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Hearts Hearts

Tim Cavadini

Hearts Hearts und ihr drittes Album „Love Club Members“

Die große Popgeste mögen sie mittlerweile, sie muss aber auch nicht immer sein. Hearts Hearts haben mit „Love Club Members“ ihr drittes Album veröffentlicht.

Von Lisa Schneider

„Was hast du so im Lockdown gehört?“ „Vorwiegend The Beatles, gleich alles, von A-Z“. Ambitionierte Flunkereien, verstreut über die letzten Monate. Vielleicht hatten manche Menschen aber doch endlich Zeit und Muße, Dingen nachzugehen, bzw. Dinge nachzuhören, die sie schon länger aufschieben. Vor allem von Musiker*innen hört man das immer öfter, sie dürfen es natürlich nicht laut sagen, aber hinter vorgehaltener Hand flüstern: So schlecht war das viele Zeithaben dann oft doch nicht. Lieder, Alben, neue Weltbilder sind entstanden.

Hearts Hearts

Tim Cavadini

Hearts Hearts: Hinten links Daniel Hämmerle, rechts David Österle. Vorne links Peter Paul Aufreiter, rechts Johannes Mandorfer.

Wer die Beatles-Anthologie sicherlich gut, wenn nicht sogar auswendig kennt, ist Daniel Hämmerle von Hearts Hearts.

Überhaupt treffen in diesem Vierergespann interessante Typen aufeinander: besagter Daniel, schwedischer Österreicher, schreibt sonst auch funklastige Lieder mit seinem Bruder für das gemeinsame Schillerpop-Projekt Safari. Johannes Mandorfer, Drummer von Hearts Hearts, arbeitet gerne an der Schnittstelle von Musik und darstellender Kunst, wenn er etwa nach Island reist und dort ein Klavier baut, das auf allen Tasten mit demselben Ton belegt ist. Peter Paul Aufreiter, bei Hearts Hearts für alles mögliche, vor allem aber auch für die Produktion zuständig, ist uns zuerst im Bandformat der liebenswürdig-schrulligen Elektropopband KidsNCats begegnet. Und schließlich David Österle, der für Hearts Hearts textet und singt, ist, wenn nicht gerade heimischer Popsänger, Post-Doc am Germanistik-Institut an der Universität Wien und überdies Sachbuchautor.

Zwischen Indie, Art und Pop

Mit „Love Club Members“ veröffentlichen Hearts Hearts ihr drittes Album, sie haben drei Jahre daran gearbeitet. Viel, wenn nicht sogar alles, was man über diese elf Lieder wissen muss, steckt schon im Titel: Empathie statt Ironie, Band- (oder Club-) Charakter, die erwartbare Öffnung zum großen Popgedanken, nachdem man sich die Jahre zuvor doch eher als Indie-Artrock-Formation hervorgetan hat.

Mit „Young“ ist 2016 das erste Album von Hearts Hearts erschienen. Es hat ihnen Radiohead-Vergleiche eingebracht, und das stimmt schon so. Diese Lieder waren zwar nicht schwer zugänglich, aber charts-tauglich eben auch nicht. Schon beim zweiten Album „Goods/Gods“ war die Rede von „einer Öffnung hin zur schönen Melodie“, aber immer noch mit dem Zusatz „es ist halt eine Hearts Hearts-Art der Zugänglichkeit“.

Singles querbeet

Übers letzte Jahr verteilt hat die Band eine handvoll Singles veröffentlicht, die jetzt fast zur Gänze auf diesem neuen Album „Love Club Members“ zu finden sind. „Rub My Eyes“ war eine davon, sie ist die schönste. So dumpf singmurmelt sonst nur Matt Berninger, und genau da hat David Österle die richtige Nische für sich gefunden. Die Stimme, die sich manchmal fast genervt wegduckt, macht den ganzen Charme dieses Outsider-Lovesongs aus. David Österle klingt, als wäre ihm einmal etwas Wichtiges misslungen und als hätte er das nie ganz überwunden; viel näher kann man einer musikalischen Definition von gescheiterter Liebe nicht kommen.

Höher in der Tonlage, und schlichter im Soundkleid ist das feingliedrige Folkstück „Some Oceans Away“. Lagerfeuer-Schmuseromantik und die gut verklärte Atmosphäre von vorgestern, als man noch gemeinsam im Proberaum auf richtigen Instrumenten gespielt hat. Spätestens seit dem Release der Single „Wild At Heart“ ist klar, Hearts Hearts borgen sich munter durch den Dschungel vorangegangener Musikjahrzehnte. Das ist okay, machen alle. Die 80er-Jahre haben angerufen, sie fordern nichts zurück.

