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CC0/Pixabay

Erich Moechel

Covid und Klimakrise hinter globalem Chipmangel

Zu den Turbulenzen in den globalen Lieferketten durch die Covid-Pandemie kommt eine verheerende Dürre in Taiwan. Chip-Branchenführer TSMC allein verbraucht 156 Millionen Liter pro Tag.

Von Erich Moechel

Der Lieferschwierigkeiten bei Mikrochips sind längst nicht mehr auf leistungsfähige Grafikkarten für PCs beschränkt. Die Engpässe zwangen General Motors, Subaru und andere Autohersteller einzelne Werke vorerst bis Mai komplett stillzulegen. Whirlpool muss nun sogar die Produktion von vergleichsweise wenig „intelligenten“ Kühlschränken und Waschmaschinen in China drosseln.

Unter den maßgeblichen Faktoren ist wenig überraschend die Covid-Pandemie, die sich gleich mehrfach auf die Lieferkette auswirkt. Und nun wird ausgerechnet Taiwan - neben Südkorea der weltgrößte Chip-Produzent - von der schlimmsten Dürre seit 50 Jahren heimgesucht. Die Produktion von Halbleitern - die „durstіgste“ aller Industrien - musste an einigen Standorten bereits zurückgefahren werden.

niedriger Wasserstand am Zengwen Damm/Taiwan

APA/AFP/Sam Yeh

Dieses Foto vom 17. März zeigt den Wasserstand am Zengwen Damm, im Landkreis Chiayi. Das größte Wasserreservoir Taiwans versorgt sowohl ein großes Agrargebiet wie auch die Industrieregion um die gleichnamige Stadt. Dort befinden sich mehrere Werke des weltgrößten Auftragsfertigers TSMC. Seit Dienstag ist dort die Wasserversorgung für eine Million Haushalte und Geschäfte rationiert.Das ganze Jahr 2020 über hatte es viel zuwenig Niederschlag gegeben, die herbst- und winterliche Taifunsaison, die üblicherweise große Regenmengen mit sich bringt, fiel 2020/21 völlig aus.

156 Millionen Liter Tagesverbrauch

Die USA haben in einer ersten Tranche 37 Milliarden Dollar für Subventionen an internationale Unternehmen bereitgesetellt, die in den USA Fabriken für Hochleistungsprozessoren errichten. Chinesische Firmen sind davon ausgenommen

Laut einem Bericht der „Taiwan News“ wird die Wasserversorgung in ersten Städten des stark betroffenen Südteils der Insel rationiert, an zwei Tagen der Woche wird es für die Einwohner dort überhaupt kein Wasser geben. Ebenso musste die Bewässerung von Reisfeldern in weiten Teilen gedrosselt oder sogar eingestellt werden. Der Auftragsfertiger TSMC, neben Samsung der fortschrittlichste Halbleiterproduzent der Welt, lässt seit Februar die Wasserreservoirs seiner Fertigungsstätten von Tanklastern auffüllen, die aus dem wasserreicheren Norden der Insel kommen.

Wie Nikkei Asia berichtet, wurde den TSMC-Fabriken seitdem mehrmals die Wasserzufuhr gedrosselt, betroffen seien vor allem die Werke in Chiayi and Tainan, wo TSMC schnelle Prozessoren für iPhones fertigt. In Hsinchu, dem Zentrum der taiwanesischen Chipfertigung wurde in nur 70 Tagen Bauzeit eine Meerwasserentsalzungsanlage errichtet, um Fertigungsstätten von TSMC und anderen Chip-Herstellern zu versorgen. Die Anlage ist seit Anfang März in Betrieb, insgesamt verbraucht der Konzern nach eigenen Angaben 156 Millionen Liter Wasser und zwar pro Tag.

Wafer

TSMC

Ein sogenannter Acht-Zoll Wafer, der Grundstoff aus Silizium in einer Fertigungsstätte der Taiwan Semiconductor Manufacturing Coporation in Hsinchu..

