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APA/GEORG HOCHMUTH

Ausverkauft! Die globale Fahrradkrise

Fahrräder sind nach Nudeln und Toilettenpapier scheinbar das neue Gold: Und oft schwer zu bekommen. Wo und wie man aktuell trotzdem zu seinem Traumfahrrad kommt.

Von Alexandra Augustin

Endlich Frühling! Wie wäre es mit einer Radtour? Dank Corona haben viele Menschen umgesattelt und sind sportlicher geworden. Doch es ist nicht immer einfach, ein Rad zu finden. Dein Lieblingsmodell ist ausverkauft? Du hast ein Rad gekauft, musst aber mit Lieferzeiten von mehreren Monaten rechnen? Und passende Ersatzteile gibt es auch nicht? Seit letzten Jahr ist es nicht einfach, neue Räder und Zubehör zu bekommen.

Rund 90% aller weltweit verkauften Fahrräder und Fahrradkomponenten werden in Asien hergestellt. Die Fabriken können die verstärkte Nachfrage aktuell kaum decken und die globale Coronakrise hat für eine Kaskade an Problemen gesorgt, wie Michael Nendwich, Berufszweigvorsitzender für Sportartikelhandel der Wirtschaftskammer, bestätigt:

„Corona hat natürlich gezeigt, dass das Fahrrad nicht nur ein Sportgerät ist, sondern auch ein sicheres Fortbewegungsmittel - und nachhaltig. Man kann alleine mit Abstand zu anderen Menschen sicher unterwegs sein. Dafür wird das Fahrrad jetzt stärker genutzt. Das Problem ist aber, dass viele Fabriken während der Pandemie teilweise stillgestanden sind. Während wir aktuell in Europa das Gefühl haben, dass die Krise so gut wie vorbei oder zumindest am Weg der Besserung ist, steigen in einigen asiatischen Länder die Infektionszahlen wieder, etwa in Taiwan. Dort werden aktuell wieder Fabriken geschlossen."

Ausverkauft!

Wie lange man - eben auch hierzulande - auf ein Rad warten muss, das weiß auch Wolfgang Leitner. Der Gründer der IG Fahrrad in Wien - Verein, Werkstatt und Geschäft in einem - hat zwar viele neue und gebrauchte Räder im Angebot, jedoch nicht immer das, was die Kunden gerade gerne hätten. Auch bereits bestellte Ware wird von den Herstellern nicht immer vollständig geliefert.

"Momentan sage ich mit Vorsicht: Ein dreiviertel Jahr. Bei bestimmten Modellen und Marken wird es schwierig: Wenn ich ein Fahrrad in einer bestimmten Farbe und Größe suche, kann die Produktionszeit ein paar Monate betragen. Wenn Fabriken stillstehen, dann kommt es zu Produktionsrückständen und Ausfällen und dann ist das ganze Radproduktions-System im Wanken. Es kann einem auch niemand garantieren, dass die georderten Räder alle ankommen. Sie werden aktuell zugeteilt, aufgeteilt und umverteilt. Oft wird nur ein Teil geliefert, damit auch andere Händler etwas abbekommen. Ich habe momentan das Gefühl, wir befinden uns eher in der Planwirtschaft, als in der Marktwirtschaft.“

Wer jetzt ein ganz bestimmtes Fahrrad kaufen möchte, der wartet also im Worst Case bis März 2022 auf seinen fahrbaren Untersatz.

Auch Firmen, die in Europa Räder herstellen, sind von der Krise betroffen, denn sie beziehen dafür viele Komponenten aus Fernost, etwa Shimano-Schaltungen. Und nicht nur die Produktion, auch der Warentransport gestaltet sich seit der Pandemie schwierig. Stichwort: Containerschiffe.

Die Transportkosten haben sich teils vervierfacht, eine Lieferung kann einige Monate dauern. Daher sind auch bestimmte Ersatzteile Mangelware. Standardteile sind noch eher zu bekommen, sprich Schläuche, Mäntel, bestimmte Bremsen. Und was nicht passt, muss dann eben oft passend gemacht werden. In der IG Fahrrad werden auch alte Räder oft wieder fit gemacht. Wie in vielen andere Werkstätten auch muss man eben kreativ werden, wie Wolfgang Leitner erzählt:

„Was wir tatsächlich seit letztem Jahr machen, ist improvisieren. Bis jetzt haben wir es allerdings geschafft, dass wir 98% aller Reparaturaufträge übernehmen konnten.“

I want to ride my bicyle - voraussichtlich erst ab 2023

Laut Michael Nendwich und Wolfgang Leiter entspannt sich die Lage voraussichtlich erst wieder 2023. Radhändler bestellen jetzt schon Ware für übernächstes Jahr. Hersteller müssen jetzt schon kalkulieren, was sie in den kommenden zwei Jahren an Komponenten brauchen werden. Das ist naturgemäß nicht so einfach absehbar.

Wenn man sein Traumfahrrad also nicht ergattern kann, muss man eben auf andere, verfügbare Modelle ausweichen. Als Tipp empfiehlt Wolfgang Leitner kleinere Produzenten zu kontaktieren, die Maßfahrräder herstellen. Firmen wie Chesini in Italien produzieren nur einige hundert Stück im Jahr und hier beträgt die Produktionszeit auch in der Hochsaison nur zwei bis drei Monate. Man kann sich die Farben und Komponenten aussuchen und das geht aktuell oft schneller, als auf ein Rad von der Stange zu warten. Oder man lässt ein altes Rad passend aufbauen:

„Man kann gebrauchte Räder sehr gut upcyclen. Die Wahrscheinlichkeit, dass man auf diese Weise ein gutes Rad findet oder sich anpassen lassen kann, ist sehr gut. Räder kann man wiederbeleben und so aufbereiten, dass sie jemand anderen wieder Freude bereiten.“

Das geht aktuell nicht nur schneller, sondern ist auch nachhaltig und günstiger. Am Second-Hand-Markt findet man oft schnell und günstig passende Teile. Es muss also vielleicht nicht unbedingt ein neues Rad sein: Vielleicht tut es das alte Rad im Keller - sinnvoll hergerichtet und serviciert - auch noch eine Weile.

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