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Arlo Park Black Dog

Transgressive

FM4 Pop Diagnose: Depression

Wir beschäftigen uns mit Songs, in denen es um psychische Gesundheit geht. Teil 1: Arlo Parks mit „Black Dog“.

Von Susi Ondrušová

Am Anfang war eine Mail. Im Rahmen der „Where Is My Mind” Woche, des Mental Health Schwerpunktes auf FM4, war auch Univ.Prof.Dr Paul Plener zu Gast um über die Folgen der Corona Pandemie auf unsere Psyche zu sprechen.

Hilfe bei psychischen Problemen

Wenn du das Gefühl hast, du brauchst Hilfe, dann kannst du dich gratis und rund um die Uhr unter der Nummer 142 an die Telefonseelsorge wenden. Dort gibt es auch Chats und Online-Beratungen.

Eine gute Übersicht über weitere Anlaufstellen findest du im Bereich Schnelle Hilfe auf der Website der Psychosoziale Zentren.

Mit all den Lockdowns, dem Social Distancing und E-Learning, haben Schlafstörungen, Essstörungen, Angststörungen, Selbstverletzungen und Depressionen in der Pandemie stark zugenommen. Paul Plener kennt als Leiter der Universitätsklinik für Kinder und Jugendpsychiatrie der Medizinischen Universität Wien viele der Geschichten und Gesichter hinter diesen Statistiken. Mehr als die Hälfte der in dieser Studie befragten Jugendlichen leidet unter depressiven Symptomen:

„Corona hat alles so mitgebracht, was man sich depressinogen oder depressiogen vielleicht vorstellen kann. Weil natürlich durch dieses Vermeiden von sozialen Kontakten, durch weniger Aktivierungen draußen auch weniger gute oder weniger schöne Dinge passieren wie sonst im Alltag. Man trifft jemanden, man geht wohin, das ist, natürlich aus gutem Grund, sukzessive aus dem Alltag verschwunden. Und dann ist eher Arbeit übergeblieben, die man aus dem Homeoffice machen kann oder halt Distance Learning für Schüler. Das was aber Leben halbwegs interessant macht, Live-Konzerte, Weggehen am Abend irgendwen Treffen, möglicherweise auch Sport in Gruppen, das ist halt plötzlich nicht mehr gewesen.“

Manches macht einen sprachlos, für manches hat man als junger Erwachsener noch gar keine Sprache gefunden. Bin ich depressiv oder „nur“ sehr traurig? Lasst uns zur Ablenkung ein schönes Lied hören. Nirvanas „Lithium“ oder Linkin Parks „Heavy”, girl in red mit “summer depression” oder eben Arlo Parks “Black Dog”. Songs in denen psychiatrische Diagnosen besungen werden, darüber wollte der Musikfan Paul Plener bei seinem nächsten Studiobesuch sprechen und so ist „FM4 Pop Diagnose“ entstanden.

Gemeinsam haben wir Lieder ausgesucht in denen Krankheits-Symptome besungen werden, Songs die Geschichten und Situationen erzählen in denen man sich selbst wiederfindet oder jemanden aus dem eigenen Umfeld erkennt.

Paul ist genauso lang Psychiater wie ich bei FM4 über Pop-Musik berichte. Unsere Wege hätten sich sogar kreuzen können, er hat nämlich viele Jahre hinter den Kulissen am FM4 Frequency Festival gearbeitet: als Stage Hand, Production Runner und im Fuhrpark Management, wo er Acts vom Backstage zur Bühne gefahren hat zum Beispiel. Wenn er kein Hemd trägt dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass man ihn in einem Frank Turner T-Shirt trifft groß: „weil da hab ich mehrere davon“.

Mein Weg zum Thema Mental Health führt über Lyrics und Interviews mit Musiker*innen, wenn ich versuche herauszufinden, was die Geschichten hinter meinen Lieblingssongs sind. Wenn ich Bands frage, wie sich ihr Selbstbewusstsein in den Jahren des Ruhms verändert hat, wie sie mit Stress umgehen und ob Social Media eigentlich Fluch oder Segen ist (Spoiler: beides).

Mit Arlo Parks hab ich auch über ihre „mentale Gesundheit“ gesprochen und ihre persönliche Methode einen klaren Kopf zu behalten: “I think it’s just about small things that make you feel grounded and peaceful and just trying to do one every day”

Arlo Parks hat heuer ihr Album „Collapsed In Sunbeams“ veröffentlicht und ist bei den Brit Awards als „Breakthrough Artist“ ausgezeichnet worden. Ihr Song „Black Dog“ ist im ersten Lockdown zu einem Hit geworden, es war die Zeit der emotionalen Achterbahnfahrten angesichts der neuen Lebensumstände. Arlo Parks hat über “Black Dog” gesagt: “I wrote my song im my friends apartment, I never expected that reach, the fact that everybody was going thru their own kind of low moments and confusions surrounding the world wide situation, I guess it makes sense that people turned to music that maybe it does have more of a sense of melancholy or has the ability to soothe them and make them understood. But I didn’t expect any of this at all. I’m still just processing how much things have expanded , yeah I’m grateful for it”

Der “Black Dog” ist seit vielen Jahren ein Symbol für Depression. 1783 hat der britische Autor Samuel Johnson erstmals den „black dog“ erwähnt und in Verbindung zu seinem Gemütszustand gebracht. Winston Churchill hat später ebenfalls die Metapher des schwarzen Hundes an seiner Seite verwendet um seine depressiven Episoden zu beschreiben. Im Mainstream angekommen ist diese Metapher durch den Bestseller „I Had A Black Dog“ vom australischen Autor und Illustrator Matthew Johnstone.

