Im Indie-Game „Ynglet“ sind wir ein wunderlicher Kopffüßler
Von Rainer Sigl
Man nehme einen riesigen Bogen Packpapier in Naturweiß, diverse bunte Filzstifte und viel Fantasie. Darauf zeichne man kleine geometrische Formen, abstrakte Tierchen, schematische Häuser, Pflanzen oder einfach Ornamente und Farbflächen. Mittendrin - ein ungewöhnlicher Held. Das Wesen, das ich im Indie-Game „Ynglet“ steuere, sieht aus wie eine Mischung aus Bakterie und Qualle, mit einem dreieckigen Kopf und eleganten langen Tentakelchen.
Ein wenig erinnern Held und Spielwelt an den Blick durch ein Mikroskop, wo sich in einem Tropfen Regenwasser die tollsten Tierchen herumschlängeln. „A meditative side scrolling swimming game“ nennt der schwedische Entwickler Nicklas Nygren sein neues Spiel. Nygren ist besser bekannt als Nifflas, mit seiner Freeware-Serie „Knytt“ hat er schon Anfang der Zehnerjahre Bekanntheit erlangt. „Ynglet“ ist im Unterschied zu seinen vorigen Spielen kein klassischer Plattformer, obwohl: Ein wenig anders zu sein war auch bei Nifflas’ vorigen Games sein Markenzeichen.
Mein Leben als Kopffüßler
Am Beginn von „Ynglet“ steht eine niedliche Katastrophe, denn ein Komet zerstört die gemütliche Idylle und trennt einen Freundeskreis seltsamer kleiner Wesen - die Suche nach den Freunden treibt mich hinaus. Ich schwimme von einer abgeschlossenen Fläche zur anderen, auf Knopfdruck mache ich einen energischen Sprung nach vorn. Vor bösen Gegnern brauche ich mich nicht fürchten, höchstens davor, ins Leere zu springen.
„Ynglet“, entwickelt von Nifflas Games und im Vertrieb von Tripple Topping, ist für Windows und Mac erschienen.
„Ynglet“ ist ein „Plattformer ohne Plattformen“, wie sein Macher sagt, und das ist nicht das einzig Schrullige an diesem Spiel. Jedes Lebewesen, jedes Element der Umgebung macht hier sein eigenes Geräusch und seinen eigenen Sound; daraus ergibt sich in Bewegung eine großartige Musikkulisse.

Nifflas Games
Kurz, aber voller Charme und Herz
Nach etwa zwei Stunden ist die meditative Reise durch diese putzige Welt schon wieder vorbei. Große Herausforderungen gibt es dabei nicht, auch weil sich der Schwierigkeitsgrad und Bedienelemente vorbildlich auch für Ungeübte bis ins Detail einstellen lassen. Auch ein zweiter und dritter Durchgang machen Spaß, denn Bonuslevels und veränderte Einstellungen für Gravitation motivieren zum weiteren Spielen.
Um beinharte Geschicklichkeitstests geht es Nifflas wie in seinen anderen Spielen auch hier nicht, im Gegenteil: „Ynglet“ entführt in eine ganz besondere Welt voll entspanntem Charme. Und das Beste daran: Dieses kleine, charmante Spiel gibt es zum Preis eines Eisbechers. Auch deshalb hat es eine absolute Empfehlung verdient.
Publiziert am 13.06.2021