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Anna Rudolf live in ihrem Stream auf Twitch.

Anna Rudolf, https://twitch.tv/anna_chess

Schach ist seit einem halben Jahr überall auf Twitch und Youtube

Wenn Großmeister*innen auf Influencer*innen treffen, wird das 1.500 Jahre alte, königliche Spiel plötzlich wieder so zeitgenössisch und populär wie ein kompetitives Mainstream-Videospiel. Ein Blick auf die moderne Welt des Schach.

Von Robert Glashüttner

Vor gut einem halben Jahr hat die historische Dramaserie „Das Damengambit“ viele Menschen begeistert. Die Geschichte des weiblichen Wunderkinds Beth Harmon, das in den späten 1950er und 60er Jahren die männerdominierte Welt des Schachs aufmischt, hat viele motiviert, sich selbst wieder mehr mit dem königlichen Spiel zu beschäftigen.

Diese neue Schach-Welle hält bis heute an, doch mittlerweile trifft man sich zum Spielen nicht mehr im Vereinslokal, sondern auf Schach-Websites wie Chess.com oder Lichess.org und auf der Streamingplattform Twitch. Mittlerweile ist Schach dort zu manchen Zeiten fast so populär und relevant wie massentaugliche Wettbewerbs-Videospiele der Marke „League of Legends“ oder „Minecraft“.

Rein in die moderne Schach-Commmunity

Schachprofis mit Mehrwert (Auswahl):

  • Hikaru Nakamura - einer der populärsten Großmeister auf Twitch
  • Anna Rudolf - Großmeisterin, die auch gerne andere Spiele spielt
  • Ben Finegold - etwas älterer Großmeister mit Comedy-Mehrwert
  • Levy Rozman - Schach-Entertainer und -Lehrer auf Youtube

Wer heute Schach spielen oder lernen will, muss nicht lange suchen: Man kann mit wenigen Klicks eine Partie starten, auf Twitch kann man Großmeister*innen live beim Blitzschach zusehen und auf Youtube sich in Tutorials vertiefen. Anfänger*innen werden ermutigt, es einfach zu probieren. Auch bei Turnieren geht es nicht immer nur darum, dass die Besten der Besten gegeneinander antreten. Das ideale Beispiel dafür ist die PogChamps-Serie, wo bekannte Streamer*innen gegeneinander spielen, bei denen es weniger um ihre Schach-Skills als um ihren Unterhaltungs- und Popularitätsfaktor geht. Das ist gut für die Zusehenden, denn so wird klar, dass auch Laien immer eingeladen sind, sich dem Spiel anzunähern. Oft lernt man auch mit seinem Lieblingsstreamer oder seiner Lieblingsstreamerin gemeinsam. Doch auch die Profis selbst sind auf Youtube und Twitch vertreten (siehe Spalte links).

Ben Finegold in seinem Stream auf Twitch.

Benjamin Finegold, https://twitch.tv/gmbenjaminfinegold

„So wie Fighting Games, nur langsamer“

Das Spezialgebiet des Games-Auskenners und Schachenthusiasten Markus Richter ist eigentlich die Computerspielgattung der Fighting Games. Er betreibt in Wien schon seit einigen Jahren den Verein Virtual Dojo, wo Games wie „Street Fighter“ oder „Guilty Gear“ gespielt und erklärt werden. Für ihn ist der Einstieg in Schach ähnlich wie die Beschäftigung mit einem kompetitiven Videospiel: Zuerst geht es darum, ein Gefühl dafür zu bekommen, was die ersten Lernschritte sein sollen.

„Wenn man beginnt, sich damit auseinanderzusetzen, fühlt man sich noch relativ blind auf dem Schachbrett. Man kann noch nicht abschätzen, was es macht, wenn eine Figur da oder dort steht. Ich habe mich immer mehr damit beschäftigt, zu schauen, was ich als Anfänger für Openings spielen kann: In welche Situationen komme ich dann? Das kann man gut damit vergleichen, wie wenn man in einem MOBA oder einem Fighting Game einen Charakter lernt.“

Ein Schachbrett mit Figuren.

flickr.com, User "memories_keepers", CC BY-ND 2.0

Die zeitgenössische Schach-Community auf Twitch und Youtube ist dementsprechend flexibel: Viele Streamer*innen spielen auch andere Spiele oder sehr schnelle Schachvarianten wie Bullet-Schach, wo jede*r Spieler*in weniger als drei Minuten für die ganze Partie Zeit hat. Einen Generationenkonflikt zwischen dieser jungen Szene und älteren Spieler*innen sieht Markus Richter aber nicht, eher eine Erweiterung von unterschiedlichen Schachgemeinschaften. Letztlich geht es allen um die Liebe zum Spiel: Trotz der immens langen Geschichte stehen weiterhin Variation und Überraschung an vorderster Stelle. Sie machen Schach auch 1500 Jahre später immer noch spannend - egal, ob auf Twitch, einer Website, oder im Vereinslokal.

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