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Nicolai Užnik klettert beim European Cup Bouldering 2021 Klagenfurt

Heiko Wilhelm / Kletterverband Österreich

Zum Weltcup-Start: Die nächste Klettergeneration will aufzeigen

Nach fast 20 Monaten ohne Boulder-Weltcup beginnt dieses Wochenende in der Schweiz die neue Saison. Für Olympia-Starter*innen ist es ein erster Formtest, für die junge Klettergeneration die erste Chance auf den internationalen Durchbruch.

Von Simon Welebil

„Es ist kaum zu glauben, dass es schon so lange her ist“, sagt der Kärntner Nicolai Užnik über den letzten Boulder Weltcup, der im Juni 2019 in Vail in den USA stattgefunden hat. Dazwischen sind eine komplette Weltcup-Saison im Bouldern und die Premiere von Klettern bei den Olympischen Spielen der Corona-Pandemie zum Opfer gefallen.

Während dieser Zeit ist sogar das Trainieren für Spitzensportler*innen mit vielen Einschränkungen verbunden gewesen. Reisen zu internationalen Wettkämpfen waren nahezu unmöglich. Die nationalen Kletterverbände haben versucht, das mit eigenen Bewerben halbwegs aufzufangen, und ihren Athlet*innen zumindest ein wenig Wettkampfpraxis bieten zu können. So hat der österreichische Verband 2020 etwa die Austrian Climbing Summer Series unter Beteiligung einiger deutscher und Schweizer Kletter*innen ins Leben gerufen.

Die ist natürlich kein adäquater Ersatz für einen Weltcup, und so freuen sich alle Athlet*innen, dass sie sich beim Boulder-Weltcup im Schweizer Meiringen am 16./17.4. endlich wieder mit der internationalen Kletterelite messen können.

Zweitgeteiltes Feld

Für das Sportklettern ist 2021 ein ganz spezielles Jahr. Bei den Olympischen Spielen in Tokio wird diesen Sommer erstmals um Medaillen geklettert. Nicht nur für die Athlet*innen, sondern auch für die Medien sind die Olympischen Spielen das große Highlight in diesem Sportjahr.

Allerdings dürfen nur je 20 Kletterinnen und Kletterer bei den Olympischen Spielen an den Start gehen, maximal zwei pro Nation, aus Österreich sind das Jakob Schubert und Jessica Pilz. Für sie ist der Weltcup ein Formtest, eine Standortbestimmung, für alle anderen, vor allem für die jungen Kletter*innen, die Chance, sich zu etablieren - und für den internationalen Durchbruch.

Dabei hat die nächste Klettergeneration in diesem Jahr einen kleinen Vorteil. Bei den Olympischen Spielen wird im Olympischen Kombinationsformat um Medaillen geklettert, also in allen drei Kletterdisziplinen Bouldern, Lead und Speed, weshalb die Olympiastarter*innen auch alle drei Disziplinen trainieren müssen. Die Nicht-Qualifizierten können sich hingegen auf ihre Spezialdisziplinen konzentrieren.

Können die Jungen vom straffen Zeitplan profitieren?

„Ich glaube, dass heuer im Weltcup das Jahr sein könnte, in dem mehrere jüngere Kletterer den Sprung schaffen könnten. Einfach dadurch, dass sich die Olympioniken auf Tokio konzentrieren und vielleicht auch nicht bei allen Weltcups starten“, sagt Nicolai Užnik. Der 20-jährige ist einer jener, die heuer selbst vorne mitmischen wollen.

Nicolai Užnik ist letztes Jahr nach Innsbruck übersiedelt, in die österreichische Kletterhauptstadt, wie fast alle österreichischen Top-Kletter*innen, weil er hier mit dem Bundesleistungszentrum im Kletterzentrum Innsbruck nicht nur von der Infrastruktur her die besten Trainingsbedingungen vorfindet, sondern auch überaus starke Trainingspartner*innen.

