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Performance von Florentina Holzinger mit nackten Frauen und Autos

APA/WIENER FESTWOCHEN/INES BACHER/FRANZI KREIS

Interview

Florentina Holzinger über ihre Festwochen-Intervention mit Soap&Skin

Die Tänzerin und Choreographin Florentina Holzinger hat mit ihrer Intervention bei den Wiener Festwochen für Aufsehen gesorgt. Im Interview erzählt sie einiges zu den Hintergründen.

Von Natalie Brunner

An einem Freitag im Mai werden die Wiener Festwochen eröffnet, so ist das seit 50 Jahren und so war es auch gestern, am 14.5.2021. Publikum war nicht vor Ort, sondern via Livestream und ORF2 von zuhause aus dabei. Und Teil der heurigen Festwocheneröffnung war unter anderem ein orchestriertes Konzert von Soap&Skin mit einer Performance der Choreographin und Tänzerin Florentina Holzinger.

Zu sehen dabei: Über 20 nackte Frauenkörper, die sich in und auf Autowracks bewegen, an deren Unterseite angebunden sind oder miteinander auf LKW-Anhängern kämpfen. Sie haben ein durchaus mitgenommenes Publikum vor den Screens hinterlassen.

Soap&Skin: Sugarbread

Wir haben die Choreographin und Performerin Flroentina Holzinger am Donnerstag vor der Probe ihres Festzuges mit Soap&Skin getroffen, bei dem sie Bezug zu einer Leistungsschau der Gewerbe aus dem Jahr 1929 nimmt.

Natalie Brunner: Ist dein Festzug eigentlich auch eine Art Leistungsschau?

Florentina Holzinger: Der Entwurf hat darauf beruht, dass ich über alte Fotos usw. von diesem Festzug der Gewerbe damals 1929 gestolpert bin und selbst so etwas wie eine Street-Parade machen wollte, mit Hybriden an Menschen und Maschinen, eigentlich mit Autos. Damals ging es stark um die Rhythmik und die Betonung der Qualität und Schönheit der Arbeit. Und das haben wir auf unsere Art und Weise umgesetzt.

Also die Leistung von Maschinen und die Leistung von Frauenkörpern in diesem Fall, oder?

Und auch irgendwie die Arbeit - wenn man nicht annimmt, dass man als Frau geboren ist -, dass man sich doch so etwas wie weibliche Identität erarbeiten kann, eben oder antrainieren oder erkaufen kann. Wir bedienen uns da eben auch dieser Autos und Trucks, die ja doch mega männlich aufgeladene Statussymbole sind und für Fortschritt, Kapitalismus und so weiter stehen. Und auch ein bisschen bei der Ästhetik von Fitness-Studios, wo ja Mensch und Maschine auch sehr symbiotisch unterwegs sind, sich gegenseitig mit Energie speisen, aber eigentlich viel Energie verschwendet wird. Genauso wie auch das Auto und der Mensch so eine Beziehung von Macht und Ohnmacht haben.

Und es wird sehr viel Energie verwendet, um ein Bild zu produzieren, oder um einem Regime von Anforderungen an einen Körper zu entsprechen?

Ich meine, da sollen verschiedenste Assoziationen hochkommen. Es ist ein Training, aber es ist auch eine gewisse Art von Voranschreiten, würde ich sagen.

Es hat sich ja in dem Jahr ziemlich viel geändert in puncto: Wie benutzt man den öffentlichen Raum, wie darf man den öffentlichen Raum benutzen? Was sind Interventionen im öffentlichen Raum? Was sind Demos im öffentlichen Raum? Was bedeutet auch Angst vor zufälligen Aufeinandertreffen von Menschen? Hast du das jetzt quasi für 2021 miteinbeziehen können in diese Inszenierung, in diese Intervention?

An sich war dieser Festzug schon vor Covid konzipiert. Aber das hat sich dann zufällig so ergeben, dass ein Auto ja so einen Sicherheitsabstand in sich darstellt, ein Mensch und eine Maschine und die kommen sich halt nicht zu nah. Ja, wie gesagt, trotzdem ist uns natürlich wegen dem Veranstaltungsverbot nicht erlaubt, das auf die Straße zu bringen und ich meine, es war für mich perfekte Gelegenheit, um Sachen, die ich normalerweise im Theaterraum nicht machen kann, da draußen zu machen. Ich hatte da immer schon voll Bock drauf in Wirklichkeit. Dieses Raus aus dem Theater finde ich eh geil und in der Art und Weise ist es halt wirklich machbar.

Wenn man raus aus dem Theater geht, fallen dann auch quasi Sicherheitsabstände oder vermeintliche Sicherheiten für die Performerinnen weg? Weil ich gehe mal davon aus, dass das Publikum, das zu dir geht, mit Erwartungen hingeht und auch in gewisser Weise vorbereitet ist. Und Passantinnen am Ring wären das wahrscheinlich nicht gewesen, oder Menschen im öffentlichen Raum. Macht das für dich einen Unterschied in der Konzeption?

Ja, macht grundsätzlich schon einen großen Unterschied. Ich sage jetzt, ich hatte da mal Bock, aus dem Theater rauszukommen. Das liegt daran, dass ich auch an den Maschinen interessiert bin. Und im Theater darf man so viel nicht. Aber andererseits bin ich ja ein Fan vom Theater, weil es eben so ein Safe Space ist und weil alle mit ihrem Ticket ja diesen Vertrag unterschrieben haben, dass sie da jetzt hinkommen mit einer gewissen Erwartungshaltung, um das zu sehen und so weiter. Und da ist so ein Konsens vorhanden. Wie du selber sagst. Auf der Straße bittet dann niemand darum, dass Autos an einem vorbeifahren und so weiter. Deswegen finde ich es schon tricky. Und deswegen bin ich gerade noch froh, dass es ein televised Event ist, wo ja auch Leute den Fernseher eingeschaltet haben, um sich das anzuschauen und so weiter. Deswegen ja, es ist irgendwie so ein Mittelweg.

Es ist eine super interessante, sehr komplexe Situation, die wahrscheinlich einmalig ist, weil es ist eine Intervention im öffentlichen Raum. Der öffentliche Raum ist aber jetzt temporär suspendiert. Deshalb wird sie im Fernsehen übertragen. Also das sind ja mehrere Ebenen, die über dich hergefallen sind, wahrscheinlich?

Ja. Und es ist auch interessant, weil das so viele Perspektiven sind. Wir haben da unterschiedlichste Kameras und so weiter. Da ist der ORF, dann ist unser eigenes Kamerateam und so weiter. Dann sind da natürlich die Leute, die irgendwie mitgekriegt haben, dass da am Rathausplatz was passiert und die über den Zaun schauen.

Zu sehen ist Florentina Holzinger feat. Soap&Skin in der ORF TVthek. Die Performance wird außerdem an vier Samstagen im Juni und Juli als Video-Installation durch ausgewählte Orte im Stadtraum wandern.

Du hast von Prothesen gesprochen, von Cyborgs und auch von einer Verschmelzungen von diesen Maschinen, wie es eben mit Autos passiert oder auch in Fitness-Centern. Und es ist ja eine zweischneidige Sache, es ist etwas, was uns leistungsfähiger macht, aber etwas, was uns nicht unbedingt befreit, weil diese Leistungsfähigkeit, die ist meistens nicht zu unserem Gaudium, sondern im Interesse einer Verwertungslogik?

Voll. Dieses Bedürfnis nach dem Fitness-Center, das muss vorangetrieben werden. Aber ich bin ja ein großer Fan von Fitness-Kultur an sich. Das ist auf jeden Fall ein postapokalyptisches Szenario, das wir darstellen. Und ich hoffe, dass da Raum ist für Interpretation. Ich bin da nicht ein Moralapostel, das muss ich sagen.

Dieses Regime der Selbstoptimierung, ist das etwas, was für dich auch beim beim Tanzen zum Tragen kommt? Weil wenn man sich zum Beispiel Ballett ansieht, es sieht ja alles sehr leicht, sehr anmutig aus. Das ist fast schon so wie ein Regime der Anmut, wo man als Zuseherin eben nicht merken soll, was da für Drill, was da für Kraft, was da für wahrscheinlich militärische Strukturen dahinter stecken, oder?

Ja, ich meine - ohne diese Sachen so leichtsinnig verurteilen zu wollen - war’s mir immer ein Anliegen, solche Mechanismen transparent zu machen. Was macht jetzt dieser Körper tatsächlich, um dann so und so auf der Bühne stehen zu können und deswegen dieses Trainingsmomentum darzustellen. Auch die Arbeit des Körpers ist mir durchaus ein Bedürfnis. Das ist ja auch in vielen anderen Shows schon Thema gewesen.

Soap&Skin: Marche Funèbre

Wie ist die Musik und wie ist Soap&Skin in diesen Festzug eingebunden?

Das war komplett spontan. Ich bin ein Fan von Soap&Skin und wir haben wahrscheinlich beide einen gewissen Hang zum Pathos, was so Bühnenentwürfe angeht. Als die Festwochen an mich herangetreten sind, eine Intervention im Konzert zu machen, habe ich gemeint, ob ich das nicht mit Anja machen kann. Und sie hatte dann Bock drauf und wir sind draufgekommen, dass unsere Körper die perfekten Instrumente für sie sein können. Ich instrumentalisiere ja an sich ganz gerne meinen eigenen Körper. Und da ist es halt so, dass so eine depperte Phrase natürlich irgendwie passt. Auch zu uns hat es wie die Faust aufs Auge gepasst.

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