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Rap über Hass

K.I.Z haben mit „Rap über Hass“ ihr neues Album veröffentlicht. Bitterböse Gesellschaftskritik, sarkastische Mimikry, Übertreibungen und Zuspitzungen prägen die Platte. Wir haben mit Tarek, Nico und Maxim gesprochen.

Von DJ Phekt

Der Anlass, warum wir heute sprechen, ist der Release eures sechsten Albums „Rap über Hass“. Eine Platte, wo zwischen den Zeilen eigentlich so viel gesagt wird, dass man eigentlich gar nicht mehr drüber sprechen muss. Das war zumindest mein erster Reflex, als ich es gehört hab. Im Grunde ist alles gesagt. Warum gibt’s Interviewtermine?

Maxim: Wir wollen die Menschen in Österreich erreichen. Darum geht es. Die Leute außerhalb der Großstadt, diesen Leuten ganz nah sein und denen unser Album nahebringen. Und unsere kommende Tour promoten, die wir nächstes Jahr machen.

Der Opener-Song und Titeltrack des Albums startet mit einem Mitschnitt von einer AfD Rede, wo der Politiker euch offensichtlich ziemlich falsch verstanden hat. Beziehungsweise hat er euch wahrscheinlich sogar richtig verstanden, aber die falschen Schlüsse gezogen. Er zitiert euch da und beschreibt euren Sound sinngemäß als die musikalische und inhaltliche Hölle. Nun sind Menschen aus der rechten Szene oft ziemlich gewaltbereit und gar nicht so ungefährlich. Hat sich das bei euch im Alltag schon irgendwann zugespitzt? Diese imaginäre oder vielleicht sogar tatsächliche Bedrohung von der rechten Szene, die euch ja total am Schirm hat?

Tarek: Ja, also jetzt nicht so, dass wir - jedenfalls seitdem wir Musik machen - angegriffen wurden von Rechten. Aber es gibt natürlich Morddrohungen und unsere Adressen wurden in einem rechten Forum veröffentlicht und Erfahrungen mit Rechten hat sicherlich jeder von uns mal gesammelt. Ich auf jeden Fall. Ich weiß nicht, wie es bei den anderen ist. Aber Herr Baumann von der AfD versucht natürlich abzulenken. Er versucht, da dieses „Wir sind mehr“- Konzert, das wir 2018 in Chemnitz gespielt haben, zu diskreditieren, indem er so tut, als hätte seine Partei keinen Dreck am Stecken.

Die Partei, die euch da anprangert, schürt selbst regelmäßig Hass gegen andere. Und wirft euch das dann vor. Nun kann man aber auch nicht leugnen, dass Hass schon ein Grundgefühl ist, das in euch arbeitet bzw. fließt da schon eine gefühlte Frustration über die Welt mit in euer Werk ein. Wie war für euch dieses letzte Jahr, wo wir ja alle sozusagen aus dem Alltag gerissen wurden und irgendwie alles neu denken mussten? Hat es die Platte „Rap über Hass“ genährt in irgendeiner Form?

Maxim: Nee, kann ich so nicht sagen. Also da reicht diese Normalität, in die wir uns ja alle jetzt zurücksehnen. Plötzlich. Da reicht diese Normalität schon völlig aus. Und dadurch, dass wir einen Haufen Geld vor ein paar Jahren verdient haben, ist dann so eine Pandemie für uns auch nicht ganz so schlimm wie für wahrscheinlich die Mehrheit der Bevölkerung. Natürlich will ich sehr gerne auftreten, weil ich werde gerne angefasst. Aber ich kann mich jetzt nicht so hinstellen, als würde ich jetzt hier die ganze Zeit total drunter leiden.

Niko: Und es ist auch nicht so, dass der Hass jetzt irgendwie groß aus der Corona Zeit geschürt wurde. Weil die Platte haben wir auch schon sehr viel früher angefangen zu machen. Also da sind jetzt nicht unsere Corona-Frustrationen eingeflossen oder so.

