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ÖH-Koalitionskrach zwischen Corona-Pandemie und UG-Novelle

Ein monatelanger Koalitionsstreit, eine Minderheiten-Exekutive und nebenbei auch die Vertretung der Studierenden in Zeiten von Pandemie und Novelle des Universitätsgesetzes. Ein Rückblick auf zwei Jahre Uni-Politik.

Von Lena Raffetseder

Wie es drei Fraktionen schaffen, sich nach knapp einem Jahr Koalition dermaßen zu zerstreiten, dass kein Weiterarbeiten möglich ist und sie nach der Hälfte der vorgesehenen Periode hinschmeißen, lässt sich nur in groben Zügen rekonstruieren. Nach der ÖH Wahl 2019 bilden Grüne und Alternative Student_innen (GRAS) (13 Mandate), der Verband Sozialistischer Student_innen (VSStÖ) (13 Mandate) und die Unabhängigen Fachschaftslisten Österreichs (FLÖ) (5 Mandate) eine Koalition in der Bundesvertretung der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH). Die Exekutive hält damit mit 31 von 55 Mandaten eine stabile Mehrheit in der Bundesvertretung.

Die Mandatsverteilung nach der vergangenen ÖH-Wahl 2019

APA

AG - AktionsGemeinschaft, GRAS - Grüne und Alternative Student_innen, VSStÖ - Verband Sozialistischer Student_innen, JUNOS - Junge liberale Studierende, FLÖ - Unabhängige Fachschaftslisten Österreichs, KSV-LiLi - Kommunistische Student:innenverband – Linke Liste, KSV-KJÖ - Kommunistischer StudentInnenverband, RFS - Ring Freiheitlicher Studenten

Verantwortung für das Scheitern will niemand übernehmen

Eine „sichtbare, partizipative, starke, kritische und progressive“ ÖH-Bundesvertretung hat die linke Exekutive laut Koalitionsvertrag sein wollen. Sichtbar sind dann vor allem die Konflikte geworden und kritisch war man gegenüber den anderen Koalitionsfraktionen. Nach anhaltenden Streitigkeiten wirft die FLÖ Anfang September 2020 hin. Der damalige FLÖ-Vertreter im ÖH-Vorsitzteam, Desmond Grossmann begründet den Ausstieg damit, dass es nicht möglich gewesen sei „Missstände und Versagen“ der türkis-grünen Regierung in der ÖH-Exekutive aufzuzeigen. Eine indirekte Kritik an der GRAS.

Die ÖH-Wahl findet von 18. bis 20. Mai statt. Studierende wählen die Bundesvertretung (acht Fraktionen treten österreichweit an), die Hochschulvertretung und die Studienvertretungen. Die Studienvertretung kann man nur vor Ort an den Hochschulen wählen, die Bundes- und Hochschulvertretung auch per Briefwahl. Beantragen kann man Wahlkarten bis 11. Mai. Für die Wahl an den Hochschulen gibt es ein Hygienekonzept, das Tragen einer FFP2-Maske ist Pflicht und ein eigener Kuli wird empfohlen.

GRAS-Vertreterin Adrijana Novaković wirft daraufhin dem FLÖ-Vertreter vor, die ÖH „ins Chaos“ zu stürzen, gibt aber dem VSStÖ die Schuld, der schon im Juni bei einer Sitzung der Bundesvertretung „Koalitionsbruch“ begangen hätte. Gespräche um eine neue gemeinsame Kandidatur für den Vorsitz scheitern, als kurz darauf der VSStÖ bekanntgibt, nicht mehr Teil der nächsten Exekutive sein zu wollen. Für den VSStÖ ist die GRAS für die Probleme verantwortlich. Die damalige VSStÖ-Vertreterin im Vorsitzteam, Dora Jandl, sagt damals: „Es schmerzt, dass die GRAS nach Jahren erfolgreicher, linker Studierendenvertretung die gute Zusammenarbeit nicht mehr möglich macht.“

