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„Mass Effect Legendary Edition“: Weltraumoper von gestern

Die „Legendary Edition“ bringt die zwischen 2007 und 2012 erschienene „Mass Effect“-Trilogie zurück auf die Bildschirme. Wie relevant ist dieses Science-Fiction-Universum heute noch?

Von Rainer Sigl

„Mass Effect“, das war einmal für manche Kritiker „das wichtigste Science-Fiction-Universum dieser Generation“. Und das mit gutem Grund: Im Gegensatz zu vielen anderen Fiktionen gab es hier ein All, in dem einmal nicht der Mensch das Maß aller Dinge war, mehr noch: einen gleichgültigen Kosmos ganz ohne Schicksal, in dem sich gerade eine gewaltige Apokalypse anbahnt.

Dazu kamen komplexe Themen wie Kolonialismus, Völkermord und die Frage nach dem eigenen freien Willen - und das in einem Spiel, in dem sich große und kleine Entscheidungen der Spieler*innen vom ersten bis zum letzten Teil auswirken sollten. Dass am Ende der Trilogie das große Finale doch nur eine schnöde Wahl zwischen drei Optionen bot, ist ein Games-Skandal, der schon fast in Vergessenheit geraten ist.

Science-Fiction mit ein wenig Staub

Die „Legendary Edition“ erlaubt einen Blick zurück auf „Mass Effect“, und der zeigt: Grafik und Spielmechaniken lassen sich (halbwegs) zeitgemäß updaten, manches andere aber nicht. Dass „Mass Effect“ kein aktuelles Spiel ist, bemerkt man im Umgang mit seinen Themen - und in der grundlegenden Ausgangssituation: Ganz selbstverständlich bin ich hier als Commander Shepard sowas wie der galaktische Superpolizist, der auf eigene Faust Entscheidungen trifft, militärische Tugenden verkörpert und letztlich als Erlöserfigur keinem Rechenschaft schuldet.

Die „Mass Effect Legendary Edition“ enthält alle drei Spielteile plus die kompletten erschienenen DLCs. Entwickelt von Bioware, vertrieben von Electronic Arts, erhältlich für Windows, Xbox One/Series X/S und PS4.

Der noble Zweck heiligt hier sowieso immer die Mittel - ein wiederkehrendes Thema in so einigen Popkulturprodukten der Zeit nach 9/11. In einem Spiel, das ansonsten differenzierte Themen und moralische Dilemmas betont und stolz darauf war, optional auch mit weiblicher Hauptfigur spielbar zu sein, fällt manches heute umso mehr auf: mehr oder weniger versteckter Sexismus, ein fragwürdiges Verhältnis zu staatlicher Gewalt und Verantwortung. „Mass Effect“ habe ein „police state heart“, hat die US-amerikanische Kritikerin Grace Benfell gemeint, und das fällt besonders auf in einer Gegenwart, die nach Black Lives Matter exakt für diese Eigenmächtigkeit der Gewalt sensibilisiert ist.

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Trotzdem: immer noch gut

Zum Glück ist „Mass Effect“ trotzdem nach wie vor ein großartiges Spiel, das Neueinsteiger wie Veteranen mit seiner epischen Story in den Bann ziehen kann - wenn auch manches mit heutigem Blick etwas antiquiert wirkt. Sein Alter sieht man ihm vor allem im Vergleich mit aktueller, etwas jüngerer Science-Fiction an: In der Literatur haben in den letzten Jahren spannende Brüche mit alten Science-Fiction-Klischees für jede Menge frischen Wind gesorgt - genau den vermisst man hier dann umso mehr.

Auch die Bestseller-TV-Serie „The Expanse“ hat einen weitaus differenzierteren Blick auf ihre Welt, und hochdekorierte neue Autorinnen wie N.K.Jemisin, Ann Leckie oder Arkady Martine haben vor allem im letzten Jahrzehnt mit ihren vielschichtigen SF-Meisterwerken eindrucksvoll gezeigt, dass Science-Fiction auch im Subgenre der Weltraumoper noch atemberaubend Neues zu bieten hat. In Videospielen hingegen hat „Disco Elysium“ so gut wie alles an Rollenspieltradition der letzten Jahrzehnte mit Eleganz und Zerstörungsfreude eingerissen und vorgemacht, wie komplex und hintergründig auch und vor allem in Videospielen erzählt werden kann.

Im Gegensatz dazu bleibt „Mass Effect“ am Ende dann doch wieder nur eins: eine Geschichte, in der ein Mensch mit Laserwaffe das Universum rettet. Dass das immer noch Spaß macht, stellt die „Legendary Edition“ dann aber doch unter Beweis.

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