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Die Notschlafstelle Gudrunstraße

Todor Ovtcharov über eine Notschlafstelle für Obdachlose in Wien, die geschlossen werden soll, obwohl sie dringend benötigt wird.

Eine Kolumne von Todor Ovtcharov

Jedes Jahr werden im Mai die Winterquartiere für obdachlose Menschen zugesperrt und Herr Frantisek muss unter der Brücke schlafen. Er schafft es irgendwie, den Sommer über zu überleben und steht im November wieder an der Tür der Massenunterkunft für Obdachlose Gudrunstraße im 10. Wiener Bezirk.

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Die Pandemie hat alles verändert. Vor genau einem Jahr wurden wir aufgefordert, zu Hause zu bleiben, um unser eigenes Leben und das Leben der anderen zu beschützen. Doch was passiert mit denjenigen, die kein Zuhause haben?

Die Stadt Wien reagierte darauf und die Notschlafstellen, die den Menschen das letzte Stück menschlicher Würde, saubere Bettwäsche, eine warme Dusche und etwas zum Essen geben können, fingen an, ganztägig statt nur nachts zu arbeiten. So erschien am Horizont vieler Menschen eine Fata Morgana von einer Wohnung.

Das hat aber auch Nachteile. In diesen Notschlafstellen übernachten oft mehr als 10 Personen ohne Privatsphäre und Distanz. Ihr versteht selber, dass es unter solchen Umständen schwierig bis unmöglich ist, den Abstand und alle weiteren Maßnahmen einzuhalten. Wir müssen alle an öffentlichen Plätzen Masken tragen, können sie aber in unsere Wohnungen absetzen und uns entspannen. Stellt euch vor, ihr müsstet sogar in euren Betten Masken tragen.

Stellt euch jetzt bitte auch vor, wie es wohl für die Menschen ist, die in diesen Notschlafstellen arbeiten. Deren Lage ist nicht leicht. Sie müssen einerseits versuchen, die Corona-Maßnahmen durchzusetzen und andererseits dennoch die Menschen respekt- und würdevoll behandeln.

Es war nur eine Frage der Zeit, bis es in einem Notquartier zu einem großen Coronacluster kommen würde. Im Notquartier Gudrunstraße wurden mehr als die Hälfte der Obdachlosen krank, sowie viele der Mitarbeiter*innen. Diejenigen, die verschont blieben, arbeiteten weiter unter großen Risiko für sich selbst und ihre Familien.

Sie forderten vom Arbeitgeber bessere Arbeitsbedingungen und weitere Mitarbeiter, damit sie die Arbeit meistern können. Aufgrund dieser Forderungen wird das Notquartier Gudrunstraße Ende April geschlossen. Obwohl es den ganzen Winter über voll war. Alle anderen Notschlafstellen der Stadt wurden bis August verlängert.

Das ist eine der letzten Notschlafstellen, die relativ zentral liegt und gut öffentlich erreichbar ist. Man verdrängt sie immer weiter an den Stadtrand. Heute um 15 Uhr am Wiener Keplerplatz findet ein Protest der Mitarbeiter*innen und der Obdachlosen statt. Sie verdienen unsere Unterstützung. Herr Frantisek wird auch da sein.

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