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DMX

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R.I.P. DMX

Mit DMX starb letzten Freitag einer der wichtigsten und prägendsten Rapper der 90er Jahre an einem Herzinfarkt. Der Versuch eines Nachrufs um seiner Bedeutung Gerecht zu werden.

Von Mahdi Rahimi

Früher war Rap nicht besser oder schlechter, sondern anders. Vor allem war Rap kein Monolith. Ab 1996 herum dominierten Bad Boy und Puff Daddy die Rap Charts. Es war die Ära des „Jiggy Rap“ und der „Shiny Suits“. Eine Ära, für die sich Jay-Z mittlerweile so sehr schämt, dass er sein Video zu „Sunshine“, einem der Repräsentanten dieser Zeit, auf Youtube verbannt hat. Rap hatte sich von der Straße und der Stimme der Unterschicht entfremdet und dem Hedonismus zugewandt. Nach den Morden an 2Pac und Notorious B.I.G. hatte auch niemand mehr so wirklich Lust auf Straßenrap.

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1998 tauchte ein Rapper mit rauer und aggressiver Stimme auf, der am Anfang seiner Verse bellte und überhaupt nicht in diese neue Rapwelt passte. Er rappte jeden Vers mit einem Drang und einer Power, die es im Rap sonst nicht gab. Stilistisch erinnerte er eher an jemandem, der dich anbrüllt, aber er wollte eben sicher gehen, dass man ihm zuhört. 1998 war der Beginn der Ära DMX, nachdem er sein Debütalbum „It’s Dark and Hell is Hot“ heraus brachte. Und sie dauerte bis ins Jahr 2001 an, in dem er mit jedem Album in den Billboard Charts Nummer 1 ging. Von 1998 bis 2001 war der wichtigste Rapper der Welt ein Typ, der auf seinen Songs über Schmerz, Tod und einem Pakt mit dem Teufel rappte. Auf jedem Album war auch immer ein „Prayer“ drauf, ein Gebet, ein aufrichtiges Gespräch mit Gott. Er trug keinen Anzug und keine Designersachen, sondern Unterhemd, Latzhose und Timberlands, der Dresscode der Straße und nicht der Dresscode von Downtown Manhattan. Was DMX rappte war kompromisslose „realness“ ohne R’nB Hooks, gepitchten Motown Samples und Bedeutungslosigkeit. Er war ein Rapper, der seine Seele und Schmerz auf Beats brachte und die auf CDs packte. Jeder Song, jeder Vers, jedes Wort war bedeutend. Wie sein Biograph gemeint hat, wollte DMX Seelen gewinnen und nicht Alben verkaufen („he wanted souls, not sales“). Deswegen gab es nach einer Stunde therapeutischem Gespräch von ihm auch ein Gebet, damit der Zuhörer auf dieser spirituellen Reise teilnehmen kann. Egal ob auf dem Album, oder vor 100.000 Leuten auf Festivals.

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Um DMX besser zu verstehen, muss man ein wenig seine Biographie kennen. Sein leiblicher Vater verließ ihn, seine Mutter und seine Schwester ziemlich früh. Seine Mutter zog mit den Kindern nach Yonkers, New York. Dort wurde DMX von seiner Mutter und ihren temporären Lebenspartnern misshandelt und geschlagen, sodass er seine Zähne verlor. Er wuchs als Jugendlicher auf den Straßen auf und war obdachlos, streunende Hunde waren seine einzigen Freunde. Mit 14 kam er mit Rap in Kontakt, als ein lokaler Rapper namens Ready Ron ihn als Beatboxer unter die Arme nahm und rappen beibrachte. Gleichzeitig war Ready Ron auch derjenige, der ihm in die Abhängigkeit zu Crack brachte, indem er einen Blunt mit Crack gefüllt hatte. Diese Abhängigkeit ließ ihn nicht mehr los, genauso wenig wie Rap ihn los ließ.

Es war, als ob er einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hatte, dass er mit Rap aus der Gosse rauskommen würde, aber gleichzeitig Rap auch sein Leben zerstören würde. Ohne Ready Ron würde er nicht rappen, ohne Ready Ron wäre Crack nicht in sein Leben getreten. Dieser Zwiespalt zieht sich wie ein roter Faden durch sein Debütalbum und durch sein restliches Werk. Ganz eindringlich kommt das auf der Nummer „Let Me Fly“ zum vorschein:

I sold my soul to the Devil, and the price was cheap
And yo, it’s cold on his level, ‚cause it’s twice as deep
But you don’t hear me, ignorance is bliss and so on
Sometimes it’s better to be thought dumb – shall I go on?
Yo, on the real, what the deal? It’s a mystery
How is it I can live and make history?
If you don’t see it, then it wasn’t meant for you to see
If you wasn’t born with it, it wasn’t meant for you to be

In den letzten Jahren war DMX weniger wegen seiner Musik in den Schlagzeilen, sondern als Meme, der Google entdeckt, raus und rein aus dem Gefängnis ging und bei dem die Zeichen der Crackabhängigkeit mehr als deutlich waren. Eine Überdosis war auch allem Anschein der Grund für seinen Herzinfarkt.

Was bei DMX bleibt, ist, was oft bei Afro-Amerikanischen Künstlern der Fall ist, wenn sie kommerziell in einer weißen Welt erfolgreich sind. Man nimmt die Energie, die Songs, den Stil, ohne den Schmerz mitnehmen zu wollen, weil man den Schmerz nicht kennt, der aber der Musik die „Seele“ gibt. Man kann aber versuchen ihm zuzuhören, wenn er auf seinen Alben kurz inne hält und uns sagt „Let us pray!“

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