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Der Song zum Sonntag: Folly Group - „Awake and Hungry“

„Awake and Hungry“ heißt das Debüt der Gruppe Folly Group, den neuen Rising Stars des britischen Post-Punk-Revivals.

Von Christoph Sepin

Was für ein Rätsel! Scheinbar aus dem Nichts ist plötzlich diese Band Folly Group aufgetaucht und ist schon dabei, ein weiteres Post-Punk-Revival einzuläuten. Mit einem Konzept, das wirkt, als wäre es schon Jahre lang in Arbeit gewesen, als hätte man sich seit Ewigkeiten im Geheimen in Proberäumen getroffen und an den perfekten Kompositionen gefeilt. Das klingt nicht nach Demos und das klingt schon gar nicht nach Debüt-EP (genau diese hat das Quartett aber vor kurzem veröffentlicht). Auf die Suche nach dem eigenen Sound können sich andere machen, Folly Group sind offensichtlich jetzt schon angekommen.

Das Projekt, das sich lieber „Kollektiv“ statt Band nennt, kommt aus London, drei der vier Mitglieder haben gemeinsam gewohnt, im eigenen Domizil ist auch das Aufnahmestudio entstanden. Dort wurden dann wohl die Skizzen zu „Awake and Hungry“ fertiggestellt, dem aus sechs Songs bestehenden Erstlingswerk der Gruppe. Eine Veröffentlichung, mit der sich das Quartett mühelos einreiht in all die großartigen Bands, die gerade die Insel bespielen (Shame, Porridge Radio, Dry Cleaning, Working Men’s Club) - Folly Group sind aber nicht einfach nur eine weitere nonchalante Gitarrenband, da ist schon genug drin, um dieses Projekt einzigartig zu machen.

Fast zu viel gibt es sogar im Sound der Band zu entdecken: Understated sind höchstens die Vocals, Instrumente sind aufgeladen und überladen, Ebenen von Klängen, Melodien und Effekten kämpfen um Aufmerksamkeit, mehrmals pro Song wird abgebogen und neu konzeptioniert, Tempi ändern sich, Instrumente auch, Genres sowieso.

Jedes der sechs Lieder auf „Awake and Hungry“ ist ein kleines Meisterwerk, da geht’s von arg („Fewer Closer Friends“) zu schwitzend („Four Wheel Drive“), von hypnotisch („Butt No Rifle“) zu eingängig („Sand Fight“). Aber besonders im Gedächtnis bleibt der Titelsong, wohl auch, weil hier in viereinhalb Minuten schwindelerregend viele Ideen verwirklicht werden.

Beginnen tut „Awake and Hungry“ als Spoken-Word-Stück, wenn Vokalist und Drummer Sean Harper seine Geschichte erzählt: „The house awake and hungry makes a room become its mouth“, sagt der da mit ruhiger, bedeutungsschwerer Stimme. „And my friends and my love are just spectres to me now“. Was für ein Anfang! Im Musikvideo sieht man ein Haus im Nirgendwo, einen Ort von damals und auch das Grundgefühl des Songs kommuniziert das Zurückkommen in das vormals Familiäre, ein Ausflug in die Vergangenheit, zurück zu dem was man mal war und die Konfrontation damit.

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An Charlie Kaufmans „I’m Thinking of Ending Things“ möchte man da denken, an das Verschwimmen von Realität und Traum, an den Besuch der Erinnerungen, verschiedene Versionen von all dem was man mal erlebt hat. Ein ewiger, surrealer Loop, den Sean Harper in seinen Lyrics kommuniziert: „I was reborn here, and I could die twice“ singt er und „I contort myself into the shape of someone who can deal, who won’t break off“.

Das sind große Bilder, die Folly Group mit „Awake and Hungry“ malen, mit der Stimmung, die von kalt zu warm, von paranoid zu energievoll, von entspannt zu euphorisch wechselt - und mit der Story, die es zu erzählen gibt: Ein Haus wird zur Metapher für den Körper, der Keller zum Magen, Räume zu Mündern („the stomach is the cellar and a room is now its mouth and the corridors are twisted and the ghosts clog up its bowels“), irgendwann kennt man sich kaum mehr aus. Und dann werden zum Finale, während Instrumente immer lauter und übersteuerter werden, nur mehr Wörter hinaus in die Welt geschrien: „Awake. Hungry. Upright. Alive“. Was für ein arges Lied, was für ein Debüt, der ganze Erfolg der Welt sei dieser Band aus London vergönnt.

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