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Staatsbürger werden in Bulgarien und Österreich

Es ist nicht leicht, Staatsbürger von einem Land zu werden. Außer man ist Gerard Depardieu und man will ein Russe sein. Aber soviel ich weiß, lebt er die meiste Zeit in Belgien und nicht in der Wohnung, die er von Putin spendiert bekommen hat.

Eine Kolumne von Todor Ovtcharov

In der EU ist das äußerst schwierig. Ich kenne die Prozedere in Bulgarien und in Österreich, und ihr könnt sie vergleichen. In meinem Geburtsland Bulgarien sagt man, dass die Liste von Menschen, die auf die Staatsbürgerschaft warten, so lang ist, dass man mindestens bis Mai im Folgejahr warten muss. Am leichtesten kriegt man die bulgarische Staatsbürgerschaft, wenn man eine Million Euro in die bulgarische Wirtschaft investiert.

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Ich denke mir, wenn ich eine Million Euro hätte, wäre es mir komplett egal, was für ein Staatsbürger ich bin. Deshalb frage ich mich, was das für Leute sind. Es riecht nach einem guten Geschäft. Apropos Geschäft – die Beamten der bulgarischen Staatsbürgerschaftsbehörde, die verdächtigt wurden, die Staatsbürgerschaft zu verkaufen, waren von einer nationalistischen Partei angestellt worden, die verkündet hatte, dass die Zugehörigkeit zur bulgarischen Nation das höchste Gut überhaupt sei. Kandidaten gibt es jede Menge, Menschen aus Nordmazedonien, der Ukraine, Moldawien und Russland stehen auf der Warteliste. Sie suchen eifrig nach bulgarischen Uromas und –opas, damit es leichter gehen könnte.

In Österreich ist es noch schwieriger. Man muss ein Verwandter, wenn nicht von Franz Josef, dann wenigstens von einem Zimmermädchen, Pferdepfleger oder Gärtner vom Schloss Schönbrunn sein. Die übrigens oft Ungarn, Tschechen, Slowaken, Kroaten oder Polen waren.

Spaß beiseite, jede Partei hat ihr Konzept, wie lange man hier gelebt haben soll, um die Staatsbürgerschaft zu bekommen. Einige sagen sechs Jahre, andere zehn, dritte hingegen fünfundzwanzig. Ich glaube, die nächste Forderung wird sein, dass man die Staatsbürgerschaft nur post mortem bekommen kann. Man arbeitet sein ganzes Leben lang, zahlt Steuern, schaut, dass man nach zehn Uhr abends nicht furzt, um die Nachbarn nicht aufzuregen, und man kriegt dann die Ehre, wenn man stirbt, Österreicher*in zu werden. Natürlich nur, wenn man darauf verzichtet, hier begraben zu werden, weil es keinen Platz mehr gibt.

Parteien sind menschliche Schicksale egal. Sie interessieren sich nur dafür, wen die Staatsbürger wählen werden. Vergesst aber nicht, dass außer Staatsbürgern wir auch Menschen sind.

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