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„Thief“ und „Heat“ - Die Männer bei Michael Mann

Tresorknackern, die vom Ausstieg aus der kriminellen Welt träumen, begegnet man in Michael Manns Filmen „Thief“ und „Heat“. Was die beiden Filme sonst noch gemeinsam haben und was so faszinierend ist am Kino des „action auteurs“ Michael Mann, darum geht es in der neuen Episode des FM4 Filmpodcast.

Von Pia Reiser

Ähnlich oft wie in den Werbeblöcken rund um Fußballspiel-Übertragungen sieht man Werkzeuge und Autos in den Filmen von Michael Mann in ihrer vollen Pracht und Kraft in Szene gesetzt. Das war schon immer so. Bereits in Manns Debütfilm „Thief“ aus dem Jahr 1981 frißt und kämpft sich in der ersten Sequenz ein Bohrer durch die dicke Metalltür eines Tresors. Funken fliegen, Schweiss tropft. Men at work eben. Bei Michael Mann ist ein Einbruch nicht bloß elegante Umsetzung eines genialen, kriminellen Masterplans. Einbruch - oder überhaupt: Verbrechen - ist anstrengend, kräftezehrend und man braucht dafür weitaus mehr als nur kriminelle Energie, die Männer bei Mann, sie sind Meister ihres Handwerks und sie sind tatsächliche Handwerker, sie wissen um Technik und Material Bescheid.

Wenn James Caan als Tresorknacker Frank in „Thief“ sich schließlich mit einem Flammstrahlbohrer Zutritt zu einem Safe verschafft, dann werden wir wieder Zeugen davon, dass Einbrüche Schwerarbeit sind. Und die Michael Mann’sche Ästhetik flackert über die Leinwand, stehts kühl und cool auch wenns brennt und wortwärtlich und metaphorisch die Funken fliegen.

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Lichtfunken im Dunklen haben es Michael Mann angetan, ob es nun die Spiegelung von Autoscheinwerfern auf regennassen nächtlichen Straßen ist, eine Glühbirnenlichterkette, die zum Verkauf stehende Autos beleuchtet oder die zahllosen Neonschilder einer Stadt. Mit ähnlichen Bildern fährt (haha) auch Nicolas Winding Refn in „Drive“ auf, doch Refn fährt nochmal mit der Extrapolitur drüber, bei Mann sind die Bilder der Großstadt oft melancholisch. In Grün und Blau taucht Mann seine Bilder, die charakteristische Farbpalette lässt sich auch schon im Debütfilm finden.

Frank in „Thief“ ist ein Großstadt-Einzelgänger, der mit kleiner Verspätung im Jahr 1981 auf der Leinwand eintrifft, die Filme des New Hollywood (und natürlich auch der Film Noir), die waren voll mit diesen rastlosen Männern, doch im Jahr 1981 wirkt „Thief“ fast wie aus der Zeit gefallen. Der erfolgreichste Film des Jahres wird „Raiders of the Lost Ark“ und die folgenden Jahre werden mit „Top Gun“, „Terminator“ oder „Die Hard“ eine ganz andere Art von Filmhelden beschwören. In den rar gesetzten Actionmomenten in sem Film allerdings ist Mann seiner Zeit voraus, lässt Männer in Zeitlupe von der Kugel getroffen umfallen und Blut auf einen weißen Laster spritzen.

