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Nick Robinson und Kate Mara als Schüler und Lehrerin in dem High-School-Drama "A Teacher" am Schulball.

Chris Large/FX

Serie

So lieb, so düster: „A Teacher“ ist ein exzellentes High-School-Drama

Regisseurin Hannah Fidell macht in der Serie „A Teacher“ Schluss mit der herkömmlichen Darstellung, Sex zwischen Schüler*innen und Lehrenden sei zwar verboten, doch irgendwie romantisch.

Von Maria Motter

Der Begriff „Grooming“ bedeutet nicht mehr nur die sorgfältige Pflege von Haut und Haar, auch bei Haushunden und Katzen. Vielmehr steht „Grooming“ jetzt für ein kriminelles Verhalten: Erwachsene versuchen, mit Kindern und Jugendlichen Kontakt aufzunehmen und sich als Freund*innen zu präsentieren – in der Absicht, sie zu missbrauchen. Die neue Streaming-Serie „A Teacher“ führt ab jetzt wöchentlich vor, wie dieses Grooming vor sich gehen kann. Kate Mara hat die Hauptrolle. Vor einigen Jahren hatte sie in der Serie „House of Cards“ einen brutalen Serientod. Jetzt spielt Kate Mara eine Lehrerin in einem sehr speziellen High-School-Drama.

Claire Wilson ist neu an der Schule in Austin, Texas, und gerade die Burschen der Abschlussklasse sind sofort begeistert. Nicht so sehr von Dylan Thomas’ Gedicht “Do not go gentle into that good night”, das die Neue der Klasse als Erstes vorliest, sondern weit mehr von ihrer zierlichen Erscheinung.

Kate Mara und Nick Robinson setzen nebeneinander an einem Tresen in einem Lokal und schauen sich an. Szene aus der Serie "A Teacher".

FX

Kate Mara und Nick Robinson in der exzellenten, beklemmenden Serie „A Teacher“.

So lieb, so beklemmend

Freut man sich in Serien normalerweise über den ersten vielsagenden Blickkontakt und das erste Date, so läuft in der Serie „A Teacher“ eine Beziehung gleich von Anfang an bemerkenswert schief: Claire Wilson ist Mitte dreißig und wird als Lehrerin Vorschrift und Vernunft überschreiten, als sie das Interesse des Schülers Eric Walker bemerkt. Der ist beliebt in seinem Jahrgang, ein ausgezeichneter Sportler und siebzehn. Betrinkt er sich auf einer Party, ist das eine Straftat.

Zuhause herrscht Claire ihren Ehemann an, weil der Equipment für eine ganze Band gekauft hat und wieder mit seinen Kollegen aus dem Spital Musik machen will. Innere Alarmglocken schrillen beim Zuschauen. Denn es ist Claire, die außerhalb der Schule die Nähe des Schülers Eric sucht. Eric jobbt neben der Schule, kümmert sich um die jüngeren Geschwister, weil die alleinerziehende Mutter viel arbeitet, und er braucht bessere Noten fürs College.

Die Serie „A Teacher“ mit ihrem pastellrosa Titelinsert ist realistisch erzählt und sie führt mieses, ja manipulatives Verhalten gut vor. Die Spannung steigt mit jeder Folge. Weil die Dramaturgie die Zuschauer*innen immer wieder sehr subtil dazu verführen möchte, doch alles romantisch zu finden.

Kate Mara und Nick Robinson spielen eindringlich und mitreißend. Die Dialoge sind präzise. Sie ist drei Köpfe kleiner als der Schüler, er erklärt ihr mehrfach seine Zuneigung. Soundtrack und Score sind ziemlich perfekt, von LCD Soundsystem über Cautious Clay zu Taylor Swift und Ariana Grande u.a., um „A Teacher“ immer wieder im Genre Teenie-Soap verorten zu wollen. Das ist ein genialer Schachzug. Subtil werden Annäherung und Zurückweisung, Machtverhältnis und Missbrauch dargelegt.

