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Alex Gotter/Florentin Scheicher

„Spring bevor du fällst“: Buntspecht und ihr bisher bestes Album

Das dritte Album der Wiener Band zieht einen in eine warme Umarmung, die gleich darauf zu einem wilden, ausgelassenen Tanz wird.

Von Alica Ouschan

Albumcover "Spring bevor du fällst"

Buntspecht/Phat Penguin

Spring bevor du fällst ist am 11. Juni bei Phat Penguin erschienen.

Seit wenigen Wochen dürfen in Österreich wieder kleinere Veranstaltungen stattfinden, im Sommer dann sogar große Konzerte und Festivals. Für die Bands und Musiker*innen bedeutet das: Der Sommer ist gerettet und endlich wieder live spielen! Das Wiener Sextett Buntspecht hat letzten Freitag sein drittes Album „Spring bevor du fällst“ rausgebracht. Am Wochenende wurde die Gelegenheit genutzt, die Platte live zu präsentieren und ein paar Releasekonzerte zu spielen.

Buntspecht, eine Band die für gewöhnlich viel Inspiration aus dem Unterwegs-Sein und dem gemeinsamen Livespielen schöpft, hat diese Platte in einem Jahr ohne Konzerte aufgenommen. Welchen Einfluss das auf die Entstehung des Albums hatte, wie ihr Songwriting funktioniert und welche Stimmungen sich auf „Spring bevor du fällst“ tummeln, darüber sprechen Luki und Florentin im FM4 Interview.

Ein struppiges Dickicht

„Sakraler Okkultismus. Ein struppiges Dickicht aus sommerlicher Abenddämmerung-Weltuntergangs-Neugeburt-Tanz-Trauer“, so beschreibt Buntspecht-Sänger Luki die Grundstimmung des melancholischen Sommeralbums, das mit dem Gedanken spielt, woanders zu sein: „Es hat sehr viel mit Übergängen zu tun: Hinüber gehen oder drüben sehen, durch Löcher in Mauern oder einen Blick in den Fernseher. Also sehr viel ‚von hier nach drüben‘, was auch sehr in diese Zeit passt. Der Übergang in ein neues Jahrzehnt, eine unsichere Zeit aber gleichzeitig auch eine hoffnungsvolle, in der alles möglich ist.“

Auch für Buntspecht war dieses Album die Möglichkeit, sich noch mehr selbst auszuprobieren. Bereits beim 2019 erschienenen „Halbum“, dem halben Album voll vertonter Gedichte und fertiggezeichneter Songskizzen, hat die Band begonnen, sich an die Eigenproduktion zu wagen: „Das Halbum war der Übergang und jetzt haben wir uns bewusst entschieden, weil eben grad Corona ist, dass wir das Album produzieren“, sagt Luki. „Wir sind nicht mehr alle gemeinsam im Proberaum gestanden und haben uns die Songs erspielt. Flo und ich haben uns zu zweit zurückgezogen und getüftelt. Es war eine sehr bewusste Entscheidung, richtig in die Materie und den Sound reinzugehen und ganz viel zu hinterfragen.“

Zu groß für eine Schublade

„Ohne Corona gäbe es das Album wahrscheinlich gar nicht“, meint Florentin. „Ich liebe es unglaublich, unterwegs zu sein und live zu spielen aber im Moment, wo wir wussten wir können uns jetzt mal einen Monat hinsetzten und herumexperimentieren, das war sehr angenehm. Die Zeit zu haben, sich zu fragen, wohin wir mit dem Sound gehen wollen.“ Trotz dem vielen Rumexperimentieren und Ausprobieren wissen sie das aber meistens trotzdem selber nicht so ganz genau. Obwohl die Technik, alles in einen Topf zu werfen und so lange umzurühren, bis es gut wird einem Schritt-für-Schritt-Rezept gewichen ist, bleibt es nach wie vor schwer, den Sound, der Buntspecht ausmacht, zu beschreiben, geschweige denn in eine Genre-Schublade zu pressen.

„Das ist das dritte Album und ich weiß eigentlich gar nicht, wer wir sind“, lacht Luki. Die Musik von Buntspecht verlangt nach Neuschöpfungen wie „Bardenpop“ oder „Kinderlieder für Erwachsene“ und klingt jedenfalls nach großartigem Krach, bei dem die Beine nicht stillhalten können. In jedem Song so anders und trotzdem immer nach der gleichen Band zu klingen, ist ein Kunststück, das die Band Buntspecht mittlerweile perfektioniert hat.