Stabile Mehrheiten gibt es nicht, Imageschaden schon

Nichts geht mehr zwischen den Koalitionspartnerinnen. Bei einer Sitzung im Oktober wird Sabine Hanger von der ÖVP-nahen AktionsGemeinschaft (AG) mit relativer Mehrheit zur Vorsitzenden gewählt. Die AG ist mit 15 Mandaten zwar stärkste Fraktion in der Bundesvertretung, eine Koalition kommt aber keine zustande. „Es ist eine Minderheitsexekutive mit fliegenden Mehrheiten in den Sitzungen,“ beschreibt Hanger das Ergebnis.

Die Streitigkeiten innerhalb der Bundes-ÖH hätten die laufende Periode überschattet, sagt Hanger. Eine ÖH, die mit sich selbst beschäftigt ist, sei nachhaltig schädigend, sagt die ÖH-Vorsitzende von der AG.

Wichtigere Themen

Die holprige Umstellung auf Distance Learning, Jobverluste, das eingeschränkte soziale Leben, die generelle Unsicherheit und die psychischen Belastungen – viele Herausforderungen für Studierende im mittlerweile dritten Pandemie-Semester. Die linke Koalition hat einen ÖH-Corona-Härtefonds für Studierende eingerichtet, die sich ihren Alltag im Zuge der Pandemie nicht mehr leisten können. Die jetzige Vorsitzende Sabine Hanger hat eine “Mental Health Kampagne“ gestartet.

Die Initiative "Bildung brennt" demonstriert gegen die UG-Novelle.

APA /Herbert Pfarrhofer

Die Initiative „Bildung Brennt“ demonstriert im März in Wien gegen die geplante UG-Novelle.

Mitten in der Pandemie wird auch über die Neugestaltung des Universitätsgesetzes verhandelt. Die sogenannte UG-Novelle beinhaltet ursprünglich eine Mindestleistung von 24 ECTS in zwei Jahren und falls Studierende die nicht erreichen eine 10-Jahres-Sperre für das betreffende Studium an der jeweiligen Uni. Das Ergebnis ist jetzt eine Mindestleistung von 16 ECTS in zwei Jahren und eine sonstige Sperre von zwei Jahren. Linke Fraktionen demonstrieren gegen die Novelle, die ÖH-Vorsitzende Hanger nennt die Proteste “unverantwortlich“. Der GRAS gehen die Verbesserungen der Novelle “nicht weit genug“, für ÖH-Vorsitzende Hanger von der AG ist die finale Fassung der Novelle ein großer Erfolg. Anstatt zu Demonstrieren hätte die ehemalige linke Exekutive lieber „richtige Vertretungsarbeit machen sollen“, sagt die aktuelle Vorsitzende.

Was bedeutet der Koalitionsstreit für die anstehende Wahl?

Angesprochen auf das krachende Scheitern ihrer Koalition betonen die aktuellen Spitzenkandidatinnen von GRAS, VSStÖ und FLÖ, dass sie damals noch nicht in der Bundesvertretung aktiv waren und auch nichts mit dem Koalitionsende zu tun gehabt hätten.

Die GRAS-Spitzenkandidatin Keya Baier sagt, man könne schon „die Grünen ganz offen kritisieren“. Sara Velić vom VSStÖ sagt, sie werde nur in eine Koalition eintreten, bei der sie sich sicher ist, dass eine stabile Vertretungsarbeit möglich ist. Und auf die Frage, wie die FLÖ den Wählenden garantiert, nicht wieder aus einer Koalition auszusteigen, sagt Spitzenkandidatin Gabriele Urban, dass es keinen Sinn hätte, Probleme der letzten Periode in die nächste mitzunehmen. „Die ÖH hat in den letzten zwei Jahren keinen sonderlich guten Job gemacht, sich nach außen zu verkaufen,“ sagt FLÖ-Spitzenkandidatin Urban. Vielleicht können sich darauf alle einigen.

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