Es ist unter anderem der so spärlich und so umso eindrucksvolleren eingesetzten Action und Gewalt in seinen Filmen zu verdanken, dass Michael Mann wohl einer der wenigen Regisseure ist, die man action auteur nennt. Schon bei seinem ersten Drehbuchjob für die Serie „Starsky and Hutch“ ist ein Thema zu finden, das sich fast durch seine ganze Filmografie zieht: Räuber und Gendarm. Verbrechen und Verbrechensbekämpfung und wie die Grenzen zwischen den beiden oft verwischen. Akribische Recherche geht jedem Mann-Film voraus, das verlangt der Regisseur und Drehbuchautor auch von seinen Schauspielern. Für „Thief“ heuert Mann auch tatsächliche Diebe und Einbrecher an und lässt sich von ihnen beraten. Als Vorbereitung für seinen TV-Film „The Jericho Mile“ spricht er mit Insassen des Folsom Prisons. In der ersten Safeknacker-Szene von „Thief“ bohrt James Caan wirklich ein Loch in den Tresor, Mann wollte, dass es echt aussieht.

szenenbild aus "Thief"

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Es ist auch dieses Bestreben nach Realismus eingebettet in ein Genrekino-Setting, das Manns Filme vom 0815-Action/Crime/Gangster-Film meilenweit wegrückt. Nur seine Frauenfiguren haben meistens ähnlich wenig zu sagen und zu tun wie in der Meterware dieses Genres. Doch selbst das könnnte man Mann großzügig als feature und nicht als bug auslegen, drehen sich doch all seine Filme nicht bloß um Männer, sondern um Maskulinität.

All die einsamen, obsessiven Männer im Mann-Universum leben nach einem eigenen Code. „You gotta get to where nothing means nothing“, erklärt James Caan als Tresorknacker Frank in „Thief“ Tuesday Weld. Und Robert de Niro hat Ähnliches als Profidieb in „Heat“ parat: „Don’t let yourself get attached to anything you are not willing to walk out on in thirty seconds flat if you feel the heat around the corner.“ Doch nicht nur die Profession und den Code haben die beiden gemeinsam, sie teilen auch den Traum vom Ausstiegsszenario. Es ist bei beiden ein verdammter, letzter Job, der noch zu erledigen ist, dann aber will de Niros McKauley endlich die leuchtenden Quallen in der Südsee sehen und Caans Frank will eine Familie gründen. Eine Collage mit aus Magazinen ausgeschnittenen Bildern, quasi sein Vision Board eines perfekten Lebens, abseits von Safeaufbohrungen und kriminellen Deals.

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Es ist ein erstaunlich sentimentaler und auch fast naiver Akt eines ganz und gar nicht sentimentalen Mannes. Franks Offenbarung passiert in einem Diner - ebenso wie ziemlich genau in der Mitte des 172-Minuten-Epos „Heat“ sich eine Diner-Szene befindet, die wahrscheinlich zu einer der bekanntesten Szenen des 1990er Jahre Hollywoodkinos gehört. Al Pacino und Robert de Niro sitzen sich als Cop und Verbrecher gegenüber, trinken einen Kaffee und reden über ihr Leben. Und ihre Träume - nicht wie Caan über seine Wünsche, sondern ihre tatsächlichen Träume, die sie des Nachts heimsuchen. Nicht nur innerhalb des „Heat“-Universums sticht die Szene heraus, weil sich die beiden sehr offen unterhalten, sondern auch die Tatsache, dass hier die method acting Zampanos zum ersten Mal eine gemeinsame Szene in einem Film haben, war 1995 Gesprächsthema. Nicht allerdings für die Oscars. Dass „Heat“ mit keiner einzigen Nominierung bedacht worden ist, zählt zu den berühmtesten Versäumnissen der Oscars, da hat man wohl vor lauter Waffen und Raubüberfällen das Drama nicht gesehen. Für Drehbuchautor und Michael Mann war „Heat“ nie ein Genrefilm, sondern „a highly structured, realistic, symphonic drama“. Oder wie es Filmkritiker Matt Zoller-Seitz ausdrückt - und ich wünschte, das wär mir eingefallen: Zen Pulp. Gleiches Label gilt auch für den FM4 Filmpodcast, in der neuen Episode feiern Christian Fuchs und ich die beiden Filme von Michael Mann, deren Titel so workarg wie ihre Protagonisten sind: „Thief“ und „Heat“.

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