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Game: „The Invisible Hand“ – Wenn Moral dem Profit im Weg steht

„The Invisible Hand“ zeigt mit viel dunklem Humor die Schattenseiten der Börse. Das Game macht sich über die abgehobene Finanzwelt lustig und zeigt, wie es ist, in einer Firma zu arbeiten, in der kein Mittel zu schmutzig oder zu unmoralisch ist, um Profit zu erwirtschaften.

Von David Riegler

Die Gaming-Szene hat spätestens seit dem GameStop-Coup Anfang des Jahres bewiesen, dass sie auf dem Schirm hat, was an der Börse passiert. Tausende Reddit-User*innen haben sich ein Kräftemessen mit großen Investorengruppen geliefert, die mit dem schlechten Kurs des Videospielunternehmens Geld mittels Leerverkäufen machen wollten. Irgendwann gab es die GameStop-Aktien dann nicht mehr zu kaufen, doch es war ein klarer Erfolg einer Community, die gezeigt hat, dass es auch für große Finanzunternehmen Grenzen gibt.

Arbeitsplatz im Spiel

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Der Einstieg in die kalte Finanzwelt

Das Spiel „The Invisible Hand“ wurde schon einige Zeit davor entwickelt, doch es erscheint genau im richtigen Moment und trifft einen Nerv in der Gaming-Community. Dieses Spiel ist eine erbarmungslose Parodie auf das teilweise skrupellose Vorgehen mancher Finanzunternehmen. Schon der Titel macht sich über liberale Wirtschaftstheorien lustig: Die unsichtbare Hand, die dem Spiel seinen Namen gibt, ist ein marktwirtschaftlicher Mythos, der besagt, der Markt reguliere sich selbst und eigennütziges Handeln würde durch eine unsichtbare Hand des Marktes für mehr Allgemeinwohl sorgen. Im Spiel wird schnell klar – solche Theorien sind oft nur Ausreden, um die brutalen Methoden zu rechtfertigen, die eingesetzt werden um Gewinne zu maximieren.

„The Invisible Hand“ wurde von Power Struggle Games entwickelt und von Fellow Traveller veröffentlicht. Es ist für Windows PC erhältlich.

An unserem ersten Arbeitstag im fiktiven Unternehmen Ferios lernen wir schnell die Grundlagen der Börse kennen: Kaufen, wenn der Kurs niedrig ist und verkaufen, wenn er hoch ist. Wir handeln dabei mit Papieren, die dubiose Namen haben wie Krieg, Ökosystem oder Kaffee. Auf vier Screens beobachten wir die Kursentwicklung und beginnen langsam unser Kapital in verschiedene Wertpapiere zu stecken, was auch schnell zu kleinen Erfolgen führt. Große Hilfen sind dabei Prognosen über die Entwicklung der Kurse und vor allem die illegalen Infos aus dem Darknet. Offiziell dürfen wir sie nicht nutzen, doch eine Kollegin macht uns darauf aufmerksam, dass man auch auf solche Mittel zurückgreifen muss, wenn man sich gegen die harte Konkurrenz durchsetzen will.

Bild einer Kollegin im Spiel

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Der harte Arbeitsalltag im Großraumbüro

Ganz nebenbei entlarvt das Spiel die toxische Firmenkultur, die entsteht, wenn ein Unternehmen die Profite auf Kosten der Moral an erste Stelle stellt. Der Druck auf die Angestellten ist enorm und die Menschen, die neben uns im grauen Großraumbüro arbeiten, werden andauernd angeschrien, beleidigt und manchmal mitten am Tag rausgeworfen. Der eigene Arbeitsplatz darf zwar dekoriert werden, doch auch diese Form des individuellen Ausdrucks wird vom Chef nicht gerne gesehen. Geselliges Beisammensein gibt es nur, wenn genug Profit erwirtschaftet wird, und auch dann hört man nur billige Floskeln, Angebereien oder Beschwerden über die Arbeit von den Kolleg*innen.

Wir fügen uns in den Kreislauf der Finanzwelt ein und versuchen, die richtig großen Gewinne zu erzielen, doch das geht nur mit Methoden, bei denen wir immer wieder auf der Grenze zur Wirtschaftskriminalität seiltanzen. Manchmal kann man gezielt Lobbyisten bezahlen, die den Markt in unserem Interesse manipulieren, ab und zu muss man aber auch zu drastischeren Mitteln greifen. Dabei ist kein Mittel zu schmutzig. Irgendwann manipulieren wir die Währungen anderer Staaten, um damit die Importe für Unternehmen zu erleichtern, bei denen wir Anteile haben. Auch die Verknappung von Gütern, zum Beispiel Lebensmitteln, kann helfen, den Kurs zu unseren Gunsten zu drehen. Die Moral darf dem Profit niemals im Weg stehen.

Bild vom Aktienkurs am Screen

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Geld macht unantastbar

Unser Unternehmen Ferios ist stolz darauf, dass noch nie jemand verurteilt wurde. Egal was wir machen, mit genügend Geld ist man im kapitalistischen System unbesiegbar. Eine Horde an Anwält*innen verteidigt uns notfalls und auch die Polizei gibt sich mit Bestechungen und Anteilen zufrieden. Eine Untersuchung der Finanzbehörde macht hier niemanden nervös. „The Invisible Hand“ zeigt eine völlig abgehobene Finanzwelt, die stark überzeichnet ist und für Profite über Leichen geht. Es ist mehr ein satirischer Kommentar als ein klassisches Spiel, weil das Gameplay sehr simpel gehalten ist und wir auch kaum Möglichkeiten haben, zu agieren. Ab und zu entstehen Lücken in der Logik, weil unsere Entscheidungen die Story kein bisschen verändern, es ist im Grunde egal, was wir klicken. Die meiste Zeit im Spiel liest man die Untertitel mit, weil es keine Synchro gibt, darum können die Witze manchmal recht trocken werden. In den meisten Fällen funktioniert die Ironie jedoch punktgenau und man verzeiht dem Spiel das etwas langatmige Herumklicken.

Das französische Entwicklerkollektiv Power Struggle Games versucht laut Selbstbeschreibung „auf freche Art und Weise, den Kapitalismus durch Spiele von innen heraus zu demontieren.“ Ob ihnen das gelingt, weiß nur die Zukunft, doch sie treffen mit ihrem Zynismus definitiv Punkte die weh tun, weil sie so wahr sind. Auch wenn die Darstellung bewusst überspitzt ist, zeigt sie eindrucksvoll, wie Profitgier korrumpiert und mit welcher Gleichgültigkeit vor anonymen Bildschirmen über Dinge entschieden wird, die ganze Länder ruinieren können. Die Filmszene hat die Geldgier der Finanzszene schon lange für sich entdeckt, zum Beispiel in „The Wolf of Wall Street“ oder „The Big Short“. Mit den GameStop-Aktien und jetzt auch mit „The Invisible Hand“ ist die Börse endlich in der Gaming-Szene angekommen, und das mit vielen satirischen und gut durchdachten Momenten. Hoffentlich ist das nur der Startschuss für viele Games, die die komplexe und teils brutale Finanzwelt auf den Arm nehmen und damit greifbarer machen.

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