knallt den Leser*innen gleich mit dem allerersten Satz hin, worum es in „Hard Land“ geht: „In diesem Sommer verliebte ich mich, und meine Mutter starb.“ Ein Jahr danach erinnert sich Sam Turner an diesen Sommer und erzählt, was sich alles zugetragen hat.

Buchcover "Hard Land"

Diogenes Verlag

„Hard Land“ von Benedict Wells ist bei Diogenes erschienen.

„Ich starrte auf die Felder in der Ferne. Die Luft stand still, und je länger ich auf diese idyllische Landschaft blickte, desto unschärfer wurde sie an den Rändern...“

Schauplatz: amerikanischer Midwest

Benedict Wells, der in München geborene und in Berlin lebende Deutsch-Schweizer, führt uns also in den amerikanischen Midwest, dort wo sich für junge Menschen oft nicht viel tut, wo viele den Tag herbeisehnen, fern des Heimatortes auf ein College zu gehen, damals wie heute.

Benedict Wells scheint sich gut auszukennen im Mittleren Westen der USA. Er schreibt von der Arbeitslosigkeit vieler Menschen nach dem Niedergang der örtlichen Industrie. Auch der Vater von Sam Turner ist arbeitslos. Aber die Sonnenuntergänge im Midwest sind die schönsten.

„Abends standen wir vor dem Pick-up in der Dämmerung. Man kann sicher über einiges in Missouri herziehen, aber die Sonnenuntergänge haben reinste Postkartenqualität. Ein riesiger Feuerball hinter den Bergen, in dessen rötlich goldenem Licht wir lange Schatten warfen und aussahen wie Helden.“

Der Film- und vor allem Musik-begeisterte Benedict Wells fügt seinem Roman einen Soundtrack an: „I´m On Fire“ von Bruce Springsteen oder „Space Age Love Song“ von der englischen Band A Flock Of Seagulls. Aber nicht nur Musik aus den 80er Jahren findet sich dabei, sondern auch aktuelles wie „In A Drawer“ von der Band Of Horses aus den USA. Ein Song hätte noch gut gepasst, nämlich „Sundowner“ von Kevin Morby, von seinem aktuellen Album, das eine Hommage an den US-Midwest ist.

Autor Benedict Wells

Roger Eberhard

Benedict Wells schrieb bisher Romane wie „Becks letzter Sommer“, „Spinner“ oder vor ein paar Jahren „Vom Ende der Einsamkeit“. Letzterer - ein Bestseller, der in viele Sprachen übersetzt wurde - war ebenfalls ein Coming-of-Age-Roman, also ein Entwicklungsroman: Das Erwachsenwerden dreier Geschwister nach dem Unfalltod der Eltern. Ein ähnliches Thema, dennoch ganz anders als „Hard Land“.

Ein Buch für viele Generationen

Auch Sam Turner, der 15- und bald 16-jährige Protagonist in „Hard Land“, spielt Gitarre. Zusammen mit seiner älteren Schwester, die in Kalifornien lebt, spielt er beim Begräbnis der Mutter. Mrs Turner führte ein Buchgeschäft in einem Einkaufszentrum außerhalb der Stadt. Sie starb an einem Hirntumor. Sam, der wenig Bezug zu seinem Vater hat, sich aber mit der Mutter gut verstanden hatte, muss lernen, mit dem Tod der Mutter umzugehen.

„Ich feuerte den Salzstreuer in die Ecke und haute mit der Hand auf den Tisch, ich hörte gar nicht mehr damit auf. Immer wieder schrie ich und schlug dabei wie ein Irrer auf den Tisch ein, bamm bamm, bamm, bamm.“

Sam jobbt im örtlichen Kino, lernt dort andere junge Menschen kennen. Endlich Freunde. Die zwei Jahre ältere Kirsty, der schwule Cameron und der stille schwarze Footballspieler Hightower. Sie akzeptieren den introvertierten Sam sofort.

„Gegen Ende des Schuljahres hatte jemand nachts das Wort Schwuchtelschuppen auf die Scheiben des Larry’s geschmiert. Wir wischten es trotzig ab und bekamen auch Zuspruch von unseren Gästen, die Cameron sagten, er solle sich nichts denken. Er war ohnehin unbeirrbar und sprudelte nur so vor Ideen.“

Liebevolle Figuren, fiktiver Ort

Benedict Wells hat alle Figuren in „Hard Land“ liebevoll gezeichnet. Der englischsprachige Titel des Romans bezieht sich auf einen Lyriker aus diesem fiktiven Ort namens Grady, dessen Gedichtband „Hard Land“ die Schüler*innen durchnehmen. Grady, ein Sehnsuchtsort aus lange vergangenen Tagen, aus einer „unschuldigen“ Zeit, als es noch kein Social Media gab.

„Der Winter krallte sich an Grady fest, wollte gar nicht mehr loslassen, doch Ende März gab er sich endlich geschlagen. Die monatelang verschneite Landschaft war wie ein leeres weißes Papier, auf das die Natur nun wieder alle möglichen Farben malte.“

Das tiefgründige „Hard Land“ ist nicht schwierig zu lesen, samt Worterfindungen wie „Euphancholie“ - Euphorie trifft auf Melancholie. Ich hätte das Buch gerne gelesen, als ich 15 Jahre alt war, und ich habe es jetzt gerne gelesen, es hat mich zurückkatapultiert in die 80er Jahre. „Hard Land“ ist ein Buch für viele Generationen. Es ist ein fragiler Roman voller Herzenswärme. Ungeachtet der Melancholie, ja, der Traurigkeit des Buches, wegen des Todes der Mutter von Sam, ist Sams Selbstfindung und sein Über-Sich-Hinauswachsen auch voller Witz, Humor und Weisheit.

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