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Filmstills aus "The United States vs Billie Holiday"

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„The United States vs. Billie Holiday“ - ein unbefriedigender Trip

Als Teufelszeug galt der Jazz in seinen Frühzeiten. Eine kräftige Dosis Rassismus immer dabei. Der Film „The United States vs. Billie Holiday“ ist ein Porträt einer seiner berühmtesten Vertreterinnen, der früh an Drogenmissbrauch verstorbenen Billie Holiday. Die R&B-Sängerin Andra Day spielt die Hauptrolle und hat dafür eine Oscarnominierung bekommen. Sie ist das Beste am Film.

Von Anna Katharina Laggner

Schon in der ersten Szene des Films fragt man sich: Wer ist dieser schmierige weiße Mann, der ausschaut wie eine Frau und der müden Sängerin gegen Ende ihres kurzen Lebens übergriffige Fragen stellt? Der Mann nennt sich Reginald Lord Devine, er ist Radiomoderator. In Wirklichkeit gab es ihn allerdings nicht. So wird es weitergehen, den ganzen Film lang, immer wieder fragt man sich, wer ist diese Person eigentlich, hat sie einen realen Hintergrund und wenn ja, welchen? Was stimmt an dieser Geschichte, und was nicht?

Es könnte unerheblich sein, ob die Geschichte wahr ist oder nicht, immerhin handelt es sich um einen Spielfilm. Aber der Film selbst suggeriert eine reale Basis und ein politisches Anliegen: Er beginnt mit dem Bild einer Menschenverbrennung und der schriftlichen Information, dass der US-amerikanische Senat im Jahr 1937 versucht hat, ein Gesetz zu verabschieden, das den Lynchmord an Afroamerikanern beendet. Das Gesetz wurde nicht verabschiedet, erfahren wir, und dass Billie Holiday auch dank der Performance des Songs „Strange Fruit“ zur Legende wurde.

Filmstills aus "The United States vs Billie Holiday"

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„Strange Fruit“ ist ursprünglich ein Gedicht - „Bitter Fruit“ - geschrieben vom jüdisch-amerikanischen Autor Abel Meeropol unter dem Eindruck von Photographien eines Lynchmordes. Heute zählt „Strange Fruit“ zu einem der berühmtesten Anti-Rassismus-Lieder, wird immer wieder in Zusammenhang mit dem Civil Rights Movement gebracht, das 20 Jahre nach Billie Holidays Performance seine Hochphase hatte und, wie wir wissen, eine bis heute nicht vollständig erfüllte Forderung formulierte: die reale politische und soziale Gleichstellung der Afroamerikaner. Hier ein BBC-Artikel über „Strange Fruit“.

Der Plot von „The US versus Billie Holiday“ ist schnell erzählt: Es sind die späten 1930er-Jahre, das offizielle Amerika will nicht, dass das Publikum den Song „Strange Fruit“ hört. Allerdings kann man Billie Holiday nicht gut am Singen eines Liedes hindern. So stellt ihr die Polizei Fallen, um sie des Drogenmissbrauchs zu überführen. Mit Erfolg. Dabei geht der Film so weit, dass er Billie Holiday eine Beziehung mit einem Polizisten andichtet, konkret mit Jimmy Fletcher, der erste afroamerikanische Bundespolizist, zumindest im Film. Wahr oder falsch? Weiß man nicht. Aber der Film hat einem schon wieder einen Rechercheauftrag umgehängt.

Filmstills aus "The United States vs Billie Holiday"

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Einige Figuren im Film bleiben trotz ihrer Dauerpräsenz derart vage, dass man sich fragt, was machen die da überhaupt? Es sind tendenziell die Frauen: eine weiße Schauspielerin, mit der Billie Holiday ein Verhältnis hat; eine Afroamerikanerin mit Augenbinde, die an ihrer Seite ist, wenn der geliebte Hund stirbt, sie auf Tour ist oder vor Gericht verurteilt wird.

Die Sängerin Andra Day leiht Billie Holiday ihre schöne Stimme, interpretiert ihre Songs neu und stellt diese Legende als nur durch Substanzen zu zähmende Kraft- und Wutmaschine dar. Day gelingt die Kunst, sämtliche Behauptungen, die ihr das Drehbuch spontan umhängt, glaubhaft umzusetzen, etwa eine ebenso unwürdige wie sinnlose Sexszene mit dem Verräter Jimmy Fletcher.

Andra Day hat keine Chance, den Film zu retten. Einen Film, der dramaturgisch derart neben der Spur ist, dass man sich manchmal nicht sicher ist, ob eine Szene ein Flashback ist und in welchem Jetzt man sich gerade befindet. Und der nicht einmal vor einem Schnelldurchlauf zurückschreckt: Bei der dritten (oder ist es die vierte?) Verhaftung von Billie Holiday wird einfach auf Fast Forward umgeschaltet. „The United States vs. Billie Holiday“ ist, um bei den Drogen zu bleiben, ein gänzlich unbefriedigender Trip. Aber zumindest kann man, wenn man all die indirekt formulierten Rechercheaufträge annimmt, einiges lernen.

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