FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Alina sitzt auf der Couch

FM4

fm4 auf laut

„Ich hab mir nie gedacht, dass ich mich ganz nackt zeigen werde“

Während der Pandemie haben Plattformen wie OnlyFans enormen Zulauf erlebt. Dort kann jede:r gegen Geld Nacktfotos, Videos und Nachrichten anbieten. Für manche ist das Empowerment und feministische Selbstbestimmung in der Sexarbeit – für andere der Schleichweg von der Instagram-Inszenierung ins Porno- und Prostitutionsmilieu. Wir haben uns mit Alina getroffen, die auf OnlyFans ihr Geld verdient.

Von Lena Raffetseder

Ortsungebunden Geld verdienen, damit man nicht jeden Cent umdrehen muss. Eine Nacht ist Alina wachgelegen, als ihr der Gedanke gekommen ist, sie könnte online als Sexarbeiterin Geld verdienen: „Für mich war das selber ein so extremer Gedanke. Ich habe ja nie gedacht, ich würde mal da landen.“ Die 25-Jährige macht ein paar Webcam-Liveshows, bei denen sie sich nicht einmal auszieht und merkt, dass es einzelne Leute gibt, die gutes Geld für ihre Fotos oder Videos bezahlen würden. Seit September ist Alina auf OnlyFans aktiv. Im Jänner hat sie 2.000 Dollar brutto verdient, im Mai waren es über 8.000 Dollar.

FM4 Auf Laut zur Frage: „Sex und Social Media: definieren Onlyfans und Co. die Sexarbeit neu?“

Zu Gast: OnlyFans-Creator Alina und Karin Mühlwasser vom Zentrum für sexuelle Bildung, Graz. Anrufen, mitdiskutieren und Fragen stellen könnt ihr am Dienstag, 1.6. ab 21 Uhr unter 0800 226 996.

Eigenes Business: OnlyFans-Account

Alina stammt ursprünglich aus Oberösterreich, seit einigen Jahren wohnt sie in Wien. Hier hat sie ein Studium begonnen, nebenbei gejobbt. „Die meisten Leute glauben ich sitze jetzt da und bin hübsch und krieg dann 8.000 Dollar im Monat. So ist es nicht,“ sagt Alina, die auf OnlyFans Marilyn heißt. Als Marilyn postet sie erotische Dessous-Fotos, Fußvideos, in denen sie sich nur die Sneaker auszieht, und sehr beliebt sind Striptease-Videos. Die kosten extra, wenn sie einen bestimmten Namen sagen soll. Alina sagt, sexualisiert werde sie sowieso, jetzt bekomme sie zumindest Geld dafür.

Es gab Zeiten, da hat Alina 70 Stunden pro Woche gearbeitet, jetzt hat sie sich bei einer 30-Stunden-Woche eingependelt. In dieser Zeit promotet sie ihren Account, macht und bearbeitet Fotos, schreibt Captions, interagiert mit Usern. Die können monatliche Abos für Alinas Account abschließen, für einzelne Postings kann sie zusätzlich Geld verlangen. Alina bestimmt selbst, wie viel ihre Nacktfotos wert sind. 20 Prozent davon bekommt die Plattform OnlyFans.

Alina muss immer Abwägen: Teurer Content, der Exklusivität andeutet, oder ihre Inhalte so billig wie möglich anbieten, weil dann viele User die Fotos kaufen. Laut OnlyFans nutzen 100 Millionen User*innen die Plattform, über eine Million Content Creators wie Alina gibt es. Am meisten verdient sie mit Nachrichten. Sie schreibt hauptsächlich mit Männern aus den USA und Großbritannien, die ihr „Girl next door“-Image mögen, das sie auf OnlyFans verkörpert.

Um als Creator auf OnlyFans aktiv zu sein, musste Alina ein Foto ihres Passes hochladen und verifizieren lassen. Will man nur als User auf der Plattform sein, muss man zwar auch 18 Jahre alt sein, überprüft werde das aber zu wenig, sagt Alina: „Das ist der größte Kritikpunkt von Creators an OnlyFans, dass Leute Konten ohne Bankinfo erstellen können.“ Ihr selbst ist es noch nicht passiert, aber es sei kein Geheimnis, dass auch 17-jährige bei OnlyFans online sind.