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Ich hab das jetzt ehrlich gesagt eher weniger auf den Virus bezogen, sondern eher auf das, was man gesellschaftlich beobachten konnte. Sozusagen wie sich gleich wieder so eine Gruppe Menschen zusammentut, falsche Schlüsse zieht und dann skandierend auf der Straße herumpöbelt. Das ist schon bedrückend und beklemmend. Haben diese Entwicklungen die Platte genährt?

Maxim: Hmm, nee. Also ich meine, die Leute, die jetzt plötzlich alle Mediziner und Virologen sind, diese Leute haben vorher wahrscheinlich das Thema Flüchtlinge gehabt und durch Corona hat das irgendwie nicht mehr so richtig Stimmung gemacht. Und dann haben die sich jetzt ein anderes Thema gesucht. Aber die Leute waren ja vorher auch schon da.

Ich hab mir jetzt, kurz bevor ich mit euch gesprochen habe, unabhängig von diesem Interview, ein neues Video vom ehemaligen „Brothers Keepers“-Künstler Xavier Naidoo angeschaut. Da performt er mit Rappern einen sehr skurrilen Song, der gefühlt auf allen Ebenen falsch ist. Missverstanden hat der Mann glaub ich sehr viel. Ich verstehe nicht, wie man Rap kombinieren kann mit diesen Botschaften. Missverständnisse prägen im Grunde aber auch immer wieder euer Werk. Wie ist das? Wie geht ihr da dagegen vor? Ich bin mir ziemlich sicher, dass es genug Fans gibt, die sich vielleicht zu eurer Musik verirren, weil sie das total falsch interpretieren beim ersten oberflächlichen Hören und das vielleicht überhaupt nicht einordnen können?

Sarek: Ja, ich meine, es besteht immer die Möglichkeit, falsch verstanden zu werden. Ich hoffe, dass die Leute dann von uns, sag ich mal, durch ihre Jugend begleitet werden und dazulernen, immer klüger und cooler werden. Jetzt bezogen auf Xavier Naidoo kann ich nur sagen: Natürlich hat das so ein bisschen was von einer Freakshow, dem überhaupt irgendeine Öffentlichkeit zu geben. Er hat offensichtlich eine Psychose, aber ich bin trotzdem sauer, dass ich mir den Song „Letzte Warnung“, den ich sehr schätze, nicht mehr anhören kann. Dank ihm. Das ärgert mich ein bisschen.

Ein Song, der mir auf eurem neuen Album sehr gut gefällt, ist „Mehr als nur ein Fan“. Eine Zuspitzung, wo es um das Selbstverständnis vieler Fans geht, euch in irgendeiner Form Ratschläge geben zu können oder auch irgendwie Erwartungshaltungen an euch zu haben. In der Größenordnung, in der K.I.Z mittlerweile stattfindet, ist es einerseits eine essentielle Sache, dass ihr Fans habt und diese Fans bedient werden. Aber wie muss man sich das vorstellen? Werdet ihr im Alltag von Fans wirklich derartig belästigt?

Maxim: Wir haben ein sehr freundschaftliches Verhältnis zum Fan an sich. Ich glaube, der Fan an sich, der K.I.Z-Fan an sich, weiß auch, dass wir sehr gut wissen, was er braucht, was er gerade benötigt, dass wir besser wissen, was er will und die vertrauen uns da sehr, dass wir da schon die richtigen Entscheidungen treffen für sie. Und daher kann ich sagen, ich finde unsere Fans eigentlich fast immer sehr angenehm.

Nico: Und ich will mich nochmal entschuldigen, dass wir nicht auf jeder Abitur Party auftreten können. Aber es sind einfach zu viele. Wir schaffen nur zwei am Tag.

Es gibt da ein Video zum Song „VIP in der Psychiatrie“ in dem ihr viel auf die Schippe nehmt, was momentan in der Musikindustrie so abgeht. Zum Beispiel die so genannten „Reaction Videos“ im Netz. Gleichzeitig seid ihr mitten drinnen in diesem Business und findet genau dort statt. Würdet ihr die Pop-Branche als Psychiatrie bezeichnen?

Tarek: (Lacht laut) Es ist auf jeden Fall ein Auffangbecken für schwer gestörte Menschen, unter anderem mich.

