Übers Schummeln, Falschspielen und das Wesen des Spielverderbers
Cheating ist verpönt – egal, ob in einer Beziehung oder in einem Computerspiel. Durchs Schummeln und Betrügen sorgt man früher oder später nicht nur für Ärger und Kränkung bei anderen, sondern man sollte sich auch die Frage stellen, ob man es gegenüber sich selbst verantworten kann.
Manchmal ist Cheaten aber auch erlaubt, zum Beispiel in Games, die man nur mit sich selbst bzw. gegen den Computer spielt. Eine neue Cheatsoftware namens Plitch macht das seit kurzem für viele Spiele möglich. Ich habe das zum Anlass genommen, über das Prinzip des Schummelns nachzudenken. Dies geht besonders gut gemeinsam mit dem österreichischen Kulturwissenschafter und Spielephilosophen Ernst Strouhal, der besonders die ambivalenten Aspekte von Spielkultur erforscht und darüber publiziert.
Falschspielen und Schummeln
Gemeinhin macht es Sinn, dort zu schummeln, wo es um Geld geht: Je mehr buchstäblich auf dem Spiel steht, desto nachvollziehbarer wird der Drang, dem eigenen Glück ein bisschen nachzuhelfen. Den Typus des Falschspielers oder der Schummlerin gibt es aber nicht nur im Glücksspiel, sondern auch bei Brett-, Gesellschafts- und Computerspielen sowie im Sport.
Ernst Strouhal: „Der Falschspieler unterwandert die Regeln ja nur für sich selbst. Wenn man sich eine Pokerrunde vorstellt, wo einer falsch spielt, und er kommt drauf, dass es einen zweiten auch noch gibt, der die Regeln am Tisch unterwandert, dann ist er auf keinen Fall mit dem zweiten solidarisch. Im Gegenteil: Er würde sofort die Polizei holen und ihn anzeigen, damit er vom Tisch verschwindet und man selber weiter betrügen kann.“
flickr.com, User skipgoshannon (CC BY 2.0)
Die Motivationen sind dabei unterschiedlich. Die einen möchten nicht verlieren, die anderen haben Spaß am Regelbruch und wollen schauen, ob sie damit durchkommen. Wieder andere ermöglichen sich durchs Schummeln eine Scheinwelt, in der sie besser sein können, als sie es eigentlich wären – eine Machtfantasie also. Schummeln ist ambivalent, aber damit eben nicht nur negativ besetzt. Denn wer dabei Geschick und Originalität zeigt, übt auch Faszination aus.
Ernst Strouhal: „Der Falschspieler, der Karten palmiert oder eskamotiert [wegmanipuliert, Anmerkung] und dann andere Karten wieder hervorbringt, ist ja gewissermaßen auch ein Künstler - oder zumindest kunstfertig. Und solange ein Falschspieler wie ein Trickbetrüger Leistung erbringt, durchaus im kapitalistischen Sinn, so lange gibt es eine seltsame Sympathie mit dem Regelbruch.“
Schummeln abseits des Regelbruchs
Es geht aber nicht immer nur um den Bruch der jeweiligen Spielregeln. Schummeln kann auch mit psychologischen und sozialen Tricksereien einhergehen, etwa, indem man die Kontrahentin oder den Kontrahenten gezielt ablenkt oder sich unerlaubt Hilfe von außen holt. Ernst Strouhal ist unter anderem ein großer Kenner der Kulturgeschichte von Schach, wo es historisch und zeitgenössisch einige Beispiele gibt:
„In einem sehr frühen Schachbuch, im Buch des Lucena, 1492 in Spanien publiziert, wird dem Spieler angeraten, dass er den Gegner immer gegen die Sonne setzt, sodass der andere nicht unbedingt alles so richtig sieht. Aktuell wiederum gibt es etwa die Möglichkeit des Techno-Doping, was streng verboten ist: die Mitnahme von Schachcomputern.“
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Der Spielverderber als Narziss
Neben dem Schummeln gibt es auch das Spielverderben. Diese Begriffe sind aber nicht synonym, weil der Spielverderber – im kompletten Gegensatz zum Falschspieler – seine Aktionen immer für alle gut sichtbar zur Schau stellt. Wer ein Spiel verdirbt, nimmt zwar zunächst daran teil, allerdings nur, um kurze Zeit später den Regelraum des Spiels nicht anzuerkennen und es den anderen zu vermiesen.
Meist ist ein „wildgewordener Narzissmus oder Egoismus“, so Ernst Strouhal, daran schuld, wenn sich jemand wähnt, über alle Regeln erhaben zu sein. „Der Spielverderber sagt dann etwa: ‚Können wir nicht andere Regeln einführen?‘, oder ‚Jetzt setze ich mal aus‘, und beginnt damit die anderen zu ärgern. Diese Möglichkeit besteht immer, es hat nur einen kleinen Nachteil: Man wird nicht zu oft eingeladen werden. Aber immerhin eine Chance hat man dafür immer.“
Das gesamte Interview
Publiziert am 03.04.2021