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Nach der Pandemie: Berühmt werden ohne Livekonzerte.

Die Musikmanagerin Annemarie Reisinger-Treiber und ihre Gedanken zur Frage wie Musiker*innen in Zukunft (vielleicht)„entdeckt“ werden.

Von Susi Ondrušová

Es gibt kein richtig und kein falsch, aber unterschiedliche Menschen haben unterschiedliche Vorstellungen davon wie ihre Arbeit, zum Beispiel in der Musikbranche, nach der Pandemie ausschauen wird. Vielleicht wird es ein „back to normal“, Musik wird es immer geben, aber was bedeutet das eigentlich, dass sich Bands nun schon seit über einem Jahr nicht vor Publikum auf Tour präsentieren können? Das schmerzt wirtschaftlich, ergibt ein Loch im Lebenslauf und die Band-Karriere ist „on hold“.

Der „klassische“ Weg

Das Album ist in den letzten Jahren zur Visitenkarte für eine Tour geworden. Der „klassische“ Band-Karriere-Kreislauf vor Corona war nämlich so: als junge aufstrebende Band erspiel ich mir ein lokales Publikum, versuche mit größeren Bands als Support auf Tour zu gehen um neues Publikum für meine Band zu gewinnen, spiele die Nachmittagsslots auf Festivals, wenn das Publikum wächst belege ich größere Clubs, kann für größere Acts bei Hallenshows mitfahren, bald schon bin ich nicht mehr die Nachmittagsband sondern spiele die Sonnenuntergangs-Slots auf Festivals oder bin selber Headliner geworden, falls ich mit meiner Musik und den erfolgreichen Konzerten mein Publikum vergrößern kann. Solche Karrieren nennt Annemarie Reisinger-Treiber langlebiger „als wenn man es nur in der virtuellen Welt schafft“.

Annemarie Reisinger-Treiber

Johannes Reisinger-Treiber

Die Managerin Annemarie Reisinger-Treiber hat in Wien Publizistik und in Sydney Arts Management studiert. Sie war knapp 7 Jahre bei Warner Music Austria in der Promotion und im Marketing tätig und hat mit Acts wie Michael Bublé, Ed Sheeran oder Portugal. The Man zusammengearbeitet. Seit zwei Jahren betreibt sie gemeinsam mit Klaus Hoffmann die Wiener Agentur Parramatta und kümmert sich um Musik Management, Promotion und Label. Parramata betreut in Österreich u.a. Ina Regen, James Hersey, Hearts Hearts, Oska.

Eine Band wie Portugal The Man hat in den Jahren 2007 bis 2009 zwischen 110-160 Gigs gespielt. Pro Jahr! Reisetage mitgedacht war die Band mindestens die Hälfte des Jahres on the road. Aufbauarbeit. Dann kam ihr Sleeper-Hit „Feel It Still“ und 2018 also „ihr“ Grammy. Annemarie Reisinger-Treiber hat in ihrer Zeit bei Warner Music Austria mit Bands wie Portugal The Man gearbeitet und hat in Österreich auch Ed Sheeran von seiner ersten Veröffentlichung bis zu ausverkauften Stadion Konzerten betreut und begleitet.

Feed the beast

Wie sieht sie ihre Rolle als Musikmanagerin aktuell und welche Herausforderungen stellen sich für sie um neue Talente zu finden? Für Annemarie Reisinger-Treiber geht es vermehrt um „emotionales Hören“ Denn ein recht banaler, aber wichtiger Schlüssel für ihre Arbeit ist: Die Musik muss gut sein.

„Musik muss da sein! Es muss von den Künstler*innen selber schon ein Werk da sein, mit dem sie sich wohlfühlen, mit dem sie arbeiten möchten. Und dann beginnt man mal zu überlegen. Wie möchte man das denn veröffentlichen? Wie kann ich es überhaupt veröffentlichen?“ Ohne Social Media Präsenz oder einem Plan mit welchen Tools und auf welchen Plattformen man sich online präsentiert will, wird es schwierig. Social Media ist Fluch und Segen zugleich denn es ist zeitintensiv und man muss sich überlegen wieviel und auf welche Art man überhaupt etwas von sich preisgeben möchte. Vor allem wenn man in klassischen Medien wie Print, Radio oder TV wenig Beachtung und Platz findet. „Und natürlich versuchen zu veröffentlichen. So viel es geht. Um dieses „Beast“, Spotify und Co, irgendwie zu füttern!“

Ein schwieriges Unterfangen ist es hier im Algorithmus aufzufallen. Während 2019 auf Spotify knapp 40.000 neue Songs hochgeladen wurden, ist diese Zahl 2021 auf 60.000 gestiegen. User Zuwachs rechnet man aber auch der Podcast-Initiative zu, Spotify zB hat viel (sehr viel) Geld investiert um sich in Zukunft als „netflix for audio“ zu etablieren und seine Hörerschaft so zu locken und zu binden. Wie viel Geld Musiker*innen mit Streaming verdient? Lächerlich außer du bist ein Pop Star. Bitte: hier mehr über die #brokenrecord Initiative und hier beschreibt die NY Times warum sich Musikindustrie verändern muss.

Talente vorhersehen, Szenen beleuchten, Acts eine Bühne bieten und sie für die verschiedenen Stadien ihrer Karrieren vorbereiten und dabei begleiten ist nicht die Aufgabe einer einzelnen Person sondern funktioniert als Zusammenspiel vieler Mitwirkender. Glück und Zufall mal bei Seite gelassen geht es in der Pandemie und auch danach darum, dass Manager*innen genauso wie Labelbetreiber*innen oder Booker*innen nach diesen konzertfreien Monaten ihre Fühler mehr denn je ausstrecken und ihr Gespür unter Beweis stellen: welchem Act traut man Großes zu und in wen „investiert“ man?

Annemarie Reisinger-Treibers Job in diesem Zusammenspiel ist die Aufbauarbeit mit österreichischen Newcomer-Acts. Sie betreut die frisch gekürten FM4 Award Gewinner Hearts Hearts.

Vor kurzem hat sie erstmals eine Künstlerin unter Vertrag genommen, die sie bislang nur online kennenlernen konnte: „Da war wirklich nur die Musik da. Und ein Musikvideo. Und wir haben einfach gesagt Okay, das hat uns auf irgendeine Art und Weise so berührt, dass wir zugreifen müssen. Ich glaube, dass dieses „emotionale Hören“ wie ich manchmal ganz gerne sage wenn es um Musik geht, das muss man jetzt versuchen, noch irgendwie stärker zu forcieren, damit man Musik irgendwie raus hören kann, mit der man arbeiten möchte und wo man einfach dran glaubt. Das könnte mal ganz, ganz groß werden! Früher war es so, dass man gesagt hat ich geh vielleicht doch noch vorher einmal auf ein Konzert, wenn der oder diejenige spielt und dann weiß ich, möchte ich mit ihr oder ihm zusammenarbeiten oder nicht. Aber es ist halt ein Faktor, der leider da wegbricht und den man irgendwie kompensieren muss. Und das funktioniert für mich jetzt, wenn jemand wahnsinnig gute Songs schreibt.“

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