„I take a jump off the fire escape to make the black dog go away” singt Arlo Parks in ihrem Song “Black Dog”. Im Song geht es um eine Freundin die leidet, so sehr, dass sie das Zimmer nicht verlassen kann. Im Song singt Arlo Parks davon, mit ihrer Freundin zum Supermarkt ums Eck zu gehen, es geht darum Obst zu kaufen, Medikamente zu nehmen. Alles, wirklich alles möchte Arlo Parks unternehmen, damit es ihrer Freundin besser geht.

Und was sagt der Psychiater Paul Plener über „Black Dog“?

„Ich glaube das Spannende an dem Song aus meiner Sicht ist so eine Freund- oder Angehörigen-Perspektive, wo man eine gewisse Verzweiflung spürt. Also das Gefühl von ‚ich würde ihn gerne schütteln und einfach nehmen und raus jetzt‘ und das, was ja dann oft kommt, ist ‚Reiß dich zusammen‘ was dann weniger adäquat ist. Dieses energielose Nichts-tun-Können, sich nicht aufraffen, ist schon eines der Kern-Symptome einer Depression. Dass man das Gefühl hat, Stecker gezogen, ich komme da gar nicht aus dem Bett!“

Bin ich depressiv oder habe ich eine traurige Phase? Traurig sein ist eine normale Emotion sagt Paul Plener: „Wenn man es jetzt positiv betrachten will, sagt es uns ja auch etwas drüber aus, was uns etwas wert ist, wenn wir Dinge betrauern oder es ist zumindest ein Signal dafür. Aber da haben wir eine Mischung aus Traurigkeit, die auch länger anhält. Also man sagt dann mehr als die Hälfte der Tage für zumindest zwei Wochen. Wir haben diese Antriebslosigkeit, und auch das Gefühl, dass eigentlich nichts mehr wirklich Freude macht, so eine Anhedonie."

Eine Depression kommt nicht alleine, sondern „in Kombination mit verschiedenen anderen Dingen. Schlafstörungen kommen oft dazu. Veränderungen im Appetit. Das kann mehr werden oder auch weniger, es können auch Schmerz-Symptome sein, die dann auftreten. Das sind begleitende Dinge, aber eben vor allem Traurigkeit, Antriebslosigkeit und auch diese dieser Verlust von Freude, diese Interesselosigkeit.“

Paul Plener

Radio FM4

In Black Dog singt Arlo Parks „it’s so cruel, what your mind can do for no reason“. Paul Plener über Ursachen und Häufigkeit von Depressionen: „Die WHO spricht davon, dass bis zu 20% irgendwann einmal während des Lebens eine depressive Episode erleben, die behandlungsbedürftig wäre, das heißt, dass 260 Millionen Menschen betroffen sind weltweit. Es gibt ein paar Dinge, die dazu beitragen können. Risikofaktoren sind belastende Erfahrungen in der Kindheit und es gibt auch genetische Anteile, die dazu beitragen. Wir wissen auch, dass es durchaus Aktivierungs-Veränderungen im Gehirn in bestimmten Bereichen gibt. All das führt letzten Endes oft auch dazu, dass unser Filter dafür, wie wir die Umwelt wahrnehmen, sich verändert und dass das eben keine rosa Brille ist, sondern so eine dunkelgraue.“

„Reiß dich zusammen“ ist der letzte Ratschlag den man einer Person die an Depression leidet mitgeben sollte. „Man würde ja auch nie einem Krebskranken sagen, er soll sich nicht so anstellen. Tatsächlich ist Depression unter den Top 5 Gründen für Krankenstände, das spielt natürlich auch sozioökonomisch eine große Rolle in der Gesellschaft. Das ist nichts etwas, wo man eben mal schlechte Laune hat, dann muss man sich schnell zusammenreißen und dann klappt das schon wieder. So eine Depression ist im Schweregrad wesentlich ausgeprägter und eben nicht mehr so gut aus sich heraus bewältigbar!“

Was Arlo Parks im Song besingt, kommt einem guten Ratschlag und passendem Umgang mit depressiven Freund*innen schon sehr nahe: verständnisvoll sein, an der Hand nehmen.

„Wenn wir jetzt darüber reden, was bei Depressionen hilft, dann ist es Psychotherapie. Man kann natürlich auch Medikamente nehmen zur Unterstützung, ich würde das aber eben in Kombination mit Psychotherapie sehen. Und natürlich auch: Bewegung. Weil, wenn man nur im Zimmer ist, passieren ja auch keine positiven Erlebnisse. Das heißt, man gerät in eine Abwärtsspirale. Und da ist oft der Job vom Umfeld - auch wenn jemand sagt ‚Ich habe gar keine Lust‘ - sie zu motivieren, etwas zu machen, so wie Arlo Parks es im Song beschreibt.“

Sportliche Betätigung gilt übrigens als „mildes Antidepressivum“. Das muss kein Marathon sein, 30 Minuten moderate Bewegung am Tag, Radfahren zum Beispiel, können schon helfen. Das ist natürlich eine Herausforderung, wenn man antriebslos und ohne Energie in den Tag startet, hier gilt es den Teufelskreis zu durchbrechen und „positive Erfahrungen“ zu sammeln. Zum Supermarkt zu gehen und Obst zu kaufen zum Beispiel, wie es Arlo Parks im Song „Black Dog“ anbietet.

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