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Tastexponate in der Daueraustellung des Neanderthal Museum Mettmann

Neanderthal Museum Mettmann

Ein Museum in Deutschland leistet Pionierarbeit bei Inklusion

Das Neanderthal Museum bei Düsseldorf ermöglicht blinden und sehbehinderten Menschen - ebenso wie Menschen ohne eingeschränktes Sehvermögen - einen möglichst ergiebigen, zufriedenstellenden Besuch. Das Projekt „NMsee“ ist ein großer Wurf und könnte ein international relevantes Pionierprojekt werden: Es ist eine Mischung aus innovativer Ausstellungsgestaltung und maßgeschneiderter Game-App.

Von Robert Glashüttner

Stellt euch vor, ihr seid blind oder sehbehindert und möchtet in ein Museum gehen. Einerseits bräuchte es dabei eine helfende Person, die euch durch die jeweiligen Ausstellungsräume geleitet und euch sagt, wo ihr gerade seid. Andererseits ist es wichtig, einen guten Audioguide zu haben, der Exponate erklärt, die ihr im besten Fall auch angreifen könnt. All das ist alles andere als selbstverständlich.

Ein sehr ambitioniertes Projekt aus Deutschland möchte hier Pionierarbeit leisten. Es heißt „NMsee“, und das „NM“ steht dabei für Neanderthal Museum in Nordrhein-Westfalen. Dort arbeitet die junge österreichische Archäologin Anna Riethus, die gemeinsam mit der digitalen Design- und Gamesagentur Wegesrand Inklusion für blinde und sehbehinderte Menschen schaffen möchte. Sprich: Diese Menschen sollen nicht bloß eigene, manchmal unzureichende oder oberflächliche Speziallösungen vorgesetzt bekommen (Stichwort Barrierefreiheit). Stattdessen soll mit dem Gesamtpaket „NMsee“ für Menschen mit und ohne Sehbehinderung und blinde Menschen ein gleichermaßen anregendes Museumserlebnis geboten werden.

Tastexponate, Leitsystem, Storytelling

„NMsee“ besteht aus zwei Grundpfeilern: einer ausgeklügelten, inklusiv gestalteten Dauerausstellung und einer App, die Besucher*innen durch das Museum geleitet. Die Dauerausstellung ist mit Tastexponaten, ertastbaren Schildern sowie einem Bodenleitsystem ausgestattet. Quasi lebendig gemacht wird dieses Angebot mit einer Game-App, die nicht nur via Standorterkennung durch die Ausstellungen und die einzelnen Stationen und Exponate führt, sondern auch Storytelling bietet. So hilft man während des Museumsbesuchs der Eiszeitjägerin Nami aus der Steinzeit, die Erinnerungen an ihre letzte Reise mit ihrem Sohn wiederzufinden.

Das Game - „Neanderthal Memories“ - ist bereits in den Appstores erhältlich (wenngleich ohne das Museum nicht spielbar) und wurde von der deutschen Digitaldesignagentur Wegesrand in Kooperation mit der „NMsee“-Projektleiterin Anna Riethus konzipiert und umgesetzt. Thorsten Unger, Chef von Wegesrand, spricht im Interview mit FM4 davon, dass es herausfordernd ist, ein Game zu designen, das für Blinde und Sehbehinderte als auch für Menschen ohne starke Seheinschränkungen gleichermaßen attraktiv ist. Jede*r kann das Game den eigenen Bedürfnissen anpassen. Im Falle einer kompletten Blindheit fungiert „Neanderthal Memories“ dann als reines Audio-Game.

Bodenleitsystem in der Daueraustellung des Neanderthal Museum Mettmann

Neanderthal Museum Mettmann

Das neue Bodenleitsystem der Dauerausstellung im Neanderthal Museum Mettmann

Vorbildwirkung für andere Museen

„NMsee“ ist im Wesentlichen abgeschlossen und wäre derzeit im Neanderthal Museum Mettmann (Regierungsbezirk Düsseldorf) zu erleben, wenn aktuell Covid-19 nicht einen Strich durch die Rechnung machen würde.

Langfristig relevanter ist freilich die Frage, ob „NMsee“ von einem Museum in Deutschland eine Reise um die Welt antreten wird. Das Projekt, übrigens initiiert vom Blinden- und Sehbehindertenverband Nordrhein e.V., hat definitiv das Potenzial dazu. Es ist geplant, die geschaffene Infrastruktur, die Technologie und die Game-App künftig für unterschiedliche Museumsbedürfnisse zu adaptieren, bestätigen Anna Riethus und Thorsten Unger im Interview. Was die Zukunft für „NMsee“ bringen soll, wird dann Ende des Jahres bei der Evaluierung des Projektes beschlossen.

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