FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Babyjoy

Eric Terrey

Best New Music

Babyjoy erfindet Deutschrap neu

Scharfe Trap-Beats, melodische Hooks und das gleich trilingual: Die Berliner Rapperin Babyjoy liefert mit ihrer ersten EP ‚Troubadours‘ eine Mischung aus schwerelosem R’n’B und kritischem Rap, die Lust auf mehr macht.

Von Melissa Erhardt

Es kann so erfrischend sein, etwas Neues zu hören. Etwas, das noch nicht jede*r tausendmal gecopy-pasted hat, weil der Markt gerade danach schreit. Die Schöneberger-Rapperin Babyjoy ist so etwas Neues. Sie stellt die Erwartungen des deutschen Rapkosmos auf den Kopf und zieht ihr eigenes Ding durch: „Ich eifer‘ nicht irgendeinem Ziel nach, ich mach Musik weil’s mir Spaß macht und weil ich’s kann.“

Artwork "Troubadour" EP

Babyjoy

Zusammen mit Produzenten KazOnDaBeat hat Babyjoy am 26. Februar das Kollabo-Tape „Troubadour“ rausgebracht.

Seit 2019 veröffentlicht Joy Grant unter dem Namen Babyjoy feinfühligen Rap, der mal nach innen an ihre Gefühlswelt, dann wieder nach außen an die Gesellschaft gerichtet ist. Ihre sanfte, aber trotzdem ausdrucksstarke Stimme schmiegt sich in ihren Tracks wie eine Decke über die Trap-Beats, die bisher fast ausschließlich vom Amerikanisch-Deutschen Produzenten und maßgeblichem Mitpräger der Berliner New Wave, KazOnDaBeat gebaut worden sind. Die Zusammenarbeit der beiden ist aus einem klassischen Instagram-DM-Slide (von Joy, zu Kaz) hervorgegangen und läuft bis jetzt „luftig-flocker“, wie Babyjoy im Interview erzählt: „Es war immer ganz ungezwungen, auch bei der EP. Ich bin im Sommer zu ihm nach Hause gefahren, wir haben kurz gequatscht und dann einfach einen Beat gehört, Text geschrieben und aufgenommen.“ Aber warum genau klingt Babyjoy nun so anders als Loredana, Juju & Co.?

Trilinguale Geschmeidigkeit

Zuerst und wahrscheinlich am auffälligsten wäre(n) da mal die Sprache(n). Babyjoy ist als jüngstes von vier Kindern trilingual aufgewachsen, ihre Mutter ist aus Paris, ihr Dad aus New York. Vor allem zu Paris und dem Französischen hat sie eine enge Bindung, was sich auch in ihrer Musik widerspiegelt: Diese Feinfühligkeit für die Sprache, das Gefühl dafür, wie etwas klingt und wie etwas ankommt ist bei ihr so ausgeprägt, dass man es fast nicht merkt, wenn sie vom Französischen ins Deutsche wechselt und vorsichtig wieder zurück - immer schön smooth und glatt. Wann sie welche Sprache verwendet ist intuitiv, beim Hören fällt aber auf: Geht es um komplexere Gefühlslagen, um emotionale Zustände, verweilt sie lieber im Französischen, etwa auf dem Song Ensemble, auf dem sie singt:

C’est pas beau quand j’te défie, j’sais même pas pourquoi j’t’ai dit / Qu’c’était fini, qu’c’était mo-ort / Peut-être qu’j’ai encore d’l’amour, à te donner tous les jours, mais j’suis pas sûr de ma lo-ove (Es ist nicht schön, wenn ich dich herausfordere, ich weiß nicht einmal, warum ich dir sagte, dass es vorbei ist, dass es gestorben ist. Vielleicht habe ich noch Liebe, die ich dir jeden Tag geben kann, aber ich bin mir meiner Liebe nicht sicher.)

Dazu erzählt sie im Interview: „Tatsächlich glaube ich, passiert das ein bisschen unterbewusst, dass man sich in der französischen Sprache so schön verstecken kann, weil nicht alle französisch können. Man packt emotionalere Sachen in den französischen Part, weil man sich denkt ‚Gut da fühl ich mich wohl bei‘. Dazu muss man aber auch sagen, dass im Deutschen Sachen relativ schnell corny oder kitschig klingen. Im Französischen kannst du Sachen schreiben, die super kitschig sind, aber es klingt nicht kitschig sondern irgendwie schön“.

Die Inspiration für ihre eigene Musik holt sie sich deswegen auch nicht im Deutschrap, sondern im Französischen Rap: „Ich hör wenig Deutschrap. Mein Bruder ist ja bei BHZ, die hör ich, Majan find ich cool und so Underground-Newcomer die catchy Sachen herausbringen, wie der Track Switch Heel (Anm.: von Makko), aber sonst hör ich kaum Deutschrap. Vielleicht liegts ein bisschen an der Sprache oder es ist so ein Vibe-Ding, es gibt vielleicht nicht so viele Rapper die dem Vibe nachgehen den ich mir anhören würde. Die Franzosen machen sehr viel melodische Sachen, die Texte sind meistens auch ein bisschen tiefgreifender. Es gibt natürlich auch diesen typischen Aggro-Französisch-Rap, der sehr asozial sein kann, aber es gibt auch richtig poetischen Rap, wo man gern zuhört und sich mitreißen lässt. Das hat man im Deutschen weniger, vielleicht auch wegen der deutschen Sprache. Aber irgendwie sind die Franzosen poetischer, was das Schreiben angeht.“