Maxim: Ansonsten in der gesamten restlichen Berufswelt ist „einen an der Waffel haben“, „eine Klatsche haben“, „nicht richtig ticken“ etc. eher ein Ausschlusskriterium. Also wenn was nicht stimmt haben natürlich alle total Respekt davor. Wenn man z.B. depressiv ist, haben die alle total Hochachtung. Aber einstellen würde ich dann keiner. Und als Künstler ist es genau anders herum. Das ist das schon fast eine Aufnahmebedingung. Du musst erst mal „eine Klatsche haben“. Ich weiß nicht, ob es ein Auffangbecken ist. Oder ob man das bei den Künstlern einfach viel mehr sieht, weil die sich oft nicht schämen für ihre Psychosen. Das finde ich irgendwie ganz angenehm.

Nico: Also falls du aus deinem Job fliegst, probier lieber erst einmal ein Rap-Album aufzunehmen, bevor du in die Psychiatrie gehst.

Der nächste Song, über den ich kurz sprechen möchte, ist „Unterfickt und geistig behindert“. Da geht es im wesentlichen um die „emotionale Kälte“, die mit dem Konsum von Drogen wie Kokain einhergeht. Ist das eurer Einschätzung nach in Berlin ein größeres Problem als in anderen Städten? Der allgegenwärtige Konsum härterer Drogen?

Tarek: Gibt es das nicht weltweit? Das überrascht mich. Ich habe Wien da ebenfalls damit verbunden. Stichwort Falco.

Maxim: Ich hätte gedacht, dass ein Wiener da nur drüber lacht, was wir Berliner da veranstalten.

Nico: Das schmiert sich der Wiener doch morgens aufs Brötchen.

Maxim: Ich glaube ich bin in der Hinsicht ein typischer Berliner und habe nicht so richtig eine große Ahnung, was in Berlin die ganze Zeit abgeht. Ich glaube, da muss man halt Franzosen, Spanier und Italiener und Briten fragen, die hier Party machen. Die kennen sich da wahrscheinlich ein bisschen besser aus als wir. Aber ja, ich habe davon gehört, dass es in Berlin ganz besonders gang und gäbe ist.

Nico: Aber der Song „Unterfickt und geistig behindert“ beschreibt natürlich auf der einen Seite die Kälte, die mit dem Konsum von Kokain oft einhergeht. Aber danach kommt die Wärme, ja die Wärme des MDMA. Da ist nämlich eine super Droge. (lacht)

Maxim: Geschichte einer Männerfreundschaft.

Lasst uns abschließend noch über den Live-Aspekt eurer Kunst sprechen. Ich hab da ein paar prägende Bilder von K.I.Z-Konzerten in Erinnerung. Das erste Mal, dass ich euch gesehen habe, war glaub ich 2009 beim Splash-Festival. Da wurden Geldscheine mit euren Gesichtern aus Kanonen ins Publikum gefeuert. Bei einem anderen Konzert ging es los mit einer Geburt, in dem einer von euch (oder alle?) blutig auf die Bühne „geboren“ wurden. Dann hab ich euch mal als „Verbales Style Kollektiv“ im Stil der Hip Hop-Old School-Jam Atmosphäre am Nachmittag in einem Retro-Setting gesehen. Sprich: die Inszenierung der Live-Show hat einen riesengroßen Stellenwert bei euch. Das Jahr der Pandemie war diesbezüglich schwierig. Alles wurde verschoben oder abgesagt.

Wie ist das jetzt mit „Rap über Hass“? Es gibt da eine Tour nächstes Jahr, die in den großen Hallen stattfindet. Wird das Konzert am 19.2.22 in der Wiener Stadthalle ein ähnliches Performance-Spektakel?

Maxim: Ich glaube, es wird die größte K.I.Z-Tour aller Zeiten. Und ja, ich denke, dass so ein Album erst fertig ist, wenn man es auf der Bühne spielt. Dieses Feedback zum Anfassen ist für mich offenbar das Ziel, die Kür und das Wichtigste für mich. Weil ich finde ansonsten sitzt man aktuell vor dem Handy und guckt sich dumme Statistiken bei Spotify an. Es fühlt sich an, als würde man so ein Computerspiel spielen. Auf der Bühne ergibt alles erst richtig Sinn. Und natürlich werden wir die spektakulärste Show machen, die man sich vorstellen kann.

