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Gletschermesser bei der Arbeit mit Messinstrumenten auf einem Fels vor dem Gletscher

M. Stocker-Waldhuber

Gletscherbericht: Das ewige Eis wird nicht mehr lange halten

Dass die Gletscher in Österreich kein „Ewiges Eis“ sind, kann man jedes Jahr am Gletscherbericht nachvollziehen. Die Klimakrise zeigt sich hier am deutlichsten.

Von Simon Welebil

„Die Gletscher sind im Vormarsch. Die Eismasse hat gewaltig zugelegt.“ Mit diesem ironischen, fast sarkastischen Sätzen, eröffnet Ingrid Hayek, die Vizepräsidentin des Österreichischen Alpenvereins, die Präsentation des aktuellen Gletscherberichts. Sie vergleicht die Meldung, dass die Gletscher weiter zurückgehen mit den Meldungen der Inzidenzzahlen aus der Corona-Pandemie, die seit Wochen extrem hoch sind, aber niemanden mehr aus dem Sessel reißen.

Den Gletscherbericht 2019/20 im Mitgliedermagazin des Alpenvereins gibt’s hier.

Und noch einmal zieht sie die Corona-Pandemie für einen Vergleich her, wie die Klimakrise könne man ihre Verursacher, hier die Viren, dort die CO²-Konzentration in der Luft nicht sehen. Die Klimakrise wird uns zumindest anhand der Gletscher für jeden wahrnehmbar vor Augen geführt, der Gletscherschwund kann nämlich im wahrsten Sinne des Wortes beobachtet werden.

Dafür verantwortlich ist vor allem der Temperaturanstieg. Allein im letzten „Haushaltsjahr“ der Gletscher, das immer bei ihrem Einschneien im Oktober beginnt, ist es - gemessen an drei Wetterstationen in den Ostalpen - im Durchschnitt 1,6° zu warm gewesen im Vergleich zum Mittel der letzten 30 Jahre. Da nützt den Gletschern auch ein schneereicher Winter wie 2019/20 nicht viel, wie die Ergebnissse des Gletscherberichts belegen.

„Von 92 beobachteten Gletschern haben sich 85 Gletscher zurückgezogen“, die anderen sieben stationär geblieben, sagt Gerhard Karl Liebl, einer der beiden Leiter des Alpenvereins-Gletschermessdienstes. Durchschnittlich seien die vermessenen Gletscher dabei um 15 Meter in ihrer Länge geschrumpft. 15 Meter im Durchschnitt heißt aber, dass es einzelne Gletscher etwa viel stärker erwischt hat. Das Hornkees in den Zillertaler Alpen ist etwa um 104 Meter zurückgegangen, Österreichs längster Gletscher, die Pasterze am Großglockner, hat 52 Meter verloren, vom Massenverlust noch gar nicht zu reden.

Pasterze Gletscher am Großglockner 2020

ÖAV Gletschermessdienst / Archiv G.K. Lieb

Die Pasterze am Großglockner im Juli 2020

Seit den 1990ern habe es praktisch keinen Vorstoß eines Gletschers in Österreich mehr gegeben und die Entwicklung gehe sogar in eine negativere Richtung. Auch weil sich das Gletscherhaushaltsjahr 2019/20 nahtlos in eine Reihe gletscherungünstiger Jahre einfügt, so der zweite Leiter des Gletschermessdienstes, Andreas Kellerer-Pirklbauer. Vor allem die letzten 10 Jahren seien dramatisch gewesen - und weil Gletscher nur sehr langsam auf Veränderungen reagieren, wird der Gletschwerschwund wohl weiter anhalten.

Wie werden unsere Gletscher aussehen, wenn wir optimistisch annehmen, dass wir das 1,5° Ziel aus dem Pariser-Klimaabkommen einhalten können?

„1,5° Plus würde bedeuten kleine Eisreste in geschützten Positionen in sehr hohen Lagen einerseits und andererseits vielleicht in etwas tieferen Lagen - aber nur dort, wo sie unter Schutt begraben sind, wo sich das Eis noch etwas länger halten kann.“ (Andreas Kellerer-Pirklbauer)

Der österreichische Alpenverein fordert einen totalen Schutz für Gletschergebiete, ohne Ausnahmen für Skigebiete - um Gletscher noch länger erhalten zu können - und, dass danach zumindest wieder Natur nachfolgen kann - und nicht Zufahrten und Skipisten, so Ingrid Hayek: „Wir regen uns auf, wenn der Permafrostboden in Sibirien auftaut und wenn im Amazonasgebiet Wälder niedergebrannt werden. Vielleicht sollten wir aber vor unserer eigenen Haustüre kehren und uns unserer eigenen Probleme massiver annehmen. Das können wir nämlich tun und dafür wird sich der Alpenverein einsetzen.“

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