Pop-Karriereoptionen

Auf die Frage hin, ob Hearts Hearts mit „Wild At Heart“ den vielleicht direktesten und auch größten, weil eben mit allen Hit-Erfolgszutaten gezuckerten Popsong ihrer Karriere geschrieben haben, antwortet die Band: „Direkt ist vielleicht das falsche Wort. Wir wollten nicht direkter sein mit unserer Musik, vielmehr weniger abstrakt.“

Es ist das Coldplay-Phänomen: Pop ist entweder groß oder belanglos. Im Fall Chris Martin heißt die Endstation inhaltsleerer Supermarktkassenpop. Hearts Hearts sind da natürlich noch nicht angelangt, auch wenn sie mit manchen der neuen Musikgedanken („Easy“, „Halo“) oft gefährlich nah vorbeischrammen. Und dabei gibt es natürlich Produktionsmerkmale, die, mag man Andocken am Zeitgeschehen, in die Musik hineinverwurstet werden wollen. Autotune ist eine Sache, mit der wir seit über 20 Jahren leben müssen (danke, Cher!). Die Überwindung steht eventuell bevor. Aber in einer Welt, in der alles online passiert, mit Filtern kaschiert und nur verschönt hochgeladen wird, muss man der menschlichen Stimme gerade in diesen letzten Monaten wohl noch ein letztes Mal dasselbe zugestehen.

Vorbeigeschrammt, eben. Lediglich eine kleine Zeile auf diesem neuen Album, bzw. ein Songtitel, erinnert kurz an die goldene Coldplay-Ära vor dem Absturz: „Look At The Stars“ heißt da ein Lied, es gehört, und das ist eine wiederum schöne Ironie, in seiner verhuscht-nebeligen Atmosphäre zu den besten des Albums.

Hearts Hearts Albumcover "Love Club Members"

Parramata

„Love Club Members“ von Hearts Hearts erscheint via Parramata.

Liebe im Dialog

Auch inhaltlich wird größer, bzw. allgemeingültiger gedacht als bei den vorigen Releases. „Love Club Members“ mag ein nettes Wortspiel sein, wo die Liebe ja leider kein Club ist, bei dem man Mitgliedsbeiträge zum Glück zahlen darf. Die message ist aber eine einfache und ehrbare: Alle sind eingeladen, beizutreten. Zynismus ist nichts, womit man in der aktuellen Popmusik große (oder erfolgreiche) Schlagzeilen macht.

Auf „Love Club Members“ versammeln sich elf mal kleine, mal groß gedachte Lieder über die Liebe, die, so Daniel Hämmerle „nicht mit Romantik verwechselt werden sollte“. Das wussten schon vor ihnen viele, am besten wohl The Beach Boys, auch so eine gemeinsame Lieblingsband von Hearts Hearts. Sehr gut gelingen die Erzählszenarien auf „Love Club Members“, wenn ein Lied im Zwiegespräch abläuft, wie etwa bei „Stop Eating Me“. Es ist nicht nur ein Mensch, der sich hier sehnsüchtig quält. Gelitten wird in Wien genauso wie in New Orleans. Ob man je noch ein originelles Lied über die Liebe zustande bringt, hängt davon ab, wie man mit ihrer Komplexität umgeht. Auch auf „The Fan“, den stimmlich Label-Kollegin OSKA unterstützt, gibt’s ein erfrischendes Hick-Hack zu hören, bei dem einer will, der andere nicht. Es ist eine oft wiederholte Geschichte. Die Mehrstimmigkeit im Lied aber, die die liebevoll gemeinten Grausamkeiten aus allen möglichen Perspektiven betrachtet, ist eine der großen Stärken des Albums.

„Welche Alben also hörst du so, im Lockdown?“ „Beatles, eh immer noch, eventuell Hearts Hearts 1-3“. Es wäre empfehlenswert. Nicht nur, weil diese Band zwei sehr gute erste Alben veröffentlicht hat. Hearts Hearts verstecken die Perlen nicht selten zwischen den Singles und sind gerade hier, am dritten Album, dann am besten, wenn sie nach B-Seite klingen. Gewollt oder nicht, das Gute ist: Wir haben Zeit für den ganzen Bandkatalog.

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