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Autorin Melodie Michelberger

Julia Marie Werner

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Body Politics: „Früher wollte ich weniger sein“

Frauen sollen einem schlanken Schönheitsideal entsprechen. Wie es sich anfühlt, wenn man das (vermeintlich) nicht tut, damit hatte Melodie Michelberger seit ihrer Jugend zu kämpfen. Ihre Geschichte hat sie jetzt in das Buch „Body Politics“ gepackt.

Von Sophie Liebhart

In „Happy Fat“ erzählt Sofie Hagen, wie sie dickenfeindlichen Einflüssen den Kampf angesagt und Selbstakzeptanz gefunden hat.

Bücher übers Dick-Sein gibt es viele. Sie fokussieren sich allerdings meistens darauf, wie man etwas daran ändern kann: Diät-Ratgeber, Sport-Guides usw. In den letzten Jahren sind aber auch einige Bücher von und über Fat Activists erschienen. Und die haben einen ganz anderen Zweck: Sie wollen mit den Vorurteilen gegenüber dicken Menschen aufräumen und bestehende gesellschaftliche Normen in Bezug auf Körperbilder hinterfragen. Das möchte auch Melodie Michelberger mit ihrem Buch „Body Politics“. Darin schildert sie, wie sie jahrzehntelang dachte, dick zu sein, obwohl das gar nicht gestimmt hat und warum Körperbilder politisch sind.

Kindheitserinnerungen

„Mama, den will ich haben. Das ist der schönste Rock auf der ganzen Welt.“ Diese Erinnerung aus ihrer Kindheit schildert Melodie Michelberger am Anfang ihres Buches „Body Politics“. Der Rock ist ihr bis ins kleinste Detail in Erinnerung geblieben - die Farbe, die Form, die Volants. Mindestens genauso exakt erinnert sie sich aber auch an die Reaktion ihrer Mutter: „Melanie, der trägt doch total auf. Volants kannst du nicht tragen. Dein Hintern ist dafür zu dick.“

Buchcover "Body Politics" mit Foto der Autorin Melodie Michelberger in einem bunten Kleid

rowohlt Verlag

„Body Politics“ von Melodie Michelberger ist im rowohlt Verlag erschienen.

Es sind Erlebnisse wie dieses, die dazu geführt haben, dass Melodie Michelberger ihr Leben lang davon überzeugt war, zu dick zu sein. Als Teenagerin probiert sie ihre erste Diät aus, später bekommt sie eine Essstörung. Aber das Gefühl bleibt: Sie ist zu dick. Diese Idee, zu viel zu sein, bestimmte jahrelang ihr Denken und Handeln, schreibt die Autorin.

Erst Jahre später, als Melodie Michelberger alte Fotos durchschaut, realisiert sie, dass die Annahme, sie sei immer zu dick gewesen, einfach nicht wahr ist: „Ich war mein ganzes Leben mehr oder weniger schlank. Ich war kein pummeliges Kind, keine rundliche Jugendliche und auch nicht dick in meinen Zwanzigern.“

Körperbilder sind ein gesellschaftliches Problem

Dass das Ganze ein gesellschaftliches Problem ist und nicht sie selbst „falsch“ ist, stellt Melodie Michelberger erst 35 Jahre nach dem Rock-Erlebnis mit ihrer Mutter im Kaufhaus fest. Den Prozess bis hin zu dieser Erkenntnis hat sie jetzt in „Body Politics“ aufgeschrieben.

„In unserer Kultur werden Körper, die nicht dem Mainstreamideal entsprechen, einfach anders bewertet.“

Es ist ihr ein Anliegen, ihre persönliche Geschichte zu erzählen. Aber der Zweck des Buches geht darüber hinaus, wie sie bei ihrer Buchpräsentation sagt: „Ich hab in den letzten Jahren durch den Austausch mit meinen Follower*innen bemerkt, meine Geschichte ist gar nicht so individuell. Viele kennen solche Geschichten und das ist jetzt auch schon das Feedback auf das Buch. Viele haben ähnliche Geschichten über einen Badeanzug oder ein Kleid oder was auch immer. Ich wollte mit dem Titel einfach klar machen, dass meine Geschichte etwas Stellvertretendes ist für unser aller Dasein in dieser Kultur, in der Körper, die nicht dem Mainstreamideal entsprechen, einfach anders bewertet werden. Mit denen wird anders umgegangen.“

Vorurteile abbauen

An manchen Stellen unterhält Melodie Michelberger ihre Leser*innen mit ihren Erzählungen gut, an anderen schweift sie vielleicht etwas zu sehr aus. Aber sie regt zum Nachdenken an: über Vorurteile gegenüber dicken Menschen, die sie selbst bis vor kurzem hatte und die wohl auch die meisten Leser*innen erst hinterfragen und dann nach und nach ablegen müssen.

Für die Autorin selbst hat es einen großen Zusammenbruch und ein Burnout gebraucht, um sich von ihrem alten Denken im Hinblick auf Körperideale zu lösen: „Und in diesen letzten fünf Jahren veränderte sich mein Körper dann zu dem, was er heute ist. Ich wurde größer, weicher und runder als je zuvor. Mit dem wachsenden Körper kam ein neues Gefühl der Sicherheit. Früher wollte ich weniger sein, zarter, leichter. Aber jetzt genieße ich meine Größe und Stärke.“

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