„Die Grenzen verschieben sich ständig“

Alina sagt, sie hätte nie gedacht, dass sie sich einmal komplett nackt im Internet zeigen würde. Die Grenzen würden sich ständig verschieben sagt sie: „Ich habe mich damit auseinandergesetzt: Wo kommen diese Grenzen her, ist das etwas, das ich für falsch empfinde oder habe ich gelernt es falsch zu finden? Weil es gibt eigentlich nichts Dreckiges an einem nackten Körper und das war für mich ein relativ langer Prozess, mich selber nicht zu verurteilen. Da war viel mentale Arbeit dahinter.“ Es sei aber natürlich „intensiv“, wenn Teil der eigenen Sexualität Arbeit ist.

Alina sieht auf ihrem Profil auch laufend, wie sie im Vergleich zur Konkurrenz abschneidet. „Top 1,2% of all creators“ steht da. “Das pusht dich, dass du weiter machst,“ sagt Alina. Es ist aber auch ein ständiger Druck, man könnte mehr verdienen. Auch das ist belastend. Wenn sie aufwacht schaut Alina zuerst, wie viel Geld sie in der Nacht verdient hat, am Abend antwortet sie noch einmal auf Nachrichten. An manchen Tagen schaffe sie es abzuschalten, ein bisschen fehle aber das „9 to 5“ schon, sagt sie.

Männer-Egos füttern oder Female Empowerment

Ihr Umfeld weiß, was Alina beruflich macht. Die meisten Reaktionen aus dem Bekanntenkreis waren positiv, Freund*innen hätten ihre Entscheidung respektiert, sie sogar gut gefunden. „Es macht mich ja zu keiner schlechten Person, nur weil ich meine Brüste im Internet zeige,“ sagt Alina. Ihren Eltern hat sie das schon erklären müssen. Ihre Mutter wollte wissen, warum Alina das Gefühl hat, das machen zu müssen. „Ich hab ihr dann erklärt, dass es für mich extrem empowering ist und mir das so viel Selbstbewusstsein gegeben hat und ich so gelernt hab gesellschaftliche Konstrukte abzubauen, die so tief in mir drinnen waren.“

Gleichzeitig reflektiert Alina, dass sie selbst auch solche Konstrukte aufrechterhält. Zum Beispiel wenn sie Usern „Dick Ratings“ anbietet: User schicken Dickpics und Alina kommentiert und bewertet die dann. Sie bezeichnet es als das „Füttern von Männer-Egos.“

Auch wenn sie schon negative Erfahrungen gemacht hat, empfindet Alina ihre Arbeit auf OnlyFans als bereichernd. Sie weiß aber auch, dass das nicht auf alle Creators zutrifft: „Für mich persönlich ist es Empowerment, aber ich sehe, dass es für viele Leute nicht so ist. Ich habe das Privileg, dass ich in Österreich wohne. Ich habe ein Auffangsystem, wenn wirklich alles den Bach runtergeht. Aber Leute in Amerika haben das nicht. Da merke ich schon, dass es Leute out of necessity machen, und nicht, weil es ihnen so viel Spaß macht oder es ihnen dieses Empowerment gibt.“

Auf Laut 1.6. Sex und Social Media: definieren Only Fans und Co. die Sexarbeit neu?

Social Media-Plattformen wie Onlyfans oder Just For Fans erleben derzeit massiven Zulauf. Hier kann jede:r neben Fitnessvideos und Schminktutorials auch pornografische Inhalte direkt ans Publikum bringen - gegen Bezahlung. Nach Influencer:innen sind jetzt Intimfluencer:innen der heiße Scheiß.

Die einen feiern die neue Social Media-Freizügigkeit als Weg zu sexuellem Empowerment und feministischer Selbstbestimmung in der Sexarbeit - und als legitimen Job, um ohne viel Einmischung von außen unkompliziert Geld zu verdienen. Andere warnen vor dem Druck zu sexualisierter Selbstdarstellung und dem Risiko, über die eigenen Grenzen hinauszugehen. Sind die Trennlinien zwischen Social Media-Inszenierung und Sexarbeit durch Plattformen wie Onlyfans fließender geworden? Wie gehen junge Leute damit um und wo lauern Gefahren?

Wie erlebt ihr Onlyfans und Co.? Claudia Unterweger spricht mit der erfolgreichen Onlyfans-Creator Alina und mit Karin Mühlwasser vom Zentrum für sexuelle Bildung, Graz.

Am Dienstag, 1. Juni 2021, ab 21.00 Uhr in FM4 Auf Laut.
Die Nummer ins Studio: 0800 226 996.

mehr Liebe:

Aktuell: