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Was ist Korruption?

Casinos, Chataffären, Ibiza, „Made in Austria“ Masken: Seit fast zwei Jahren bestimmen mögliche Korruptionsfälle die politische Debatte in Österreich. Leben wir in einer Kultur der Korruption? Und was ist Korruption überhaupt? 6 Fragen an den Anti-Korruptions-Aktivisten Mathias Huter.

Von Gersin Livia Paya

Österreich hat sich im weltweiten Korruptions-Ranking verschlechtert. 2020 ist das Land im internationalen Korruptionswahrnehmungsindex im Vergleich zum Vorjahr um drei Plätze gefallen. Denn es geht längst nicht mehr nur um die Videofalle in einer Finca auf Ibiza, die zur Staatsaffäre wurde, mittlerweile häufen sich die Korruptionsvorwürfe. Aber ist die Staatsanwaltschaft übereifrig oder ist eine neue Stufe politischer Korruption erreicht?

Klar ist: Korruption auf Staatsebene ist schädlich, sowohl für reiche als auch für arme Länder. Der Unterschied ist, dass demokratische Länder kritische Medien haben und eine vermutlich unabhängige Justiz, die Fälle aufdeckt und aufklärt. Dabei unverzichtbar sind Anti-Korruptions-Aktivist:innen; sie gehen den Weg der Rechtschaffenheit und engagieren sich im Kampf gegen Korruption. In manchen Ländern sind solche Akivist:innen oft in Gefahr oder in Gewahrsam, ein Beispiel dafür ist etwa Alexei Navalny in Russland.

Anti-Korruptionsaktivismus in Österreich

Aber was macht ein österreichischer Anti-Korruptionsaktivist? Mathias Huter engagiert sich mit dem Forum Informationsfreiheit für mehr Transparenz und die Einführung eines Informationsfreiheitsgesetzes, dessen Entwurf gerade in Begutachtung ist. Denn „Echte Transparenz ist das effektivste Mittel gegen Korruption“, so Mathias Huter, der Vorstand des Forums und Transparenz- und Anti-Korruptionsaktivist.

Mathias Huter leitet auch die UNCAC Coalition, eine Dachorganisation von mehr als 300 Internationalen Antikorruptions-NGOs, die sich für die Umsetzung der UN Konvention gegen Korruption engagiert. „Wir sind eine Stimme der Zivilgesellschaft auf UNO-Ebene“ - so definieren sie sich selbst.

Sie betreiben etwa auch die Plattform FragDenStaat, über die Bürger*innen Anfragen an Behörden einfach und öffentlich stellen können, haben auf der Seite Parteispenden Informationen zu den Finanzen und Spendern der Parteien aufbereitet, und zeigen auf OffeneVergaben, welche Unternehmen welche staatlichen Aufträge erhalten. Dazu machen sie Öffentlichkeitsarbeit und Kampagnen, verleihen etwa jährlich den Amtsgeheimnis-Award „Die Mauer des Schweigens“.

Und sie ziehen gegen Behörden vor Gericht, wenn sie Auskünfte verweigern und Informationen von großem öffentlichem Interesse geheim halten. „So haben wir bereits mehrere höchstgerichtliche Entscheidungen erreicht, die geltende Gesetze bürgerfreundlicher auslegen“, sagt der Anti-Korruptions-Aktivist. Wir haben ihn zum Interview gebeten.

FM4: Warum braucht es Anti-Korruptionsaktivist*innen?

Mathias Huter: Um Korruption zu verhindern und echte Transparenz und demokratische Kontrolle zu stärken, braucht es eine starke Zivilgesellschaft, ebenso wie auch unabhängige Medien und Journalist*innen, die Korruptionsfälle recherchieren und aufdecken können.