Nico: Neulich hat ein anderer Interviewpartner gesagt, er sei der Meinung, dass bei Popmusik das Publikum mit dazu gehört zu dem Lied. Das fand ich schön.

Was wir bei eurer Karriere auffällt ist, dass ihr gefühlt immer dorthin drückt, wo es weh tut. Ihr brecht oft Tabus oder formuliert Sätze, wo wahrscheinlich neun von zehn anderen Künstlern sagen würden „Das ist zu krass, das schreib ich jetzt doch nicht, weil es dann vielleicht zu wild oder missverstanden wird.“ Wann kam bei euch dieser Moment, wo ihr in diese Ebene gegangen seid, künstlerisch? Gab’s da ein einschneidendes Erlebnis, wo ihr dachtet: Rap ist zu langweilig, alles ist zu 08/15, wir wollen uns so positionieren wie z.B. im Punk-Bereich „Die Kassierer“?

Maxim: Es war ein Frühlingsmorgen im Jahre 2003. Oder 2002. Nee, ich weiß jetzt nicht ob es einen bestimmten Moment gab. Ich meine, wir haben immer Straßenrap gehört und vielleicht auch ein bisschen versucht zu machen. Und das hat auch irgendwie ein bisschen gepasst. Aber irgendwie hat der Schuh immer so ein bisschen gedrückt und irgendwie haben wir dann angefangen, das zu machen, worüber wir auch privat Witze machen. Die ganze Zeit. Ich weiß es nicht. Wir waren uns auch nicht bewusst, wie genial das ist, in dem Moment.

Nico: Haben wir Glück gehabt. (lacht)

Maxim: Also es gab ja bis dahin auch keinen deutschen Humor. Also wir haben da völliges Neuland betreten. Und ja, es war erstmal ungewohnt. Ich meine, Christoph Kolumbus wusste ja auch erst nicht, dass er gerade Nordamerika entdeckt hat. Und so ähnlich war das bei uns.

Nun kommt ihr ja aus einem Land, in dem es ähnlich wie in Österreich eine in manchen Aspekten ziemlich elende Karneval-Kultur gibt. Ich glaube, bei euch in Deutschland ist das sogar noch ein bisschen wilder als bei uns. Der Fasching bzw. in Rollen schlüpfen, sich „verkleiden“, diese Mimikry, prägt aber auch das Werk von K.I.Z, konkret denk ich da an den aktuellen Song „Definition von Glück“. Seit ihr schon als Kinder gerne in andere Rollen geschlüpft?

Nico: Ja, mit Sicherheit. Also ich glaube, das machen alle Kinder, oder?

Maxim: Ja, ich habe sehr viel gelogen als Kind.

Nico: Auch im Bett ist es nach wie vor Thema.

Maxim: Ja, auf jeden Fall. Also ich glaube, gerade als Kind lernt man ja sehr viel, sich anzupassen. Man weiß, wie man mit einem Lehrer zu reden hat. Man weiß, wie man mit seinen Eltern zu reden hat, wie man mit den harten Jungs zu reden hat, wie man mit dem Mädel zu reden hat, wie man agiert, wenn die Polizei kommt. Was man dem Pädagogen erzählt, dem Anti-Aggressions Therapeuten. Man lernt ja die ganze Zeit in Gesellschaft auch immer ein bisschen, sich den Leuten anzupassen. In der Hinsicht waren Rollenspiele natürlich immer überlebenswichtig für uns.

Nico: Zum Thema Fasching muss ich aber auch sagen, da muss ich nochmal einen Shout-Out an meine Mama geben. Die hat mich mit großem Hass auf die deutsche Karneval-Kultur großgezogen.

Nico: Ja, wir sind auch Berliner. Wir mögen keinen Fasching. Wir können einfach keinen Fasching.

Danke für dieses Interview. Wir sehen uns nächstes Jahr in der Wiener Stadthalle. Ich drücke euch die Daumen.

K.I.Z: Danke

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