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Imagine Earth

Serious Brothers

Early Access als Erfolgsmodell

Die einen lieben es, die anderen bleiben skeptisch: Wer Videospiele im Early Access, also noch lange vor ihrer Fertigstellung kauft, geht ein Risiko ein. Zugleich bietet das Modell vor allem für kleine Unternehmen, die solche Spiele entwickeln, entscheidende Vorteile.

Von Rainer Sigl

Spätestens seit dem Millionenerfolg der Wikinger-Sandbox „Valheim“ ist 2021 das Jahr, in dem Early Access im Mainstream angekommen ist. Das Geschäft mit den unfertigen Spielen ist gewaltig gewachsen, seit vor mehr als einem Jahrzehnt mit „Minecraft“ der erste Early-Access-Superhit den Markt verändert hat.

Der deutsche Entwickler Jens Isensee hat den Großteil dieses letzten Jahrzehnts damit verbracht, sein Traumspiel im Early Access fertigzustellen. Seit 2008 hat er mit seinem Berliner Kleinstudio Serious Brothers am Aufbaustrategiespiel „Imagine Earth“ gearbeitet, das ein früher Early-Access-Erfolg aus Deutschland ist.

Absicherung für kleine Studios

Die letzten sieben Jahre seiner Entwicklung war „Imagine Earth“ im Early Access, vor kurzem ist die finale Version des Klimakrisensimulators erschienen. Das Spiel wurde stolze 43.000 Mal vorab gekauft, was die Fertigstellung des Spiels mit ermöglicht hat.

Besonders für kleine Studios ist das Early-Access-Modell wichtig, um sich überhaupt finanzieren zu können, wie Isensee sagt: Als aus dem idealistischen Nebenherprojekt mehr wurde, sorgten die Einkünfte aus dem Vorabverkauf des Spiels für ein laufendes Einkommen, und anders wäre die Weiterarbeit an diesem ehrgeizigen Spiel nicht möglich gewesen.

Bei Early Access geht es aber nicht nur um Finanzierung, sondern auch um Feedback. Denn gerade bei komplexen Strategiespielen und Simulationen ist die Rückmeldung der Kunden wichtig. Im besten Fall begleiten sie das Spiel als große Community bis zum Release.

Gemeinschaftserlebnis und wichtiges Feedback

„Wer auf Steam ein unfertiges Spiel kauft, ist meist so begeisterungsfähig, dass auch in der weiteren Entwicklung noch Rückmeldungen kommen: dass Bugs gemeldet werden, und wie sich das Spiel weiter entwickeln soll“, sagt Isensee. „Für uns als Zweimannteam war das sehr wichtig, dass irgendjemand unseren ‚World-Simulator‘ auch tatsächlich durchtestet.“

Das von vielen Skeptikern genannte Risiko, als Early-Access-Käufer*in auf einer für immer unfertigen Games-Baustelle sitzen zu bleiben, ist in den letzten Jahren gesunken, die Qualität gestiegen. Wer sich vorab gut informiert und gewillt ist, sich auch als Teil der Community einzubringen, darf mit Early-Access-Spielen quasi ein Spiel ein bisschen auf seinem Weg begleiten.

Und das nicht nur wegen der Geldspritze: Der deutsche Indie-Entwickler Martin Nerurkar hat 2019 das strategische Kartenspiel „Nowhere Prophet“ nach einer Early-Access-Phase veröffentlicht. Ihm ging es dabei aber hauptsächlich ums Feedback, den „Feindkontakt“ mit seinem späteren Publikum. „Die Stärke von Early Access ist nicht nur die Finanzierung, sondern eher: Okay, ich hab etwas zum Spielen, was noch nicht ganz fertig ist, und jetzt kann ich anfangen zu schauen, ob es funktioniert am Markt“, so Nerurkar.

Phantom Abyss

Team WIBY

Ganz frisch im Early Access: „Phantom Abyss“

Gemeinsam gegen die Indiepokalypse

Das große Problem dabei ist die riesige Masse an Spielen, die ohnehin Woche für Woche veröffentlicht werden. Aus dieser Flut herauszustechen, ist für kleine Unternehmen eine wirkliche Herausforderung, umso mehr, wenn es sich um ein Early-Access-Spiel handelt. Der erste Eindruck zählt dabei besonders.

„Man hat einen guten Launch auf Steam“, sagt Nerurkar. Mit dem Start in den Early Access ist bei vielen Projekten das Pulver sozusagen verschossen - der finale Release interessiert die Öffentlichkeit dann schon viel weniger. Martin Nerurkar hat deshalb sein Spiel „Nowhere Prophet“ im Early Access nicht auf der Riesenplattform Steam angeboten, sondern zunächst nur auf der kleineren Bühne von itch.io. Für ihn hat sich das Modell ausgezahlt - nicht nur aus finanziellen Gründen.

Ein bisschen hilft Early Access dabei, das Milliardenbusiness Videospiele auf eine persönlichere Ebene zu bringen; genau das macht sowohl für Entwickler*innen wie auch mehr und mehr Spieler*innen ihren Reiz aus. Eins ist auf jeden Fall fix: Early Access bleibt der Welt der Videospiele auf absehbare Zeit erhalten.

Übrigens, zur Erinnerung: Auch skeptische Menschen haben Grund, sich über den Erfolg des Modells zu freuen. Sie dürfen dann eben beim finalen Release zuschlagen und bekommen großartige Spiele wie „Hades“, „Factorio“ oder „Subnautica“, die ohne den Vertrauensvorschuss im Early Access vermutlich gar nicht erst entwickelt worden wären.

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