Polizei, Bundesamt für Korruptionsbekämpfung und Prävention, Staatsanwaltschaften und die Justiz, Rechnungshof, Parlament – diese Institutionen haben alle ihre Rollen. Darüber hinaus braucht es auch Druck aus der Zivilgesellschaft, um Rechenschaftspflicht und echte Kontrolle von den politischen Entscheidungsträgern einzufordern. Es geht um die Frage: In was für einer Demokratie, in was für einer Gesellschaft wollen wir leben?

Ich möchte in einem Land leben, in dem Politik und Verwaltung verantwortungsvoll mit der ihnen anvertrauten Macht umgehen, und in dem wir Bürger*innen nachvollziehen können, wer welche Entscheidungen trifft und was mit öffentlichen Geldern und Ressourcen geschieht. Und in einem Land, in dem Fehlverhalten auch Konsequenzen hat.

Korruption wird in der Gesellschaft unterschiedlich wahrgenommen. Was ist Korruption?

Korruption ist der Missbrauch anvertrauter Macht zum persönlichen Nutzen oder Vorteil. So definiert die Antikorruptions-NGO Transparency International den Begriff. Ich finde, das ist eine hilfreiche Herangehensweise.

„Korruption beginnt nicht erst dort, wo jemand gegen das Strafrecht verstößt. Sie beginnt dort, wo jemand die eigene Stellung, Macht oder Insider-Wissen missbraucht.“

Mathias Huter beim Open Data Day im Parlament

Parlamentsdirektion / Thomas Topf

Der Übergang von einer Gefälligkeit bis hin zu Betrug scheint fließend zu sein. Worin unterscheiden sich Networking, Korruption und Nepotismus (sog. „Freunderlwirtschaft“) und wo fängt Amtsmissbrauch an?

Networking, also das Knüpfen von beruflichen Kontakten, halte ich nicht grundsätzlich für bedenklich. Problematisch ist es insbesondere im staatlichen oder staatsnahen Bereich, wenn etwa eine Stellenausschreibung nicht fair und transparent erfolgt, etwa wenn bereits von vorn herein geplant ist, die Stelle einer bestimmten Person zu geben, und die Ausschreibung nur zum Schein stattfindet. Und besonders problematisch wird es, wenn die Personen dann nicht einmal über die nötigen Qualifikationen verfügen und so noch einen Schaden verursachen.

Ein Bereich, in dem es beim Thema Networking viel mehr Transparenz in Österreich brauchen würde, ist das Lobbying: Also wenn bezahlte Interessensvertreter*innen sich mit Entscheidungsträger*innen treffen oder kommunizieren, um Gesetze oder politische Entscheidungen zu beeinflussen. Es gibt in Österreich zwar ein Lobbygesetz, das aber völlig zahnlos ist und keinen erkennbaren Mehrwert bringt.

Beim Amtsmissbrauch tut jemand in einer staatlichen Entscheidungsposition – ein Amtsträger – etwas, das anderen vorsätzlich einen Schaden zufügt.

Wie wertvoll dürfen Geschenke sein? Wie viel Korruption steckt denn in der Weinflasche unterm Weihnachtsbaum? Allgemein gefragt: Wie viel Spielräume lässt die Gesetzeslage offen?

Zu Geschenken gibt es im staatlichen oder staatsnahen Bereich zum Teil Regeln, was man annehmen darf, was erlaubt ist, und was nicht.

Wir sollten uns aber nicht nur an dem orientieren, was strafbar ist. Vielmehr sollte man sich fragen: Welchen Eindruck könnten bei anderen durch die Annahme eines Geschenks oder einer Einladung entstehen? Könnte der Eindruck entstehen, dadurch im beruflichen Handeln beeinflusst, käuflich oder parteiisch zu werden?

Auch durch viele kleine Geschenke und Zuwendungen könnte eine Person positiv gestimmt werden, um später einmal einen beruflichen Gefallen einzufordern – in Österreich nennt man das „anfüttern“. Das war bis vor wenigen Jahren erlaubt. Man durfte also staatlichen Entscheidungsträger*innen Geschenke machen, solange man einen Vorteil nicht mit dem Geschenk oder der Zuwendung zusammen eingefordert hat.

