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Die Serie „Them“: Der blanke Terror des Rassismus

Wie nähert man sich der gezielten Gewalt gegen people of color auf filmische Weise? Die Serie „Them“ und ihre afroamerikanischen Macher versuchen es mit Schocktaktiken.

Von Christian Fuchs

Es war unlängst wieder einer dieser ernüchternden Momente. Die Marvelserie „The Falcon and the Winter Soldier“ stürzte sich explizit auf das Thema des Rassismus. In der vorletzten Folge begegnen wir einem ausgemusterten alten (Super-)Soldaten, der wegen seiner Hautfarbe Opfer heftiger Diskriminierungen wurde. Das Avengers-Mitglied Falcon (Anthony Mackie) erfährt in einem beklemmenden Gespräch vom Rassismus innerhalb der Geheimdienstzirkel.

Aber die finale Episode zerstört diese beklemmende Stimmung wieder. Statt ernsthafter Konfrontation mit der Frage „Erlaubt die weiße Welt einen schwarzen Captain America?“ dominiert ein Humanismus, der aus einer Soap Opera stammen könnte. Ein paar diplomatische Zugeständnisse reichen für ein comichaftes Happy End. Wobei es letztlich ohnehin nur um die üblichen Vernetzungen im Marvel Cinematic Universe geht, um gezielten Fanservice und aufgeblasene Action.

The Falcon and the Wintersoldier

Marvel

„The Falcon and the Wintersoldier“

Düsteres Kapitel der amerikanischen Geschichte

Die Hoffnung, dass in Hollywood echte Veränderungen passieren, abseits von kommerziell motivierten Diversity-Zugeständnissen, lebt aber. Regisseur Barry Jenkins verspricht mit seiner Miniserie „The Underground Railroad“ demnächst eine aufwühlende und akribische Aufarbeitung der Schrecken der Slaverei, im Auftrag von Amazon Prime.

Beim selben Streaminganbieter kann man derzeit auch die erste Staffel einer neuen Anthologieserie sehen, die den Slogan „Black Lives Matter“ auf provokante Weise aufgreift. „Them“ verdankt sich wohl dem Erfolg von Regisseur und Autor Jordan Peele und Filmen wie „Get Out“ oder „Us“, die Genreansätze und Politik geschickt verknüpften.

Im Zuge des Trends zum New Black Horror greifen die Macher*innen ein besonders düsteres Kapitel der amerikanischen Geschichte auf. 6 Millionen Afroamerikaner und Afroamerikanerinnen verlassen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Südstaaten der USA, um sich in anderen Gegenden des Landes niederzulassen. Besonders nach Kalifornien zieht es im Laufe der Great Migration zahlreiche schwarze Familien. Dort lauert der Rassismus aber in anderer Gestalt.

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Blanker Terror in der Vorstadt

Auch wenn „Them“ mit sonnenverbrannten Bildern beginnt, die beinahe an Werbespots erinnern, ist die Idylle also trügerisch. Zuerst sehen wir ein Farmhaus im amerikanischen Süden, eine afroamerikanische Frau erlebt eine bedrohliche Begegnung mit einer Redneck-Frau, deren wahre Tragweite erst später enthüllt wird.

Dann sitzt Lucky Emory (mitreißend: Deborah Ayorinde) mit ihrem Ehemann Henry (der fantastische Ashley Thomas) und ihrem Töchtern in einem Auto, die Provinz weicht der Großstadt, ein Haus in sonnigen Los Angeles wird gekauft, im Stadtteil Compton. Dort erhofft sich die Familie endlich durchatmen zu können, aber blanker Terror wartet auch in den gepflegten Suburbs.

Im Hip Hop hat Compton einen mythischen Status, als black neighbourhood, in der es oft sehr rau zugeht. 1953, das Jahr in dem die Serie „Them“ spielt, zeigt den Stadtteil von einer anderen Seite. Compton ist damals eine weiße Mittelklasse-Gegend. Die spießigen Bewohner*innen sind alles andere als erfreut von ihren neuen schwarzen Nachbarn. Alison Pill spielt over the top die Anführerin des gutsituierten Fascho-Mobs, der die Emorys mit allen Mitteln vertreiben will.

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Sadistischer Furor, stylish umgesetzt

Das N-Wort fällt in den ersten Folgen öfter als in manchen Tarantino-Filmen, gehässige Bemerkungen und böse Witze verwandeln sich aber bald in ein Inferno der Gewalt. Das klingt heftig, aber „Them“ steigert das rassistische Grauen tatsächlich drastisch. 10 Episoden lang währt der Schrecken, ein endloser Reigen der Erniedrigungen und Misshandlungen. Wenn in einer Rückblende der brutale Mord an einem Baby gezeigt wird, in Kombination mit einer Vergewaltigung, sitzt man nur mehr fassungslos vor dem Bildschirm.

Zum realen Horror kommt aber noch das Übernatürliche. Denn im Wohnsitz der Famile Emery spukt es. Wie im (ungleich empfehlenswerteren) Spielfilm „His House“ scheinen sogar die Gespenster vom Hass motiviert, es gibt keinen Ausweg für Lucky, Henry und ihre Kinder.

Was will „Them“ eigentlich, fragt man sich irgendwann inmitten des Marathon-Martyriums. Die afroamerikanischen Macher, Series-Runner Little Marvin und Coproduzentin Lena Waithe, sehen den Schockfaktor im Sinne einer radikalen Aufklärung. Amerika in den 50er Jahren war eine rassistische Hölle, betonen sie, die Gegenwart sei aber noch immer schlimm genug.

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Aber ist „Them“ wirklich ein Statement im Sinne von Black Lives Matter? Der sadistische Furor der einzelnen Folgen wirkt alles andere als ermächtigend. Die emotionale Katharsis von Filmen wie „Antebellum“ fehlt. Die stylische Kamera und die ironische Musik - Stilmittel, die an die zwiespältigen Serien von Ryan Murphy erinnern - sorgen für Distanz.

Diese spezielle „American Horror Story“ ist vor allem von den klugen Werken eines Jordan Peele weit weg. „Them“ passt eher in die Torture Porn Schublade - intelligenter New Black Horror sieht anders aus.

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