Gesellschaftskritik vom Feinsten

Dann wäre da auch noch der Inhalt ihrer Tracks: Das Verloren-Sein in einer Welt, die zu schnell voranschreitet, das Suchen nach etwas, das man aber noch gar nicht so genau definieren kann, das Vergessen-Wollen und das Fallenlassen von denen, die nicht so stark sind. Vor allen in ihren ersten Singles kommen diese Inhalte häufig vor, die man der Einfachheit halber als Conscious-Rap beschreiben könnte, während sich die neueren Tracks stark um Beziehungsschwierigkeiten, das Fehlen einer Vertrauensbasis oder auch zerplatze Vorstellungen drehen, wie auf Ensemble. Aber auch auf ‚Troubadours‘ gibt es Gesellschaftskritik vom Feinsten, etwa auf Viele Leute Gucken, wo sie über einen typisch Hi-Hat-lastigem Trap-Beat rappt:

Viele Leute gucken wegen meiner Schwarzen Haut / Lass ihn klauen, lass ihn fallen, heute geht’s uns besser als / Gestern und sie lieben die Substanzen hohe Toleranzen / Mir wird ganz schön kalt, wenn ich denk an die Gewalt.

Joy dazu: „Ich saß im Studio, Kaz hat den Beat abgespielt und dann fing ich einfach an zu schreiben und das ist dabei rausgekommen. Das war ganz spontan, das war das, was in dem Moment in mir drinnen war, also halt dieses Fallengelassen werden von der Gesellschaft, aber sich bloß nicht beschweren, weil‘s ja besser ist als es mal war und dadurch soll man einfach keine Ansprüche haben. Aber man hat die Ansprüche ja trotzdem und strebt ja schon danach, dass es einem gut geht und es besser wird und es anderen Menschen gut geht. Das war einfach so eine Mischung von Emotionen, die ich in dem Song verarbeitet habe“.

Ihre Position als Schwarze Frau in der deutschen Rapszene, die ja im Gegensatz zu anderen Ländern überwiegend weiß ist, sieht sie, und spricht sie deswegen auch an – aber mit einem für sie gesunden Abstand: „Man muss sich immer ein bisschen schützen. Ich weiß nicht inwiefern ich das immer zum Thema machen will, aber ich bin ja eine Schwarze Frau. Das heißt, es wird zwangsläufig zum Thema, weil das zu ignorieren geht ja auch nicht. Ich finde es einfach wichtig, dass man sich den Nachteilen, den Minderheiten ausgesetzt sind, also diesem strukturellen Rassismus, bewusst wird. Und dass man sich als weißer Mensch dafür einsetzt bzw. ein Bewusstsein dafür entwickelt, dass es anderen Menschen schlechter geht - dass man vielleicht gar nicht direkt was dafür kann, aber indirekt eben Teil dieses rassistischen Systems ist. Und dem muss man sich dann stellen, ich glaub das ist auch eine ganz große Ego-Sache. Es ist einfach wichtig, dass es ein Verständnis dafür gibt und auch weiße Menschen, die sich im Hip-Hop bewegen, sollten ein Verständnis dafür haben, und nicht irgendwelche dummen Sachen sagen oder machen.“

Was das angeht, sieht Joy die Entwicklung in Frankreich auf jeden Fall einen Schritt voraus: „Ich hab das Gefühl in den Pariser Außenbezirken und bei der Musik, die die Schwarzen Rapper dort machen, da ist der Zusammenhalt untereinander ein bisschen stärker, die Connection, auch das Musikmachen zusammen, das ist nochmal ein bisschen präsenter.“

Babyjoy

Eric Terrey

Schauspiel und Musik

Mit der Frage, ob die Musik, die sie macht, auch gut bei den Zuhörer*innen ankommt, beschäftigt sie sich hingegen weniger. „Ich freu mich einfach, Musik zu machen und perspektivisch was rauszubringen was ganz anders ist. Ich glaub das sollte auch im Vordergrund stehen, dass man was macht, was einem Spaß macht, und das Feedback zu bekommen, das ist cool. Aber es gibt ja auch immer eine Steigerung, das Projekt war so, das nächste Projekt wird vielleicht ganz anders – es gibt ja so viele Möglichkeiten, so viel Spielraum, was Musik angeht. Das ist ein Experiment und ich bin gespannt zu sehen wo meine Reise hingeht.“

Für 2021 sind jedenfalls noch mehrere Dinge geplant: Einerseits ist da das Schauspielen, das sie gerne vorantreiben würde. Joy war unter anderem schon in mehreren Filmen (YUNG, I.am Anissa, Zerbrochen) und zuletzt auch bei der Amazon-Produktion Bibi und Tina zu sehen, ab Mai beginnt sie nun eine Schauspielausbildung: „Ich würde gerne beides machen, Schauspielen und Musik. Mein Bruder macht das ja auch und ich finde den Ausgleich einfach schön: Musik gibt mir was, was mir Schauspielen nicht gibt, und Schauspielen gibt mir was, was mir Musik nicht gibt. Dieses Co-Existieren finde ich ganz schön, das erfüllt mich“.

Aber auch musikalisch darf man noch mit Outputs rechnen - ob Einzelprojekte mit Features, EP oder Album steht aber noch nicht fest. „Es kommt auf jeden Fall noch was, ich warte jetzt so ein bisschen das richtige Gefühl ab, aber ich freu mich schon auf meinen nächsten Release, ich hab‘ richtig Bock drauf.“

mehr Musik:

Aktuell: