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Putzen in Masken im Belvedere

Ulrike Köb

Putzen – Eine Kulturtechnik

Putzen ist ein Handwerk, eine unterschätzte Tätigkeit, die Hierarchien schafft. Sonja Stummerer und Martin Hablesreiter sehen Putzen als gesellschaftliches Phänomen und widmen sich in ihrem Buch „Putzen – Eine Kulturtechnik“ ganz dem Reinigen. Sauber!

Von Zita Bereuter

2015 gingen das Künstlerduo Honey und Bunny, bestehend aus Sonja Stummerer und Martin Hablesreiter, und der Schauspieler Tom Hanslmaier im Rahmen des Festivals der Regionen in Ebensee von Haus zu Haus und fragten, ob sie ein Zimmer putzen dürfen. „hackle sauber“ hieß die Aktion. Während die Männer im Smoking putzten, interviewte Sonja Stummerer die Frauen, die sie in den Häusern angetroffen hatten. Schnell war ihnen klar, wie viel gesellschaftspolitisches Potential im Putzen steckt, einem Thema, dem sie gründlich nachgegangen sind. Ihre Erkenntnisse haben sie in dem Buch „Putzen - Eine Kulturtechnik“ zusammengefasst.

Putzmittel in einem Kreis angeordnet. Cover des Buches "Putzen - eine Kulturtechnik"

Böhlau Verlag

„Putzen - eine Kulturtechnik“ ist im Böhlau Verlag erschienen.

Am Anfang war der Schmutz

„Schmutz ist relativ“, erklärt Sonja Stummerer. „Schmutz ist ja eigentlich das, was einem vorher definierten Ordnungsprinzip widerspricht.“ Ein Reiskorn auf dem Teller ist kein Schmutz, ein Reiskorn am Pullover hingegen schon. Wobei ein einzelnes Reiskorn verhältnismäßig harmlos ist. Trockener Schmutz, wie Staubkörner, lassen sich leicht entfernen und werden als nicht besonders grausig empfunden. Anders ist es mit nassem, schlammigem Schmutz. „Die Definition von Schmutz ist ein soziales Konstrukt“, wird der französische Soziologe Jean-Claude Kaufmann zitiert. Das soziale Umfeld, die soziale Wahrnehmung bestimmt mit, was schmutzig bzw. sauber ist.

Putzen ist politisch

Kaum jemand behauptet von sich, schmutzig zu sein oder Dreck zu erzeugen. „Weil man nimmt sich selber natürlich als sauber wahr. Das ist ja Teil des Persönlichkeitsbildes.“ Für Sonja Stummerer liegt darin der Grund, warum Putzen meist hinter verschlossenen Türen passiert.

Vieles im Zusammenhang mit Putzen wird im wahrsten Sinne unter den Tisch gekehrt. Putzen ist politisch. Geschlechterrollen werden zugeschrieben, Hierarchien erzeugt. „Putzen schreibt aber auch die Hierarchie der Bildungsschichten, der sozialen Schichten, der sozialen und räumlichen Herkunft fest. Und am Ende ist es auch so, dass das Putzen immer wieder und gerne dazu verwendet wird, um Menschen zu erniedrigen,“ erklärt Martin Hablesreiter und führt Bestrafungen in Internaten oder im Militär an, bis hin zu den straßenwaschenden Juden in der NS-Diktatur. Die putzende Person steht ganz unten. Und meistens sind das nach wie vor Frauen.

Skulptur aus Putzmitteln und Putzen im Belvedere

Ulrike Köb

Saubermann vs Putzfrau

Natürlich gibt es auch wenige Männer, die beruflich putzen, einen grundsätzlichen Unterschied sieht Martin Hablesreiter aber darin, dass putzende Männer im Regelfall angestellt sind, Büros oder größere Firmen und keine Privathaushalte putzen. „Und dass sie das als eine Art geregelte Arbeit machen. Putzfrauen sind meistens in illegalen Arbeitsverhältnissen, haben Migrationshintergrund und sind, wenn man so will, Schattenarbeiterinnen eines Systems.“

Die saubere Frau

Frauen wurde im Zuge der gesundheitsfördernden Hygienebewegung im 19. Jahrhundert die Aufgabe des Sauberhaltens umgehängt, erklärt Sonja Stummerer. Eine Rolle, die ihnen geblieben ist, Frauen sind meist dafür verantwortlich, dass es in der Familie sauber ist. „Und das betrifft eben nicht nur die Räumlichkeiten und das Essen, sondern auch die Familienmitglieder. Also das führt dazu, dass die Frau auch für die Wäsche zuständig ist und auch bis hin zur Sauberkeit des Ehemanns.“

Putzen als Handwerk

Putzen scheint einfach, erfordert aber viel Erfahrung und Wissen. Für die beiden ist Putzen klar ein Handwerk. "Es gehört natürlich auch Geschicklichkeit dazu, weil gerade beim Putzen kann man ja auch irrsinnig viel ruinieren. „Also man muss wissen, welches Mittel und welches Gerät zu welcher Oberfläche passt und so weiter.“ Falsches Putzen kann Dinge ruinieren und schädigen - auch im Sinne der Wirtschaftlichkeit spielt Putzen eine wichtige Rolle.

Mann putzt, Frau trinkt Sekt im Bademantel

Daisuke Akita

Aufgeputzt

Der Band „Putzen. Eine Kulturtechnik“ gliedert sich neben „Kultur und Politik“ auch in „Schmutz und Sauberkeit“, „Mittel und Geräte“, „Putzen und Design“ und „Umwelt und Gesundheit“. Man liest von der Geschichte des Staubsaugers zur Erfindung der Seife, vom Handwerk des Putzens zur Hygieneentwicklung, vom Wert des Putzens aber auch der extremen Kommerzialisierung und dem Putzen als Wirtschaftsfaktor. Und schließlich auch von der Umwelt- und Gesundheitsbelastung durch das Putzen.

Dazwischen sind ästhetische Fotos von verschiedensten Putzmaterialien, farblich angeordnet. Und Fotos, die Sonja Stummerer und Martin Hablesreiter in unterschiedlichsten Orten bei irritierendem Putzen zeigen: im Stall, Schnee oder im Museum. Mit diesen Fotos wollten sie die kulturellen Annahmen oder Stereotypen bewusst durchbrechen.

Mit „Putzen. Eine Kulturtechnik“ zeigen Sonja Stummerer und Martin Hablesreiter einmal mehr verständlich und gut aufbereitet das Politische im Alltäglichen. Sauber!

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