Die Songs erzählen von langen Nächten, unglaublichen Boxkämpfen und den großen und kleinen Fragen des Lebens. Obwohl diese meist unbeantwortet bleiben, stellt sich eine gewisse Zufriedenheit mit der Unfertigkeit des Lebens ein. Genau so unfertig sieht die sich Band selbst: „Mein Mantra ist ‚alles ist ein Prozess‘“, sagt Florentin. „Dieses Album war wieder ein komplett neuer Prozess,“ und Luki ergänzt: „Ich finde wir klingen auf jedem Album total anders, irgendwie immer nach uns aber ich weiß auch nicht so genau was es nach uns klingen lässt. Ich finde eigentlich wir klingen jedes Mal nach einer anderen Band.“

Sprachliche Spielereien und malerische Geschichten

Neben ihrem Sound, sind auch die Texte ein starkes Erkennungsmerkmal von Buntspecht: Bei all den sprachlichen Spielereien, blumigen Bildern und Geschichten, die erzählt werden, ist die Wortakrobatik auf „Spring bevor du fällst“ noch waghalsiger geworden. Köpfe werden abgeschlagen und die Tempelstufen runtergerollt, eine Füchsin verschlingt eine Orange und die zehn Zehen gehen, bevor der Abspann rennt. Dabei bestehen manche Songs aus einer recht willkürlich scheinenden Aneinanderreihung von toll-klingenden, wohlüberlegten Sätzen, während andere wiederum eine stringente Geschichte mit Anfang und Ende erzählen.

So geht es im Song „Die Badende“ um ebenjene, die sich in der Badewanne liegend einen unglaublichen Boxkampf im Fernseher ansieht, bis sie schließlich hineinschwimmt und keiner weiß, woher sie kam oder woher sie gekommen ist: „Da gab es endlose Zeilen, die dann wieder verworfen/gestrichen wurden, weil sie zu cheesy, zu unkonkret oder zu konkret waren. Das war ein wirklicher Kampf, so wie das Lied auch sagt. Aber zum Beispiel bei ‚Die Göttin des Übergangs‘ war der Text von Anfang an klar. Das ist aber jedes Mal anders, man überrascht sich dann oft selbst damit, wie selbstverständlich der Text manchmal kommt und dann wieder, wie harte Arbeit das auch ist“, erzählen die beiden Buntspecht-Texter über ihr Songwriting.

Was das Songwriting angeht, so bleiben Buntspecht also ihrer Linie treu: Manche Sätze fliegen einem zu und an manchen wird wochenlang gefeilt. Beim Hören klingt dadurch vieles oft ärger als es ist. Oftmals steckt gar nicht so viel mehr dahinter, als das was gesagt wird, auch wenn es vielleicht so scheint. Der Song „Kurzes Spiel“ ist beispielsweise bei einer abendlichen Session in der Gartenhütte entstanden, wo spaßhalber Austropop-Schlager-Songs geschrieben wurden: „Als Florentin die ‚Die Würfel rollen und das letzte Blatt fällt‘ gesungen hat war ich so: ‚Hey warte mal kurz, das ist wirklich eine gute Idee!‘, und dann haben wir den Song am Lagerfeuer fertiggeschrieben.“

Zeilen in der Single „Paradies“ lassen wiederum sogar so etwas wie eine, für Buntspecht recht untypische, Gesellschaftskritik vermuten. Darin heißt es: „Im Streichelzoo der Smartphones wünscht ich, dass du mich berührst. Doch diese Zeit scheint zahnlos und kriecht auf allen vieren.“ „Mit der Gesellschaft darf man sich doch nicht anlegen!“, sagt Luki. „Jemand hat uns mal gefragt, ob das eine Tinder-Kritik ist. Aber es geht gar nicht um das Smartphone an sich, sondern wofür es steht: diese technische Flimmerkastenwelt und die fehlende Berührung des letzten Jahres.“

Dieses Album und seine Songs berühren einen auf jeden Fall, auch wenn aus der warmen Umarmung schnell ein wilder Tanz wird: „Wir wollten eine gute Mischung haben, die uns selbst Energie gibt. Nicht zu viele Balladen, sodass wir nicht zu schwer werden. Wir haben schon drauf geachtet, dass das Album noch einen Drive hat, weil wir uns selbst und den Leuten etwas geben wollen, was nicht schwermütig daherkommt, sondern dass ein bisschen entkräftet und auflockert“, sagt Florentin. Bei Buntspecht stehen also nach wie vor die Ausgelassenheit und Freude an der Musik im Vordergrund. Ihre lebensbejahende Attitude, der einzigartige, geschliffene Sound und die waghalsigen Texte kriechen mit jedem Ton tiefer ins Ohr und machen „Spring bevor du fällst“ zum besten Buntspecht Album bisher.

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