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Der Urlaubsfluch

Von allen Sachen auf dieser Welt hasst J. das Reisen am meisten.

Eine Kolumne von Todor Ovtcharov

Ihr kennt sicherlich Menschen, die ihr nächstes Urlaubsabenteuer schon planen, wenn sie von einer Reise gerade erst zurückkommen. Sie recherchieren wochenlang im Internet oder lesen Reisebücher. Sie erleben in ihren Gedanken Umstiege auf Flughäfen und vergleichen eifrig alle Hotelbewertungen. Vielleicht gehört ihr auch zu diesen Menschen. Die Pandemie hat euch zur Verzweiflung gebracht und ihr findet, euer Leben ist verschwendet, wenn ihr nicht reisen dürft.

Ich kenne einen, der meint, die Coronakrise ist die beste Zeit seines Lebens, weil er jetzt eine Ausrede dafür hat, nicht zu reisen. Von allen Sachen auf dieser Welt hasst J. Urlaube am meisten. Er ist überglücklich, dass Grenzen gesperrt sind und seine Freundin ihn nicht zwingen kann, auf Urlaub zu fahren. Er erzählt eine Legende, warum er das Reisen nicht mag und sie hört sich auch einigermaßen plausibel an. J. meint, dass ein Fluch über ihm spukt, der ihn immer aufsucht, wenn er Österreich verlässt.

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Alles begann, als er als Kind mit seinen Eltern am Balaton war. Damals fiel er von einem Pony und brach sich die Hand. Ich versuche ihn zu davon zu überzeugen, dass er durchaus auch im Prater von einem Pony hätte fallen können, aber er ist überzeugt, dass das passiert ist, weil er im Ausland war. Die Freundin von J. hat ihn einmal überredet eine romantische Reise nach Italien zu machen. Es regnete die ganze Zeit, sie setzten sich in eine Pizzeria, um dem Regen zu entkommen, und J. bekam eine Lebensmittelvergiftung. Am nächsten Tag schien die Sonne, J. ging es schlecht und er schlief in der Sonne ein. Er bekam einen heftigen Sonnenbrand auf der einen Seite. Seine Haut sah wie eine Waffel aus. Im Winter fuhr J. auf Skiurlaub nach Frankreich. Der Skilift blieb stecken, J. hing stundenlang in der Luft und bekam eine Lungenentzündung von dem Wind.

J. ist ein Reisegegner aus Prinzip. Er meint, er liebt Städte wie Barcelona oder Amsterdam, wo sich die Einheimischen über den Massentourismus beschweren. Er hat sogar einen Brief an die Stadtverwaltung von Barcelona geschrieben, mit dem Verlangen, zum Ehrenbürger erklärt zu werden, da er noch nie in Barcelona war und es auch nicht vorhat. Keine Ahnung, was damit passiert, da die Menschen in Barcelona jetzt weinen, weil die Touristen ausbleiben.

Irgendwann wird die Pandemie zu Ende gehen und die Touristen werden wieder unterwegs sein. J. bleibt dann weiter in seiner Wohnung und schaut sich die Welt von seinem Fenster aus an. Irgendwer muss zurückbleiben, um das Licht auszumachen, wenn alle weg sind, meint J.

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