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Lana Del Rey "Chemtrails over the Country Club"

Universal Music

Ein lauer Abend im Country Club mit Lana Del Reys „Chemtrails Over the Country Club“

Zum siebten Mal entführt uns Lana Del Rey an einen düsteren Ort voll Wehmut und Sehnsucht nach vergangenen Zeiten. Hat das verschwommene „Chemtrails Over the Country Club“ Potential, die Herzen zu erwärmen, oder fühlt es sich doch eher lauwarm an?

Von Alica Ouschan

Lana Del Rey "Chemtrails over the Country Club"

Universal Music

Chemtrails Over the Country Club ist am 19.3. 2021 bei Universal Music erschienen.

Vor zehn Jahren ist die Popsängerin Lana Del Rey mit einem Musikstil bekannt geworden, der unter anderem als „Hollywood Sadcore“ beschrieben wurde und sich aus Indie-, Pop- und Folk-Elementen speist. Letztes Jahr hat sie ihr erstes Spoken-Word-Album veröffentlicht. Ihr letzter Longplayer „Norman Fucking Rockwell!“ ist 2019 erschienen und wurde vielfach als ihr bisher bestes Album bezeichnet. Jetzt hat Lana Del Rey nach zweimaliger Verschiebung endlich ihr siebtes Studioalbum „Chemtrails Over the Country Club“ veröffentlicht. Das Ergebnis ist beim ersten Hören möglicherweise nur für waschechte Lana-Stans keine komplette Enttäuschung.

Verklärte Nostalgie

Wie die Filmmusik zu einem schwarz-weißen Hollywoodstreifen aus einem vergangenen Jahrzehnt, so lässt sich Lana Del Reys Musik wahrscheinlich am besten beschreiben. Auf „Chemtrails Over the Country Club“ wird sie zu einem mystischen, verschwommenen Tanz zwischen Himmel und Hölle, der sich aber eher träge, als wild anfühlt. Denn die Platte ist minimalistisch und lässt weder Platz für ausladende Balladen noch für poppige Radionummern. Die Aneinanderreihung von ruhigen, unaufgeregten Songs läuft schnell Gefahr, eintönig zu werden, und macht es einem nicht gerade leicht, in diese neue Lana-Ära einzutauchen.

Gleich der Opener „White Dress“ ist ein, sich endlos anfühlendes, fünfminütiges Storytelling über ihr Leben als 19-jährige Kellnerin in weißem Kleid vor dem Fame. Die Besinnung auf gute alte Zeiten und die damit verbundene schwermütige Melancholie ist ein typisches Thema, das von Lana Del Rey mittlerweile auf alle erdenklichen Arten erzählt, wieder durchgekaut und ausgespuckt wurde. Erst auf ihrem letzten Album hat Lana erneut bewiesen, dass sie eine großartige Songwriterin ist, bei der ein und dieselbe Geschichte niemals langweilig wird. Jetzt kommen daran erstmals Zweifel auf. Immerhin wird ihre Sehnsucht nach Unerreichbarem durch das verzweifelte Hauchen und den vor stimmlicher Anstrengung verzerrten Zeilen deutlicher als je zuvor.

Minimalismus als Achillesferse?

Beim weiteren Reinhören wird sehr schnell klar: Die Platte kann mit der Schlagkraft seines Vorgängers „Norman Fucking Rockwell!“ schlichtweg nicht mithalten. Vielleicht war das aber auch gar nicht das Ziel von Lana Del Rey und ihrem Produzenten Jack Antonoff, der bereits ihren letzten Longplayer und ihr Spoken-World-Album vertont hat. Denn durch den „stripped-down“-Charakter von „Chemtrails Over the Country Club” wirkt Lana Del Rey, der in den letzten Jahren oftmals vorgeworfen wurde, fake und pathetisch zu sein, ganz im Gegenteil unheimlich verletzlich, ehrlich und emotional.

Auf der anderen Seite bietet diese Ästhetik, die das Album zweifelsohne perfekt einfängt, wenig Raum für Abwechslung. Der Minimalismus lässt das Album - vor allem textlich - an manchen Stellen leider auch schmucklos klingen. So reimt Lana, die ansonsten für ihr poetisches Feingefühl und schlagkräftige Einzeiler bekannt ist hier schon mal „crazy“ auf „lazy“, „change“ auf „strange“ und „not all those who wander are lost“ auf „it’s just wanderlust“. Meh.

Verstörend düster und faszinierend makellos

Obwohl mit der gleichnamigen Albumsingle der wahrscheinlich beste Song schon vor Wochen releast wurde, finden sich auf „Chemtrails Over the Country Club“ einige weitere Highlights. So knüpft die Ballade „Wild at Heart“ perfekt an die Songs aus der Norman-Rockwell-Ära an und erinnert stellenweise sogar stark an „How to Disappear“ vom letzten Album. In „Dark But Just a Game” geht es um die Schattenseiten des Ruhms. Der Song zeichnet sich als absolute Ausnahme durch seine abwechslungsreichen, musikalischen Einzelteile aus. In „Dance Till We Die“ singt Lana „I’m covering Joni” – und kündigt damit den letzten Song des Albums, ein Cover des Joni Mitchell Songs „For Free“ an.

Lana Del Rey "Chemtrails over the Country Club"

Universal Music

Lassen muss man Lana Del Rey und ihrem Produzenten Jack Antonoff, dass sie sich, was die Melodien und den Klang des Albums angeht, durchaus auf ein neues Level begeben haben. So traut sich Lana auf „Chemtrails Over the Country Club“ stellenweise erstmals jazzige Gefilde zu erkunden, die ihr ausgezeichnet stehen und „Breaking Up Slowly“, ein Duett mit der Country-Sängerin Nikki Lane, unterstreicht Lanas zunehmende Hinwendung zum Folk-Pop auf schmeichelhafte Art und Weise.

Minus mal Minus ergibt Plus?

Lana Del Rey arbeitet auf „Chemtrails over the Country Club“ mit Gegensätzen: schwarz und weiß, strahlend und düster, makellos und unperfekt. Die Künstlerin hat zweifelsohne seit Beginn ihrer Karriere eine ganz eigene Welt für ihre Musik geschaffen, die ihresgleichen sucht. Dass Lana Del Rey uns in ihrer Musik an düstere Orte voller Wehmut und Sehnsucht entführt ist also nichts Neues. Und dass diese Reise beim siebten Album vielleicht einfach nicht mehr ganz so aufregend klingt, ist vielleicht auch nicht überraschend.

Trotzdem schafft Lana Del Rey es auch diesmal irgendwie, ein faszinierend makelloses und tiefgründiges Hörerlebnis abzuliefern - und das trotz der streckenweise einschläfernden Eintönigkeit von „Chemtrails Over the Country Club“. Was bleibt also über, wenn die beeindruckend gehaltvollen Textpassagen und die, von einem ganzen Orchester getragenen, gewaltigen Soundbilder wegfallen? Ein Album voller lauer Abende im Country Club, gefolgt von kalten, einsamen Nächten. Aber sie werden immerhin mit jedem Mal hören besser.

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