"Der frühere Rechnungshofpräsident Franz Fiedler hat die „K"s genannt, die er als Geschenke für unbedenklich hielt: Kalender, Kugelschreiber, und anderes Klumpert. Oder die Einladung auf einen Kaffee.“

In vielen Ländern gibt es für Entscheidungsträger auch klare Regeln, was die Offenlegung von Vorteilen und Interessen, etwa Einladungen zu Veranstaltungen, angeht. In Österreich haben wir bei dieser Kultur noch Aufholbedarf: Bei uns können etwa Abgeordnete Geschenke annehmen und müssen dies auch nie offenlegen, für sie gibt es nicht einmal einen Verhaltenskodex, der diesen Namen verdienen würde.

Wie wichtig ist das Informationsfreiheitsgesetz im Kampf gegen Korruption? Wie wichtig ist es für die Bürger*innen?

Ein solches Gesetz würde den Bürgerinnen und Bürgern das Recht geben, Dokumente und Informationen von staatlichen Stellen zu erhalten – Österreich ist die letzte Demokratie Europas ohne ein solches Bürgerrecht auf Dokumenteneinsicht. Echte Transparenz ist das effektivste Mittel gegen Korruption.

Ranking Korruption Österreich Platz 15

APA/ORF.at/Quelle: Transparency International

Wie groß ist der Schaden, der durch Korruption und Freunderlwirtschaft entsteht? Und wie viel kostet Steuerzahlende politische Korruption?

Korruption lässt sich nur sehr schwer messen. Auch den daraus entstehenden Schaden in Österreich kann man kaum beziffern. Klar ist, dass nur ein Bruchteil der Korruptionsfälle entdeckt wird und vor Gericht landet.

Im Ranking zur wahrgenommenen Korruption (CPI) von Transparency International liegt Österreich derzeit auf Rang 15 von 180 Ländern, es gibt also klar Luft nach oben.

In einer EU-Umfrage gaben 2019 58 Prozent der Befragten in Österreich an, Korruption sei ihrer Ansicht nach weit verbreitet (im EU-28 Schnitt: 71%). Bemerkenswert ist, dass in Österreich deutlich mehr Befragte als im EU-Schnitt sagten, es wäre akzeptabel, Geld (28%), Geschenke (44%) oder Vorteile (39%) zu geben, um etwas von der öffentlichen Verwaltung oder eine öffentliche Dienstleistung zu bekommen.

Danke für das Interview.

FM4 Auf Laut: Wie korrupt ist Österreich?

Casinos, ÖBAG, Ibiza: Seit fast zwei Jahren bestimmen mögliche Korruptionsfälle die politische Debatte. Ein suspendierter Sektionschef, Hausdurchsuchung beim Finanzminister, geleakte Chats zwischen dem Kanzler und seinen Freunden - ist die Staatsanwaltschaft übereifrig oder ist eine neue Stufe politischer Korruption erreicht? Oder kommt im Land der Freunderlwirtschaft jetzt einfach nur mehr ans Licht? Wie kann man in einem Land von Anti-Korruption sprechen, wenn die Folge einer Aufdeckung, ein neues Gesetz ist, dass die Aufdeckung verhindern soll? Was beobachtest du an alltäglicher Korruption im Kleinen? Wieviel Korruption ist normal? Wo ist für dich die Grenze?

Rainer Springenschmid diskutiert mit der Gründerin des „Institut für Angewandte Korruption“ und Autorin des Buches „Probier’s doch mal mit Korruption!“ Julia Draxler und dem Vorstand des Forum Informationsfreiheit und Anti-Korruptions-Aktivisten Mathias Huter und mit FM4-Hörer*innen. Am Dienstag, 13.4.2021, ab 21 Uhr on air und sieben Tage lang im FM4 Player. Rufe an und diskutiere mit unter 0800 226 996.

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