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Danger Dan sitzt neben dem Klavier

Jaro Suffner

Große Gefühle auf Danger Dans neuem Album „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“

Mit Songs über das Verliebtsein, Pizza, Kiffer oder Globuli hat sich die Antilopen Gang als Deutschlands spannendstes Rap-Trio etabliert. Sie können Rap, sie können Punk. Danger Dan von der Antilopen Gang zeigt sich auf seinem zweiten Solo-Album nun als Liedermacher am Klavier. Emotional trifft er mit dem Album „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ den Nerv der Zeit.

Von Susi Ondrušová

Mit dem Erfolg vom Titelsong „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ hat Danger Dan nicht gerechnet. Er dachte das sei ein Liebhaber-Projekt und entschied sich, das Album auf dem eigenen Label zu veröffentlichen und DIY-mäßig alles selbst in die Hand zu nehmen. Spätestens als die ersten exklusiven Merch-Artikel von Danger Dan ausverkauft waren, war ihm und seinen „Antilopen Geldwäsche“-Label-Kollegen klar, dass dieser Release nicht ganz so leise und unter dem Radar gefeiert werden würde. Die für 2022 angesetzte Tour durch Spielhäuser wie das Volkstheater in Wien war auch innerhalb weniger Stunden ausverkauft. (Infos zu den Zusatzkonzerten hier.)

Mit dem Klavier, dem prominenten Instrument auf dem Album, führt Danger Dan seit Kindheitstagen eine On/Off-Beziehung, wie das halt so ist, wenn man irgendwann die eigene Musik entdeckt: Hip Hop war ihm als Teenager wichtiger als Noten lesen und üben. Beim ersten Lockdown hat er das Antilopen-Gang-Tour-Piano in seine Berliner Wohnung gebracht und begonnen, an Lied-Ideen zu arbeiten, die ihn schon länger begleitet haben.

Die schlimmen und schönen Geschichten des Lebens

Inhaltlich bewegt sich Danger Dan auf dem gewohnten Text-Terrain der Antilopen Gang. Um es mit zwei groben Überbegriffen zu benennen: Es geht um Demokratie und Gesellschaft. Im Song „Das schreckliche Buch“ singt Danger Dan von einem Verleger, der sagt, er könne dieses ihm zugeschickte Manuskript nicht als Buch veröffentlichen, denn es ist „komplett neben der Spur, die ganze Storyline. Jetzt mal im Ernst, wer denkt sich sowas aus?“ Dabei beschreibt das Buch, wie Danger Dan im Song, absurde Szenen einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen.

"Ja die schlimmsten Geschichten schreibt das Leben wohl selbst“
(aus „Das schreckliche Buch“)

Im FM4 Interview erzählt Danger Dan: „Hippies und Esoteriker und Neonazis und alle möglichen wirren Querdenker haben demonstriert und geglaubt, dass Donald Trump in Berlin gelandet sei und man jetzt einen Friedensvertrag unterschreiben könnte… Das muss eine unglaublich wahnsinnige Dynamik angenommen haben und gipfelte dann darin, dass eine Homöopathin dazu aufgerufen hat, den Reichstag zu stürmen. Ich hab’ mit eigenen Augen gesehen, wie jemand mit schwarz-weiß-rotem Umhang, also er hat sich eine Kaiserreichs-Fahne zum Umhang gemacht, sich auf das Holocaust-Mahnmal gesetzt und darauf Bongo gespielt hat. Das war so furchtbar makaber. Das hätte ich mir vor 5 Jahren nicht ausdenken können! Die Idee, dass mal irgendwann vor dem Bundestag so eine esoterische-Nazi-spirituelle-völkische-krude Mischung glaubt, Donald Trump ist da und wir könnten jetzt Friedensverträge unterschreiben. Das ist so weit weg von der Realität, dass man das nicht hätte prognostizieren können. Aber es ist genauso passiert und davon handelt dieses Lied.“

„Die schlimmsten Geschichten schreibt das Leben wohl selbst“ singt Danger Dan in diesem Song. So finden sich auf dem Album aber auch schöne Geschichten, die das Leben schreibt. „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ hat nämlich auch viele romantische Momente.

Im FM4-Interview frage ich Danger Dan als Gesprächs-Einstieg. ob ihm denn heute was Schönes passiert sei und was. Ein klassischer Promo-Tag bedeutet nämlich von der Früh bis am Abend vorm Rechner sitzen und in 30-Minuten-Abständen Zoom-Calls von Journalist*innen empfangen, bis die Stimmbänder heiser sind und der Kopf leer. Danger Dan meint, er sei heute früh neben seiner Freundin aufgewacht. Der Song „Eine gute Nachricht“ auf dem Album handelt passenderweise von genau der Frage, die in Zeiten von Corona-Einsamkeit ganz viele Menschen gerne stellen würden, nämlich: „Schläfst du heute Nacht bei mir?“, beziehungsweise: „Wenn du willst, dann schlaf doch heut bei mir.“

Liebeslieder und Selbstzweifel

Mit „Topf & Deckel“ hat Danger Dan einen Song aus der 2009er „Tortur Tour“-Ära der Antilopen Gang herausgeholt. Auch hier geht es um Zweisamkeit: „Ein Liebeslied. in dem zwei Leute einander finden von denen man erstmal nicht ausgeht, dass sie einander finden. Ich glaube das war auch so meine eigene Suche, wo ich dachte, für diesen bekloppten Typen muss es doch auch irgendeine Person geben da draußen und hab mir selber Mut gemacht mit diesem Lied.“

Eine Grundthematik, mit der sich Danger Dan seit Jahren auseinandersetzt, ein Lied das er „immer wieder schreibt“, handelt von Selbstzweifeln: „Dass ich glaube, das viele Sachen die ich vielleicht gut kann, andere Leute noch viel besser können. Dass man nie an diese Instagram-Perfektion rankommt, die alle Leute versuchen im Internet vorzutäuschen, sondern man sich selbst irgendwie ‚imperfekt‘ anfühlt. Aber meiner Freundin ist das egal. Die will genau mich!“

Das Antilopen-Gang-Stück „Hilfe“ greift diese Thematik auf. Ebenfalls der Song „Seit du gesagt hast“ von Danger Dans erstem Solo-Album „Reflexionen aus dem beschönigten Leben“ und nun auch der Song „Trotzdem“.

Diese Beziehungs-Erkenntnis wird im Song besonders unterstützt und hervorgehoben durch den Einsatz von Streichern. Danger Dan hat auf dem Album mit der befreundete Künstlerin Mine gearbeitet: „Mine ist Musikerin, Multiinstrumentalistin, Songschreiberin, sie hat zum Beispiel den Musikautor*innen Preis der GEMA gewonnen für ihre Texte. Sie schreibt auch wirklich toll. Sie ist so wie ich in dem Song ‚Trotzdem‘. Alles was ich kann, kann sie noch besser. Deswegen habe ich sie auch irgendwann angerufen und gesagt, du kannst doch Streicher arrangieren und sie war sofort Feuer und Flamme. Sie ist im wahrsten Sinne des Wortes ‚intellektuell‘. Sie spricht nämlich die Sprache der klassischen Musiker, sie kann Notensätze schreiben und sie kann gleichzeitig mit mir, dem Autodidakten, der von Noten überhaupt keine Ahnung hat, so sprechen, dass sie als Übersetzerin agieren kann. Sie hat richtig rausgefunden, was ich mir wünsche und wie ich mir das vorstelle und hat das dann so übersetzt, dass es am Ende auch umsetzbar war! Ich hoffe, dass ich noch viel öfter Streicher mit ihr arrangieren kann.“

Opener-Songs und Schluss-Songs sind auf einem Album immer ein Statement. „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ beginnt mit dem Song „Lauf davon“ und endet mit „Beginne jeden Tag mit einem Lächeln“ Wer glaubt, dass die romantischen Ideen vom Album in einer Kitsch-Orgie enden, irrt. Irrt sehr. Beim letzten Song regiert nämlich das Chaos. Der Text ist eine Aneinanderreihung von stumpfen Small-Talk-Ratschlägen und Kalendersprüchen, von denen Danger Dan sagt, dass sie in emotionalen Ausnahmezuständen keinen Trost spenden. „Der Sinn des Lebens ist das Leben und die Liebe“ wird hier geschrien. Ein unglaublich schönes Album voller Wahrheiten.

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