Jakob Schubert, der dreifache Kletterweltmeister ist natürlich eine Art Leader-Figur für die junge Truppe, an dem sich auch Nicolai Užnik orientiert. Wie Schubert nimmt sich auch Užnik immer wieder Auszeiten, um schwere Projekte am Fels anzugehen. Diesen Winter hat er etwa mit „Bügeleisen sit“ und „Witchcraft“ zwei brutal schwere, jeweils mit 8c bewertete Boulderprobleme in Kärnten klettern können und bei einem gemeinsamen Klettertrip in die Schweiz haben sie eine ganze Ticklist an Bouldern abgearbeitet.

„Auch für den Kopf ist es wichtig, immer mal wieder nach draußen zu kommen und sich auf andere Sachen zu fokussieren, sich andere Ziele zu setzen, als nur auf die Wettkämpfe hin zu trainieren.“
(Nicolai Užnik)

Das macht sich anscheinend bezahlt, Letzte Woche hat Nicolai Užnik den ersten Testlauf für die Weltcupsaison, den Kletter-Europacup in Klagenfurt, gewinnen und dabei auch Jakob Schubert hinter sich lassen können.

Es geht nicht immer nur nach oben

Im Gegensatz zu Nicolai Užnik, dessen Karriere bisher fast ausschließlich steil bergauf gegangen ist, hat Franziska Sterrer schon einen großen Rückschlag hinter sich. Bereits in der Jugend hat sie starke Ergebnisse abgeliefert und 2018 ist sie auch im Boulder-Weltcup knapp an die absolute Weltspitze herangekommen. Doch dann hat sie wegen einer komplizierten Ellbogenverletzung fast ein halbes Jahr komplett aufs Klettern verzichten müssen. Ihr Comeback bei der Austrian Climbing Summer Series ist dann nicht gleich nach Wunsch verlaufen, weshalb sie ihren Einsatz für den Sport noch einmal erhöht hat.

Sie hat ihr Leben seitdem noch einmal stärker auf den Sport ausgerichtet, achtet nun mehr auf ihre Ernährung, setzt viel auf Mentaltraining und hat auch ihren Lifestyle angepasst. „Man macht das nicht nur, weil es einem Spaß macht. Es ist meine Berufung, mein großes Ziel. Ich möchte das die nächsten fünf/sechs Jahre einfach probieren und die ganze Zeit dem widmen.“

Franziska Sterrer bei den Österreichischen Staatsmeisterschaften im Bouldern | 23-26 September 2020 - Innsbruck (AUT)

Moritz Liebhaber

Die ersten Früchte dieser Neuorientierung zeichnen sich für die 22-jährige aus Vöcklabruck, die seit sechs Jahren ebenfalls in Innsbruck lebt, bereits ab. Im Training hat Franziska Sterrer bereits herausragende Leistungen gezeigt, beim Europacup in Klagenfurt sowohl die Qualifikation als auch das Semifinale gewonnen. Erst im Finale hat es nicht mehr ganz so gut funktioniert.

„Dieses Jahr war für viele motivationstechnisch glaube ich sehr, sehr schwierig. Deswegen sind wir jetzt alle heiß und brennen für die ersten Weltcups und können’s kaum erwarten."
(Franziska Sterrer)

Auf Franziska Sterrers Instagram-Profil konnte man in den vergangenen Jahren öfter lesen, wie sehr ihr das Wettkampfklettern abgegangen ist. "Im Herzen drin bin ich eine Wettkampfathletin“, sagt sie im Interview. Sie liebt es, auf Wettkampfbühnen zu stehen, das Publikum im Hintergrund zu spüren und auch den Druck: „Da gehe ich auf.“

Boulder-Weltcup in Meiringen

Das Semifinale des Boulder-Weltcups in der Schweiz wird am 17.4. ab 11.00, das Finale am 17.4. ab 19:00 auf dem Youtube-Kanal des Kletter-Weltverbandes live gestreamt.

Auf das Publikum bei Wettkämpfen wird sie wohl noch eine Weile verzichten müssen, den Rest kann sie ab sofort wahrscheinlich wieder genießen. Und das beste dabei ist, dass sie es gemeinsam mit einem vielversprechenden jungen österreichischen Kletterteam machen kann, einer neuen Sportklettergeneration, die gemeinsam Spaß hat und auch den Zuschauer*innen Spaß macht.

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