Dass der Showdown dann ausgerechnet mit einer sehr leisen Szene in einem Supermarkt eingeleitet wird, spricht dann noch einmal Bände und für die zehn jeweils halbstündigen Folgen von „A Teacher“. Prädikat: Augenöffnend. Schon in der ersten Folge gibt es eine Supermarkszene, Claire nimmt einen Lippenstift vom Regal, steckt ihn in ihre Handtasche und schiebt den Einkaufswagen weiter.

Nick Robinson und Kate Mara als Schüler und Lehrerin in dem High-School-Drama "A Teacher".

FX

Ausgerechnet der Streamingdienst Disney+, der sich an ein Familienpublikum richtet, hat „A Teacher“ jetzt auf seiner Plattform. Und das macht so Sinn.

Hannah Fidell erzählt glaubhaft und einnehmend von jungen Menschen

Wie gut „A Teacher“ gemacht ist, wie lieb und doch beinhart erzählt wird, zeigt sich auch in den YouTube-Kommentaren: unter dem Serientrailer und Clips ist das „Victim-Blaming“ überschaubar. Die Inszenierung beantwortet Einwände wie „Aber er hat sie zuerst geküsst!“ quasi von selbst.

Die US-amerikanische Filmemacherin Hannah Fidell bewies schon mit dem Spielfilm „6 Years“, dass sie glaubhaft von jungen Menschen erzählen kann. Doch „A Teacher“ spielt noch einmal in einer anderen Liga. Bereits 2013 war Hannah Fidell mit einem gleichnamigen Kinofilm am Sundance Festival vertreten: Der Indie-Thriller lief dann aber nur in sieben Kinos und spielte knapp 8000 Dollar ein. Aber die Drehbuchautorin, Regisseurin und Produzentin hielt am Stoff fest, studierte und charakterisierte ihre Protagonisten noch genauer.

Drehbuchautorin, Regisseurin und Produzentin Hannah Fidell

Lauren Logan Photography/FX

Den Namen Hannah Fidell kann man sich merken: Die Drehbuchautorin, Regisseurin und Produzentin kann glaubhaft von jungen Menschen erzählen.

Die Mini-Serie „A Teacher“ wäre ein Lehrbuch für Täter*innenverhalten, stellten Kritiker fest, mit dem Nachsatz: Aber nur, wenn man bereits das Lehrbuch kenne. Redakteure von Männermagazinen sagen Kate Mara bei Interviewterminen, dass die neue Serie auch ganz schön „hot“ ist. Das ist aber keine Affäre, stellt die Schauspielerin klar. Es geht darum, über das Trauma nachzudenken.

„Haunting“ nennt das „Time-Magazin“ die Produktion - und das ist sie. Allein dafür, dass Hannah Fidell das Erleben eines männlichen Teenagers ins Zentrum rückt, sei ihr gedankt. Sie macht Schluss mit der herkömmlichen Darstellung in Serien und Unterhaltungsfilmen, dass sexuelle Beziehungen von Lehrpersonen mit Schüler*innen zwar verboten, aber doch Herzensangelegenheiten wären.

„Viel meiner traumatischen Erfahrung – und auch Erics Erfahrungen in der Serie – liegt in den Nachwirkungen. Viele Quellen zu sexuellem Missbrauch sprechen davon, dass das Danach der traumatischere Teil ist; die Art und Weise, wie die Menschen um einen mit [Vergewaltigung und Missbrauch] umgehen“, sagt Hannah Fidell in einem Interview mit The Cut. “Es braucht Zeit, um zu begreifen, was geschehen ist. Und in unseren Recherchen zu dieser speziellen Form sexuellen Missbrauchs stellten wir fest, dass Buben und Männer länger brauchen, um sich als Opfer wahrzunehmen – aufgrund dieser Doppelmoral, mit der sich die Serie auch beschäftigt“.

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