FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Bilder aus der Graphic Novel "Temple of Refuge". Person sitzt auf einer Sanddüne

Die Autoren und Die Gesellschaft der Neuen Auftraggeber GNA gGmbH, 2021

„Temple of Refuge“: Ein Comic reißt die Festung Europa ein

Mit der Hoffnung auf eine bessere Welt hat der Flüchtling Sartep Namiq bei einem Kunstprojekt mitgemacht. Rausgekommen ist ein Science-Fiction-Comic ohne Text, in dem Mauern eingerissen werden.

Von Paul Pant

Die Comicgeschichte von Sartep Namiq beginnt in einem blühenden Land. Ein Liebespaar sitzt auf einem Hügel vor einem See. Auf nur einer Seite zieht ihr Leben vorüber. Ein Sohn wird geboren. Der See trocknet aus, die Bäume sterben, das Land wird zur Wüste. Der Sohn wird zum Flüchtling. In einer endlosen Schlange ziehen die Menschen Richtung Europa.

Bilder aus der Graphic Novel "Temple of Refuge"

Die Autoren und Die Gesellschaft der Neuen Auftraggeber GNA gGmbH, 2021

Am Ende der gefährlichen Flucht steht der Flughafen Tempelhof vor einem futuristischen Berlin, das zur Festung geworden ist. Die Mauer geht nicht mehr quer durch die Stadt, sondern rundherum. In den Flüchtlingscamps vor Berlin regiert Willkür und Gewalt. Die Menschen darin resignieren.

Bilder aus der Graphic Novel "Temple of Refuge"

Die Autoren und Die Gesellschaft der Neuen Auftraggeber GNA gGmbH, 2021

Sartep Namiq kennt die Resignation der Geflüchteten aus dem wirklichen Leben. Der junge Kurde ist aus dem Irak vor dem IS geflohen. Ein Jahr lang hat er in einem Hangar in Berlin Tempelhof gelebt. Ohne Kontakte nach draußen, ohne Arbeit und ohne Möglichkeit, einen Sprachkurs zu besuchen. In dieser Notunterkunft hat Sartep Alexander Koch kennen gelernt.

Koch ist Direktor der „Gesellschaft der Neuen Auftraggeber“. Diese Organisation initiiert und betreut Kunstprojekte, schlägt Brücken zwischen normalen BürgerInnen und KünstlerInnen. Alexander Koch fungiert dabei als Mediator. Er hilft den Menschen, die mit Hilfe einer künstlerischen Intervention etwas verändern, oder auch ein Problem, eine drängende Frage artikulieren wollen. Das Ziel: daraus Kunstwerke zu entwickeln. Die Form bleibt dabei offen, egal ob Fotografie, Film, Malerei, Theater, Architektur, Musik oder Literatur.

Die neuen Auftraggeber

Die Idee hinter den Neuen Auftraggebern ist ein Kunstmanifest des franzöisch-belgischen Künstlers François Hers. 1990 schlug er mit seinem „Protokoll der Neuen Auftraggeber“ ein neues Modell der Produktion zeitgenössischer Kunst vor. Statt Mäzenatentum soll jeder Mensch ein Kunstwerk beauftragen können.

Im Berliner Comicladen „Grober Unfug“ wurden Zeichenstile und Stories recherchiert. Die Wahl fiel dann auf ein Science-Fiction-Setting und den Künstler Felix Mertikat. Mertikat ist mit seiner preisgekrönten Steampunk-Saga „Steam Noir“ bekannt geworden und hat sich vor allem in der Rollenspielszene einen Namen gemacht. Für die Story-Entwicklung konnte dazu die Cyberpunk-Legende Bruce Sterling gewonnen werden. Dieser traf Namiq in seiner Flüchtlingsunterkunft in Tempelhof. Aus ihren Gesprächen entstand ein erster Entwurf der Geschichte, der von Christopher Tauber und Matthias Zuber überarbeitet wurde.

Bilder aus der Graphic Novel "Temple of Refuge"

Die Autoren und Die Gesellschaft der Neuen Auftraggeber GNA gGmbH, 2021

„Temple of Refuge“ kann man kostenfrei unter www.temple-of-refuge.net lesen. Wer lieber Comics in Buchform lesen und noch etwas Gutes tun will: Für 10 Euro gibt es „Temple of Refuge“ beim Verlag Egmont Comic Collection. Alle Gewinne aus dem Verkauf der Comicbücher kommen der Hilfsorganisation Sea-Watch zugute.

Herausgekommen ist mit „Temple of Refuge“ ein farbenfrohes Science Fiction-Märchen, das ohne Worte funktioniert. Der geflüchtete Sohn ist auf seiner Reise zum Künstler gereift. Im Slum von Tempelhof erschafft er durch seine Bilder und Vorstellungskraft eine Utopie, die den Menschen wieder Hoffnung und Werkzeuge in die Hände gibt, für eine bessere Zukunft in der Mauern eingerissen werden.

mehr Comic:

Aktuell: