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Keine one-trick-ponies!

Von wegen: Und jetzt das ganze nochmal von vorne! In der heutigen Folge des FM4 Filmpodcast geht es um sogenannte „One Shot Filme“, Filme, die in einem Take gedreht worden sind - und um die, die so tun.

Von Pia Reiser

Orson Welles, der immerhin auch noch Jahrzehnte nach seinem Tod als Regie-Wunderkind gefeiert wird, hielt die Idee der Filmregie für eine Erfindung der Filmkritik. „The whole eloquence of cinema“, so Welles, „is achieved in the editing room“.

Eloquenz Schmeloquenz, denkt sich der russische Regisseur Aleksandr Sokurov Ende der 90er Jahre, als er die Idee zu einem Film ohne Schnitt hat. „I am sick of editing“, so zitiert das Presseheft zum Film „Russian Ark“ den Regisseur. Im Film aus dem Jahr 2002 geht und walzert man mit der Kamera - und einer Erzählstimme aus dem Off - durch die Eremitage in St. Petersburg, es wird ein Spaziergang durch 300 Jahre russische Geschichte, verkörpert von 3000 StatistInnen in historischen Kostümen. Opulenz und Bildgewalt, die dadurch verstärkt wird, dass „Russian Ark“ aus einem 87-minutenlangen Take besteht. Für die Aufnahme gab es nur einen Tag Zeit, möglich machte das - neben intensiver und genauer Vorbereitung und Proben - die Technik, genauer: Camcorder und Steadicam.

Szenenbild "Russian Ark"

Ailve

„Russian Ark“

Vor 1975 war die Beweglichkeit der Kamera noch recht eingeschränkt, wer sie von einem fixen Standort lösen wollte, wer ein Bild wollte, das sich abseits von Schwenk und Zoom bewegt, brauchte ein Dolly auf Schienen oder Kräne. Im Jahr 1975 entwickelt Kameramann Garrett Brown etwas, das die visuelle Erzählweise revolutionieren wird: Die Steadicam, ein Halterungssystem, das es dem Kameramann ermöglicht, sich zu bewegen - ohne, die Bilder zu „verwackeln“. Brown probiert die Steadicam mit seiner Freundin auf den Treppen des Kunstmuseums in Philadelphia aus - nur ein paar Jahre später wird Silvester Stallones Lauf über diese Treppen in „Rocky“ zu einer der einprägsamsten Steadicam-Szenen der Filmgeschichte.

Doch vor der Verfügbarkeit von Digitalkameras wäre auch mit einer Steadicam ein Vorhaben wie „Russian Ark“ nicht möglich gewesen. Als Alfred Hitchcock 1948 einen Film in einem Take drehen will, muss er schummeln. Zehn Minuten kann man mit einer 35-Millimeter-Kamera am Stück aufnehmen, neben fünf sogenannten „hard cuts“ entscheidet sich Hitchock in „Rope“ fünfmal für ein dezentes dissolve, die Kamera fährt z.B. auf den Rücken einer Figur zu, bis das Bild komplett ausgefüllt ist - hier passiert dann der Schnitt bzw. der Rollenwechsel - und dann fährt die Kamera aus dieser Position wieder raus. „Rope“ dreht sich um zwei junge Männer, die einen Mitstudenten ermorden und seine Leiche in einer großen Truhe in ihrer Wohnung verstecken. Im Anschluss an den Mord laden sie u.a. die Eltern des Ermordeten in die Wohnung zu einem kleinen Cocktailempfang ein. Mord passiert hier nicht im Affekt oder aus Motiven wie Gier oder Rache. Brandon und Philipp sehen Mord als Kunst, sie sehen sich außerdem als überlegen an und somit sei es ihnen erlaubt, andere Menschen umzubringen.

Szenenbild "Rope"

Universal

„Rope“

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Der FM4 Film Podcast läuft am Montag um Mitternacht auf Radio FM4 und ist auch in der Radiothek verfügbar.

Hitchcock gefiel die Idee, den ganzen Film über im gleichen Raum mit der Leiche zu sein. Die Möbel und Wände am Set waren beweglich, die Kamera war ein Dolly, die SchauspielerInnen mussten sich ganz genau an Markierungen halten und aufpassen, nicht über Kabel und Dollyschienen zu stolpern. Während einem Hitchock in „Rope“ in einem New Yorker Apartment einsperrt und die Klaustrophobie und Beklemmung zu seinen Gunsten nutzt, schickt und Regisseur Sebastian Schipper mit seinem Film „Victoria“ aus dem Jahr 2105 hinaus in die Nacht.

In Clubs und auf Dächer, in Tiefgaragen, Autos, Wohnungen und Hotels. Wie „Russian Ark“ ist auch „Victoria“ ein Film, der tatsächlich in einem Take gedreht worden ist. Die junge Spanierin Victoria „Laia Costa“ lernt frühmorgens in einem Club einen jungen Mann namens Sonne (Frederik Lau) kennen und zieht mit ihm und seinen Freunden noch ein bisschen um die Häuser. Einen Bierklau beim Späti und ein bisschen Gequatsche am Dach später ist sie auch schon die Fluchtwagenfahrerin bei einem Banküberfall.

Dreimal wurde der Film gedreht, der dritte Take ist der, der in die Kinos gekommen ist, der Name des Kameramanns Sturla Brandth Grøvlen wird als erstes im Abspann genannt. „Victoria“ ist aufregend, rau und herzklopfend. Obwohl man beim Filmschauen ja schon weiß, dass das Unterfangen mit dem „einen Take“ gelungen ist, kommt mindestens ein Drittel des Herzklopfens daher, dass man es immer noch nicht ganz glauben kann, dass es geklappt hat.

Szenenbild "Victoria"

One Wild Bunch

„Victoria“

Um „Victoria“, „Rope“, „Russian Ark“, „1917“ und „Birdman“ - also echte und nicht ganz echte One-Shot-Filme geht es heute Mitternacht im FM4 Filmpodcast. Der übrigens auch ganz in einem Take aufgenommen worden ist.

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