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Szene aus "Der Exorzist": Mädchen fliegt über seinem Bett

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FILM PODCAST

Teenage Angst: Schöne Schocks in der Kindheit

Im neuen FM4 Filmpodcast: Zwei Redakteure unterschiedlicher Generationen blicken auf frühe filmische Schreckenserlebnisse zurück - und schwelgen in gruseligen Erinnerungen.

Von Christian Fuchs

Man hört sie immer wieder, die schaurigen Stories über viel zu frühe Begegnungen mit filmischen Horrorgestalten. „Ich ertrage Clowns nicht, weil mich der TV-Pennywise noch immer verfolgt“, heißt es da oft beim virtuellen Lagerfeuer-Talk. Der Traumdämon Freddy Krueger, das langhaarige Mädchen aus „The Ring“ oder gar der liebe Außerirdische E.T. haben anscheinend Generationen traumatisiert, wenn man Postings oder Erzählungen glaubt.

Jan Hestmann und ich müssen über solche Schreckensberichte schmunzeln. Nicht, weil wir total abgebrühte und unerschütterliche Kerle sind, ganz im Gegenteil. Aber mein Kollege aus der FM4 Filmredaktion und ich haben ein entspanntes Verhältnis zum Leinwand- und Bildschirm-Horror. Dank Eltern, die uns schon in jüngsten Jahren den Unterschied zwischen Fiktion und Realität erläuterten, war uns bereits als Volksschüler klar: Hinter dem Make-up von Pennywise und Freddy stecken Schauspieler, der herzige E.T. ist eine animierte Puppe.

Gegruselt haben wir uns natürlich trotzdem bei manchen Filmen. Jan erinnert sich an spätnächtliche Fernseherlebnisse und die verlockenden Jugendschutzwarnungen davor. Als Teil einer älteren Generation spielten bei mir noch dunkle Kinobesuche im Vorschulalter und später dann bedrohliche VHS-Kassetten eine prägende Rolle.

Aber auch wenn wir in der neuen Ausgabe des FM4 Filmpodcast das Wort „Trauma“ schamlos oft verwenden, es sind keine quälenden Nachwirkungen von diesen kindlichen Seherfahrungen zurückgeblieben. Die schönen Schocks in der Kindheit haben sich als Auslöser für späteres Horror-Fantum herauskristallisiert. Genrekino mit hochgradigem Gänsehautfaktor wurde bei uns zu einer eskapistischen Zone. Wenn der Alltag schwierig wird, besonders im Hier und Jetzt, braucht es schon mal Zombies, Monster und Psychokiller zur Ablenkung.

Jan Hestmann über „The Exorcist“

Die Geschichte der 12-jährigen Regan, die vom Teufel besessen ist, erzählt einer der erfolgreichsten Horrorfilme der Filmgeschichte. Einen bis heute seinesgleichen suchenden Impact hat er auch auf mich gehabt, als ich ihn damals, etwa in Regans Alter, auf einer Geburtstagsparty gesehen habe. Dabei ist die eine Szene, die mich bis heute (!) besonders erschaudern lässt, ursprünglich nicht einmal im Film gewesen.

Der sogenannte Spider Walk – die Szene, in der Regan rücklings auf allen Vieren die Treppe runter rast und dabei Blut speit – ist von Regisseur William Friedkin für die Kinofassung entfernt worden und erst im Jahr 2000 für den Extended Director’s Cut wieder ergänzt worden. „Der Exorzist“ war für mich DER Jugendschreck schlechthin, der aber gleichzeitig auch meine Lust am Horrorgenre anstachelte. Er hat jedenfalls meinen Blick auf Treppen nachhaltig verändert.

Christian Fuchs über „Chitty Chitty Bang Bang“

Filme waren für mich nie echt. Die Wirklichkeit, das waren der verhasste Kindergarten, später die prügelnde Volksschullehrerin, die unlösbaren Rechenaufhaben, die mobbenden Mitschüler. Im ländlichen Kinosaal, wo es damals, wir sprechen übrigens von den 70er Jahren, immer leicht muffig gerochen hat, konnte mir nichts und niemand etwas anhaben.

Außer vielleicht der Kinderfänger in „Chitty Chitty Bang Bang“, dem ich an einem Filmnachmittag mit den Eltern begegnete. Über neunzig Minuten lang lullt dieses aufwändige Musical das kleine (und große) Publikum mit Singen, Tanzen und knallbuntem Spaß ein. Dann führt die Story die Protagonisten, eine britische Patchwork-Family, in ein Fantasiereich, das wie ein deutsch-österreichisches Disneyland wirkt. Als dort, in den verwinkelten Gassen eines malerischen Städtchens mit Fachwerkbauten, plötzlich der Kinderfänger auftaucht, verdunkelt sich die Stimmung in dem Film abrupt.