Nächster Preissprung bei DRAMs

Den Auftakt für die Chipmisere lieferte eine „Lex Huawei“ die im Sommer 2019 die darauf abzielt, dass Huawei nicht mit den neuesten Chipgenerationen beliefert werden kann..

Ebenfalls in Hsіnchu angesiedelt ist Unimicron, der weltgrößte Hersteller eines Schlüsselsubstrats für Chips, die in Autos und in 5G-Basisstationen verbaut werden. AU Optronics, Hauptlieferant von Displays für Apple und Tesla produziert ebenfalls vor Ort. Die südkoreanische Hynix, nach Samsung zweitgrößter Hersteller von DRAM- und NAND-Zwischenspeicherchips, unterhält ebenfalls in Taiwan Werke, die zuletzt die Produktion drosseln mussten. Die Wasserstände in den Reservoirs der Gegend standen Ende März bei weniger als 20 Prozent.

Auch der Chiphersteller Micron warnt vor schweren Engpässen DRAM-Speicherchips, denn die Situation hat sich seit Jahresbeginn laufend verschärft. Eine von vier Fertigungsstätten Microns in Taiwan muste die Produktion bereits im März erheblich drosseln, das Ergebnis sind weniger DRAMs und andere Chips für Autoelektroniken oder für Grafikkarten von Nvidia, die auf Halbleiter aus Taiwan etwa zur Grafikbeschleunigung angewiesen sind. Laut den Analysten von TrendForce werden diese überall dort verbauten Chips, wo Displays anzusteuern sind, im zweiten Quartal 2021 im Großhandel um 13 bis 18 Prozent teurer werden, was sich in den Preisen für das Endprodukt natürlich niederschlagen wird.

zwei nvidia grafikkarten

nvidia.de

So sieht es im Bereich High-End-Grafikkarten des Herstellers Nvidia aus. Sobald ein neues Kontingent dieser Karten verfügbar wird, ist dieses binnen Sekunden ausverkauft. Viele Weiterverkäufer betreiben Bots, automatisierte Kaufprogramme, die sofort zuschlagen, sobald es wieder Karten gibt. Die tauchen dann etwa bei Ebay-Händlern auf, allerdings mit Preisaufschlägen von mindestens 50 bis 100 Prozent und mehr.

Globale Lieferkette, globale Pandemie

Angesichts der Komplexität der Lieferkette bei Halbleitern samt den wechselweisen globalen Abhängigkeiten der Zuliefer untereinander ist ziemlich klar, dass schon kleinere Veränderungen im Status Quo eines der großen Player eine Kettenreaktion auslösen. Wenn in Taiwan bestimmte Grundstoffe nicht mehr in ausreichenden Menge produziert werden können, dann geht die Produktion von Chips zurück, die etwa Anzeigepanels, Kommunikation oder Infotainment-Module ansteuern. In Folge steht die Produktion gewisser Autotypen, etwa von Chevrolet Camaros und Cadillacs wie in den USA gerade jetzt.

Ein globales Ereignis wie die Covid-Pandemie wirkt sich auf eine hochglobalisierte Lieferkette wie jener der Halbleiterbranche entsprechend disruptiv aus. Im Frühjahr 2020 setzte mit dem Trend zum Home Office und den damit einhergehenden Boom von Videokonferenzen ein scharfer Anstieg der weltweiten Nachfrage nach sogenannten „Consumer Electronics“ ein. Monatelang waren Webcams & serverseitige Komponenten zur Verarbeitung von Videos Mangelware und eben auch Grafikkarten.

Schnelle GPU-Prozessoren und GPU-Zwischemnspeicher werden auch für die Basistatіonen der gerade im Aufbau befindlichen 5G-Netze benötigt, ebenso für neue KI-Anwendungen wie solche mit „Augmented Reality“, also mit Datenbrillen. Wenn in diese Gemengelage dann noch eine unerwartetetes Ereignis fällt, wie etwa die Dürrekatastrophe in Taiwan oder die wochenlange Sperre des Suez-Kanals - einer der wichtigsten Distributionsrouten für Chips und elektronisches Gerät aus Fernost - dann ist auf gut Wienerisch gesagt, der Pallawatsch komplett.

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