FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Screenshot aus dem Computerspiel "Narita Boy"

Studio Koba / Team17

„Narita Boy“ ist ein weirdes Game über Technikspiritualität

Fast 40 Jahre ist es her, als uns der märchenhafte, aber auch coole Science-Fiction-Film „TRON“ ins Innere eines Computers geführt hat, wo sich gute und böse Programme wechselseitig bekämpfen. Diese Idee greift jetzt ein aktuelles Computerspiel neu auf, das uns noch dazu mitten in die 80er zurückversetzt.

Von Robert Glashüttner

„Narita Boy“ erzählt von einem Burschen, der sich als digitale Heldenfigur plötzlich mitten im Computercode wiederfindet und dort gegen korrupte Software kämpfen muss. Ersonnen hat diese Welt allerdings eine andere Figur: ein Mann um die Vierzig mit Fu-Manchu-Bart und Fliegerbrille, der im Intro des Spiels spätabends in die Tasten seines Homecomputers haut. Er dürfte gerade Code schreiben oder ihn verändern, als plötzlich eine rote Hand aus dem Bildschirm herausragt und nach ihm greift.

Szenenwechsel ins Kinderzimmer eines Teenagers, der am Computer sitzt und spielt. Die Mutter kommt herein und sagt, er soll doch endlich damit aufhören und schlafen gehen. Widerwillig legt er sich hin, doch als er beinahe schon einschläft, passiert es: Der Teenager wird in den Rechner reingezogen und findet sich im selben Augenblick als Narita Boy im Digital Kingdom wieder. Dort muss er nun die programmierte Welt des Creators – das ist der Mann mit dem Fu-Manchu-Bart – vor dem bösen Stallion-Code befreien.

Spirituelle Computerwelt

Alles hier im Digital Kingdom sieht mysteriös und antik aus. Technologische Versatzstücke wie Bildschirme und Kabel paaren sich mit alter Architektur und religiösen Gegenständen: Statuen, Tempel, Altare und Monolithen mit seltsamen Schriftzeichen gibt es hier fast an jeder Ecke.

„Narita Boy“, entwickelt vom spanischen Entwicklerteam Studio Koba, ist im Vertrieb von Team 17 für Windows, MacOS, Playstation, Xbox und Switch erschienen.

Es ist eine spirituelle Computerwelt des Bildhaften, denn wir selbst und auch die Umgebung bestehen nicht aus Codezeilen, sondern sind als humanoide Figuren dargestellt. Nur statt den Köpfen stecken auf unseren Hälsen gläserne Visiere oder schwere Röhrenmonitore. A propos: „Narita Boy“ spart nicht mit Referenzen an alte Technologien: Neben den Retrobildschirmen von damals sehen wir in diesem Spiel immer wieder auch alte Computerdisketten oder Videokassetten.

Screenshot aus dem Computerspiel "Narita Boy"

Studio Koba / Team17

Unsere erste Aufgabe ist es, das sogenannte Techno-Schwert zu finden, mit dem wir dann fortan gegen die rot glühenden Fieslinge vom ultimativ Bösen (im Spiel „HIM“ genannt) antreten. In „Narita Boy“ wird also viel gekämpft: Wir schwingen unser Schwert behände wie ein Ninja und sausen, springen und rutschen zwischen, über und unter unseren Gegnern hindurch. Diese Kampfsequenzen gibt es immer wieder, aber nicht ständig: Die meiste Zeit über erkunden wir nämlich diese merkwürdige virtuelle Welt, sprechen mit schrulligen Gestalten und suchen Eingänge, Ausgänge, Schlüssel (die sogenannten Techno-Keys, als 3,5-Zoll-Disketten dargestellt) und vor allem verschüttete Erinnerungen des Programmierers. Werden diese wiederhergestellt, kann das Böse zurückgedrängt werden.

Software-Priester und VHS-Henker

„Narita Boy“ ist ein äußerst seltsames und gleichzeitig faszinierendes und wirklich hübsches 2D-Indiegame: Die Figuren und Schauplätze sind herrlich sonderbar und die verschwurbelte Scifi-Geschichte ist ebenso abgedreht wie spannend: Wir treffen auf Software-Priester und Synthesizer-Barden, den VHS-Henker und schwangere Computer-Golems – um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Screenshot aus dem Computerspiel "Narita Boy"

Studio Koba / Team17

Das Spiel selbst kann mit der exzentrischen Geschichte und der tollen Präsentation mithalten: Unser Held steuert sich geschmeidig, und die Abwechslung zwischen Kampf und Abenteuer ist gut ausbalanciert. „Narita Boy“ ist ein wirklich weirdes Game über Retrotechnologiemystizismus, das ihr spielen solltet.

Aktuell: