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Die Öffnungen als Chance für eine Jugend, der die Hoffnung fehlt

Junge Menschen wurden in den letzten Monaten oft übersehen, dabei hat sie die Pandemie hart getroffen. Die Psychologin Elke Prochazka von Rat auf Draht (147) spricht im Interview über die Auswirkungen der letzten Monate, Zukunftsängste, Hoffnung und darüber, wie wichtig öffentlicher Raum für Jugendliche ist. Sie plädiert für mehr Verständnis.

Von David Riegler

FM4: Wir haben Monate des Lockdowns hinter uns mit strengen Kontaktbeschränkungen und immer wieder Schulschließungen. Was hat das mit jungen Menschen gemacht?

Elke Prochazka: Das hat sich ganz stark ausgewirkt, weil der unabhängige Lebensraum außerhalb der Familie verloren gegangen ist. Es war kaum möglich, Freund*innen zu treffen und gleichzeitig fehlten auch die sozialen Kontakte in der Schule. Es ist auf einmal alles weg gewesen und das hat sich auch bei den jungen Menschen gezeigt: Von Schlafstörungen bis zu depressiven Symptomen und vor allem auch, das ist oft untergegangen finde ich, wirkliche Ängste, wie es weitergeht. Gerade auch, wenn man an Lehrlinge denkt, die teilweise monatelang nicht an ihre Lehrstelle gekommen sind oder auch die Sorgen von Maturant*innen, die gedacht haben ihre Matura ist nichts wert. Da war komplette Hoffnungslosigkeit spürbar.

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FM4: Wie kann man dieser Hoffnungslosigkeit entgegenwirken?

Ich denke, dass junge Menschen Signale aus der Wirtschaft brauchen würden, dass diese Matura nicht verloren ist, oder auch, dass es genug Lehrstellen gibt. Ich merke auch aus der Praxis mit den Jungen, dass die Geschichten von Menschen fehlen, die auch ohne Krise nicht sofort die Lehrstelle und den Job bekommen haben und, dass das aber nicht gleich die ganzen Träume kaputt macht, sondern, dass es nur einen anderen Weg braucht um dorthin zu kommen. Das ist etwas, das wenig in den Medien vorkommt, jedoch sehr wichtig ist, weil sie oft große Mutlosigkeit hinsichtlich ihrer Jobaussichten haben. Und dann sprechen auch noch viele von der „verlorenen Generation“, wo man die Jugendlichen dann nochmal aufbauen muss.

Werden die aktuellen Öffnungsschritte am 19. Mai die Situation der Jugendlichen verändern?

Elke Prochazka von Rat auf Draht

Elke Prochazka

Elke Prochazka ist Klinische und Gesundheitspsychologin in eigener Praxis und bei Rat auf Draht. Dorthin könnt auch ihr euch mit diesen und allen anderen Problemen wenden. Die Telefonnummer: 147.

Ja auf jeden Fall. Wenn etwas Neues passiert, etwas, das mir wieder Hoffnung gibt, dann ist es schon so, dass sich diese Dynamiken durchaus schnell wieder bessern können, wenn es nicht auch andere zugrundeliegende Probleme gibt. Jetzt ist doch einiges wieder möglich, zum Beispiel Sport, und vielen Jugendlichen hat gerade dieser sportliche Ausgleich extrem gefehlt. Das ist ein wichtiger Schritt, genauso wie, dass alle gemeinsam in der Schule sind. Das bedeutet, es gibt auch wieder einen regelmäßigen Tagesablauf, der auch vielen gefehlt hat. Außerdem muss ich, wenn ich mich im öffentlichen Raum bewege, nicht mehr so genau nachdenken, alles wird einfacher. Es kommt jetzt viel zusammen, das sicherlich hilft, die Situation zu verbessern.

Im öffentlichen Raum haben Jugendliche in den letzten Monaten oft hohe Strafen erhalten und kämpfen auch generell damit ihre Plätze zu behalten - In Graz wurde beispielsweise vor kurzem ein Skateverbot an bestimmten Plätzen verhängt. Wie wichtig ist öffentlicher Raum für junge Menschen?

Wir alle, egal welche Altersschicht, brauchen Platz im öffentlichen Raum. Manchmal bekommt man das Gefühl, Jugendliche sollen da nicht stattfinden, aber sie haben genauso ein Recht darauf, und ich glaube da braucht es Verständnis von allen Seiten. Dieses Verständnis oder auch das Augenmaß hat zum Teil gefehlt, zum Beispiel wenn Jugendliche abgemahnt werden, weil sie sich über 5 Meter einen Fußball zuwerfen. Ich glaube, dass es etwas Wesentliches ist, einen Kompromiss zu finden, dass alle zusammen Platz haben. Wenn man immer wieder versucht Jugendliche zu verdrängen, suchen sie sich natürlich auch ihren Raum.

Junge Menschen mussten sich immer wieder anhören, dass ihnen die Solidarität fehlen würde oder sie eine Party-Obsession hätten. Ist das so oder mangelt es auch hier an Verständnis für die junge Generation?

Wir haben alle nichts davon, wenn wir verteilen, wer es besonders schwer oder besonders leicht in der Pandemie hatte. Was wir als Erwachsene den Jugendlichen jedoch voraus haben ist, dass wir schon einiges erlebt haben. Wir haben unsere Matura, unseren 16. oder 18. Geburtstag feiern dürfen und ich weiß nicht, wie es uns gegangen wäre, wenn man uns gesagt hätte: Feier eben in zwei Jahren nach. Das ist ein unwiederbringliches Gefühl, und da muss man jungen Menschen auch zugestehen, dass das schwer auszuhalten ist. Wenn es Menschen im Alter nicht gut geht, dann schauen wir hin und prüfen wie wir helfen können, und genau das muss auch passieren, wenn es jungen Menschen nicht gut geht. Wer junge Menschen nicht ernst nimmt, jedoch Solidarität fordert, muss wissen: Solidarität und Respekt passiert immer gegenseitig. Ich habe viele junge Menschen erlebt, die zum Teil 30, 40 Minuten zu Fuß gegangen sind, um die Familie zuhause zu schützen, und zwar von sich aus, nicht weil sie mussten. Also ich glaube es ist viel Solidarität da, aber es braucht auch Verständnis für sie und das kann nur gegenseitig passieren.

FM4 Auf Laut: Endlich wieder offen – worauf freust du dich?

Am 19. Mai öffnen Gastronomie, Tourismus, Kultur, Sport- und Freizeitbetriebe ihre Pforten. Doch die Pandemie ist noch nicht vorbei – es gibt noch immer zahlreiche Regeln und Einschränkungen. Auf was freust du dich und wo hast du Bedenken? Mit welchen Gefühlen und Gedanken gehst du in diese Wiedereröffnung sozialen Lebens? Darüber diskutiert Claus Pirschner mit Anrufer*innen in FM4 Auf Laut, am 18.05 ab 21 Uhr. Die Nummer ins Studio: 0800 226 996

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