Die Furcht, von der dürren Gestalt im schwarzen Kostüm ebenfalls in den klapprigen Pferdewagen gepackt zu werden, verfolgte mehrere Kindergenerationen. Mir bescherte der Auftritt des Kinderfängers aber zugleich eine ewige Lust an Horrorfilmen. Denn letztlich siegte das Sicherheitsgefühl.

Jan Hestmann über „Misery“

Es war der folgenschwere Schwung mit dem Hammer, der den Fuß zum Knacken bringt und sich in mein Gedächtnis rammt. Rob Reiner verfilmt 1990 Stephen Kings Roman „Misery“ und bereitet damit einem unvorbereiteten jungen Ich schlaflose Nächte. Kathy Bates spielt darin die Ex-Krankenpflegerin Annie, die den verunglückten Star-Schriftsteller Paul Sheldon (James Caan) aus seinem Auto birgt und fortan bei sich zuhause pflegt.

Doch Annie entpuppt sich als manischer Fan mit dunkler Vergangenheit. Damit Paul sie nicht mehr wieder verlassen wird können, greift Annie zu drastischen Maßnahmen (Stichwort Hammer). Kathy Bates bekommt für ihre Performance später den Oscar als beste Hauptdarstellerin. Höchstverdient – noch heute bereitet mir jeder ihrer Auftritte in „Misery“ massiv Gänsehaut.

Christian Fuchs über „Squirm“

Der Übergang zu einer expliziten Art des filmischen Terrors erfolgte bei mir mit knapp zwölf. Dank familiärer Beziehungen und großem Vertrauen meiner Eltern in meine filmanalytische Persönlichkeit durfte ich mich öfter in Vorstellungen mit dem Stigma „Jugendverbot“ schmuggeln.

Neben all den Italowestern, Kung-Fu-Spektakeln und Action-Thrillern lockten auch diverse Horrorschocker – und schreckten gleichzeitig ab. Ein obskurer Tierschocker namens „Squirm - Invasion der Bestien“ wurde zur Mutprobe, nachdem der weiße Hai schon diverse Adriaurlaube in der Fantasie bedroht hatte.

Der billige Exploitationfilm, der in einer Gewitternacht spielt, in der Stromstöße die hungrigen Würmer aus der Erde in einer Kleinstadt locken, toppte alles bisher Gesehene. Ich rutschte aus der ersten Stammreihe weit nach hinten im Kinosaal, vergaß auf die Sportgummi-Diät, war paralysiert. Ganz offensichtlich, das wurde mir auch beim Wiedersehen eine Dekade danach klar, hatte man „Squirm“ aus Kostengründen mit echten Viechern gedreht. Sehr vielen davon.

Unvergessen der Heimweg, bei dem ich mich nach glitschigen, fleischfressenden Würmern umsah, auch die folgende Nacht, als ich in die Decke eingewickelt wachgelegen bin. Eine seelische Tortur, und ich wollte unbedingt mit anderen Filmen diese Erfahrung wiederholen. Das blutige Splatterkino mit seinen expliziten Schocks war nicht mehr so fern. Aber das ist eine andere Geschichte.

Jan Hestmann über „Scream“

Ghostface ist für meine Generation das, was Freddy Krueger, Michael Myers oder Jason Voorhees für frühere waren. Die dem Edvard-Munch Gemälde „Der Schrei“ nachempfundene Maske war damals omnipräsent. Mehrere „Scream“-Filme folgten wie auch die Parodie-Reihe „Scary Movie“ (obwohl ja bereits die Vorlage eine Parodie auf das Slasher-Genre ist). Seinen Anfang findet der Ghostface-Kult im Jahr 1996 mit dem Erstlings-Drehbuch von Kevin Williamson (später schreibt er u.a. auch noch „Dawson’s Creek).

Die Einstiegsszene in „Scream“ ist ikonisch und überschattet in ihrer Qualität und auch Brutalität den Rest des Films. Ganze zwölf Minuten dauert diese Szene, in der Wes Craven den Mord an der Schülerin Casey, gespielt von Drew Barrymore, inszeniert. Die ist gerade dabei, sich auf einen gemütlichen Filmabend zuhause mit Popcorn vorzubereiten, als das Telefon läutet. Der Rest ist blutige Popkulturgeschichte, die mir den Weg in die lange Geschichte des Slasher-Genres geebnet hat.

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