Zwei unübliche Kartenspiele über Psychologie und Kommunikation
Vor kurzem ist ein Computerspiel erschienen, in dem wir mit Karten gegen Angstzustände kämpfen. Bei einem anderen Sammelkarten-Game wird zwischenmenschliche Kommunikation durch Karten repräsentiert. Diese Zugänge klingen erst mal etwas seltsam, machen aber auch neugierig. Handelt es sich dabei einfach nur um ungewöhnliche Verpackungen, die bekannte Spielideen in neuen Kleidern verkaufen möchten, oder ist hier wirklich Innovation im Spiel? Sowohl bei „Neurodeck“ als auch bei „Signs of the Sojourner“ lässt sich schon vorab sagen: Die verantwortlichen Spieleentwickler*innen haben sich viel Gedanken zu ihrem jeweiligen Themenbereich gemacht.
Tavrox Games / Goblinz Publishing
Kartenkampf gegen Ängste
In vielen Computerkartenspielen sind die Heldinnen und Helden, die man spielen kann, klassische Fantasy-Figuren: Magier, Orks, Jägerinnen, und so weiter. Ganz anders verhält es sich in „Neurodeck“, wo wir eine junge Frau namens Lei spielen. Lei muss sich ihren Ängsten stellen, etwa Angst vor Spinnen, vor Krankheiten oder vor weiten Plätzen. Die jeweilige Angst ist unser Spielgegner, der uns von Ausdauer und geistiger Gesundheit berauben will. Wir wiederum wehren uns mit Dingen, die uns gut tun: Karten wie „Stressball“, „Comfort Food“ oder einem guten, alten Film. Zwischendurch schalten wir neue Karten frei, indem wir diverse - recht simpel gehaltene - Fragebögen und Persönlichkeitstests ausfüllen.
„Neurodeck“, entwickelt von Tavrox Games, ist im Vertrieb von Goblinz Publishing für Windows, MacOS und Linux erschienen und wird demnächst auch für Switch verfügbar sein.
„Neurodeck“ ist ein solides Sammelkartenspiel, das psychische Gesundheit als Thema hat. Weil es aber in erster Linie um die Spielmechanik geht und weniger um Wissensvermittlung oder die nähere Beschäftigung mit Psychologie, wirkt das Setting des Spiels leider etwas oberflächlich. Die Kausalität einiger Karten in Bezug auf den Umgang mit Angststörungen ist oft nicht vorhanden, und von einer facettenreichen Beschäftigung mit der Materie kann keine Rede sein. Es ist trotzdem erfreulich, dass sich ein Game mit dem Thema psychische Gesundheit beschäftigt und dies ernstnimmt: Die französischen Entwickler*innen versuchen, die Verbesserungsvorschläge der Community nicht nur zu hören, sondern auch so gut wie möglich in die Tat umzusetzen.
Echodog Games
Ein Kartenleben im Foodtruck
Ein ähnlich ungewöhnliches Setting hat das Roadmovie-Game „Signs of the Sojourner“ – sojourner bedeutet auf Englisch Gast, also jemand, der eigentlich nur auf der Durchreise ist. Das sind wir in diesem Game tatsächlich ständig, denn wir sind Teil einer Handelskarawane, die Waren aus unterschiedlichen Dörfern besorgt und damit Gemischtwarenläden beliefert. Unser Charakter kommuniziert ausschließlich mit Karten, wobei jede Karte links und rechts eines oder mehrere Symbole hat. Die Karten werden horizontal gereiht, und müssen nebeneinander immer mit denselben Symbolen gelegt werden. Klappt das nicht, redet man mehr oder weniger aneinander vorbei - vorerst jedenfalls.
„Signs of the Sojourner“, entwickelt und vertrieben von Echodog Games, ist für Windows und Mac und seit dieser Woche auch für Playstation, Switch und Xbox erhältlich.
Wie im echten Leben verläuft ein Gespräch mit manchen Figuren schwieriger als mit anderen. Doch das macht nichts, und später läuft es – natürlich auch dank neuer Karten – dann vielleicht besser. „Signs of the Sojourner“ hat eine sehr nette Spielmechanik, blüht aber vor allem wegen der liebevollen Comicgrafik und dem großartigen Storytelling auf. Es macht viel Spaß, die unterschiedlichen Figuren kennenzulernen und wiederzutreffen. Darüber hinaus steckt erstaunlich viel Spannung in den Entscheidungen dieses Spiels: Fahren wir brav mit der Karawane (und ihrer strengen Anführerin Nadine) mit oder seilen wir uns ab und folgen unserer eigenen Nase?
Publiziert am 20.03.2021