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Screenshot aus dem Game Insurmountable

Screenshot Insurmountable

„Insurmountable“: Kann Bergsteigen als Computerspiel funktionieren?

Im Adventure-Rogue-Like-Game „Insurmountable“ müssen gewaltige Berge bestiegen werden, als Solo-Kletter*in, und von Wind und Wetter geplagt. Wie gut funktioniert Bergsteigen als Game und kann es auch Real-Life-Kletter*innen überzeugen?

Von Simon Welebil

Drei verschiedene Charaktere stehen am Beginn von „Insurmountable“ zur Auswahl: eine Abenteuerin, ein Wissenschaftler und ein Journalist. Alle haben sie unterschiedliche (Spezial-)Fähigkeiten und sind unterschiedlich für ihr Bergabenteuer ausgerüstet.

Aus naheliegenden Gründen wähle ich für den ersten Durchgang den Journalisten aus, der allerdings mit einer recht klischeehaften Kurzbio glänzt. „Immer auf der Suche nach Wahrheit eilst du von Krisenregion zu Krisenregion. Kein Brennpunkt ist dir zu gefährlich, keine Geschichte zu heiß. Wer, wenn nicht du, kann die einfachen Leute über die Machenschaften der Eliten aufklären?", heißt es im Intro.

Pulitzer-Preis als Motivation

Ich habe von einer verborgenen Insel gehört, auf der eine Besatzungsmacht im hohen Gebirge geheime Experimente durchgeführt hätte, eine pulitzerpreiswürdige Geschichte.

Screenshot aus dem Game Insurmountable

Screenshot Insurmountable

Ich muss zum Gipfel, um mir den Pulitzer-Preis abzuholen. Na dann!

Dementsprechend motiviert starte ich meine Mission. Mein Ziel, der erste Gipfel, ist ziemlich weit entfernt. Dazwischen liegen jede Menge sechseckiger Felder aus Fels, Schnee oder Eis, die sich mehr oder weniger steil auftürmen. Über sie muss ich meinen Weg finden und dabei stets vier Statuswerte im Auge behalten: meine Energie, meine Körpertemperatur, meinen Sauerstoff und meine geistige Gesundheit. Geht einer dieser Werte ins Negative, geht’s auch mit meiner Gesundheit bergab, bis ich schließlich als Leiche am Berg verbleibe und wieder von vorne beginnen muss, in einer neu generierten Umgebung - speichern gibt’s bei diesem Rogue-Like-Game nicht.

Screenshot aus dem Game Insurmountable

Screenshot Insurmountable

Die Nordlichter über dem Gipfel zeigen mir mein Ziel an.

No risk no fun

Um dennoch möglichst unbeschadet auf den Gipfel zu kommen, gibt’s Ausrüstung wie Felspickel, Kappen oder Handschuhe und Verpflegung wie Konservendosen oder Tee, die man in Ereignisfeldern abstauben kann. Sie zwingen mich aber auch immer wieder zu Entscheidungen, die unangenehm enden können. Will ich den selbstgebrannten Schnaps einer Guppe Einheimischer probieren oder Leichen mit schwarzen Flecken untersuchen?

Zumindest Erfahrung ist mir bei Ereignisfeldern immer sicher, und Erfahrungspunkte kann ich nach jedem Level-Up dann in verbesserte Skills investieren, wie schnelleres Klettern oder weniger Kälteempfindlichkeit. Da Ereignisfelder aber nicht unbedingt auf dem schnellsten Weg zum Gipfel liegen, und jeder Umweg potentiell tödlich enden kann, genauso wie ein Kaltwettereinbruch oder ein falscher Tritt auf unsicherem Terrain, gilt es immer abzuwägen, ob man da unbedingt hin muss.

Screenshot aus dem Game Insurmountable

Screenshot Insurmountable

Will ich die Leichen mit den schwarzen Flecken untersuchen? Und seit wann gibt’s am Gletscher Schwärme von Fliegen?

Kein wirkliches Bergsteigen, wenigstens ein gutes Game?

Wahres Bergsteigen zu simulieren hatte „Insurmountable“ wahrscheinlich nie vor, dass aber dass die Charaktere dermaßen unvorbereitet auf Tour geschickt werden, dass sie hoffen müssen, in verlassenen Zelten volle Sauerstoffflaschen vorzufinden, um ihr Ziel zu erreichen, ist schon ein wenig absurd. Auch viele inhaltliche und textliche Fehler nerven. So ist es nicht wirklich zu verstehen, dass die „Todeszone", in der sich Menschen nicht mehr dauerhaft aufhalten können“, im Game auf 6.000m beginnt, statt wie auf 7.000m wie in der Realität, oder dass in einem Event-Insert von einem Schwarm fliegen zu lesen ist, der über einem Graben steht (sic!), während man das Bild einer Eisleiche sieht.

Schlimmer ist aber, dass das Game schnell langweilig wird. Ich bin die einzige Figur am Berg, andere Personen gibt’s nur in Textform auf Ereignisfeldern, die gleichen sich und wiederholen sich mit der Zeit. Klettern verlangt auch keine Leistung, etwa geschickte Tastenabfolgen oder -kombinationen, sondern nur einen einzigen Mausklick. Und die an den Haaren herbeigezogene Hintergrundstory schafft es auch nicht, das Game zu tragen. Am ersten Gipfel angelangt bringt das aufpoppende Textfenster etwa weder Anerkennung, Erkenntnis oder Glücksgefühle: „Du musst deine Gedanken sortieren, als du auf dem Gipfel stehst und deinen Blick schweifen lässt. Was du bisher gesehen und erlebt hast, wirft mehr Fragen auf als Antworten. Natürlich hast du nicht damit gerechnet, hier oben Erklärungen zu finden, wer die Besatzer waren – oder Beweise für ihre dunklen Machenschaften. Aber nichts als Fels, Schnee und Eis? Das ist schon etwas enttäuschend.“

Screenshot aus dem Game Insurmountable

Screenshot Insurmountable

Das finde ich auch. Zumindest überlebe ich die erste Tour, wenn auch mit erfrorenen Zehen. Zwei weitere Berge stehen mir in der Hauptstory noch bevor, doch die können mir gestohlen bleiben, genauso wie der Pulitzer Preis.

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