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"Melek + ich" Comic

Lina Ehrentraut

comic

So bunt ist Lina Ehrentrauts Comic-Debüt

Eine Bar, ein Paralleluniversum und mehrere Versionen derselben Protagonistin: Im Comic „Melek + ich“ wird eine queere Liebesgeschichte zum Science-Fiction-Abenteuer. Die Künstlerin Lina Ehrentraut spricht im FM4 Interview über die Möglichkeiten von Science-Fiction, über Selbstliebe und die Darstellung von lesbischem Sex.

von Michaela Pichler

„Ich kann diesen Rahmen sprengen und muss nicht in realen Narrativen bleiben, und das ist einfach eine Möglichkeit von Science-Fiction, die ich voll schätze“, erklärt Lina Ehrentraut im FM4 Interview. Die Leipziger Künstlerin hat gerade ihren ersten Comic veröffentlicht, in dem sie eine queere Liebesgeschichte mit Science-Fiction-Elementen verknüpft und sich die Welt malt, wie sie ihr gefällt.

Lina Ehrentraut

Damian Rosetten

Viele Teile des Comics „Melek + ich“ spielen in einer Bar. In dieser Szenerie fühlt sich die Autorin und Künstlerin Lina Ehrentraut auch selbst sehr wohl.

In ihrem Comic wirkt auf den ersten Blick eigentlich alles ganz normal: Die Protagonistin Nici ist Physikerin und arbeitet an einem neuen Projekt. In ihrer Stammkneipe kommt ihr endlich die zündende Idee für ihre neueste Erfindung, eine Maschine, mit der sie in andere Dimensionen reisen kann. Dafür hat Nici auch einen eigenen Körper erschaffen – Melek, die mit ihren langen, schwarzen Haaren ganz anders aussieht als Nici mit ihrem blonden Pixie-Cut.

Ich habe diesen Körper erschaffen! Ein Werk, welches vor Perfektion und Schönheit nur so strahlt. Ich werde mein Bewusstsein in sie übertragen und dann selbst in dieser technisch vollendeten Hülle leben. Unendlich viele parallele Welten existieren und ich werde sie als Erste bereisen!

"Melek + ich" Comic

Lina Ehrentraut

Das Ich 2.0

Als Melek gelingt der Forscherin das Unmögliche: Sie reist in eine Parallelwelt. Hier gibt es allerdings keine upgespacte Science-Fiction-Utopie, keine Roboter, fliegenden Autos oder Aliens. Sondern genau dieselbe Lieblingsbar und quasi eine alte Bekannte: Melek trifft auf Nici, ihr Alter Ego, das in der neuen Dimension aber ganz anders ist als in der realen Welt. Anstatt an der Bar als Kundschaft zu grübeln und ihr Leben zu verplanen, arbeitet die neue Nici hinter der Bar, sie ist extrovertiert, chaotisch und spontan.

Melek und Nici verstehen sich sofort, sie singen gemeinsam Karaoke und landen noch am selben Abend im Bett. Für die Autorin und Künstlerin Lina Ehrentraut einer der wichtigsten Parts im Comic: „Diese lesbische Beziehung und auch der lesbische Sex, der im Comic gezeigt wird, waren mir sehr wichtig. Denn das ist einfach immer noch sehr unterrepräsentiert. Das ist auch etwas, was ich mir sehr wünsche, dass lesbischer Sex auch in einer vielfältigen Darstellung mit verschiedenen Perspektiven gezeigt wird.“

"Melek + ich" Comic

Lina Ehrentraut

Lina Ehrentraut kann sich noch ziemlich genau an den ersten lesbischen Comic erinnern, den sie als Teenager gelesen hat. Der Manga „Blue“ von Kiriko Nananan hat damals ihre Welt im positivsten Sinn erschüttert und gezeigt, was es außerhalb der heteronormativen Welt sonst noch gibt. Heute bricht Ehrentraut selbst diese Tabus, mit der expliziten Darstellung von lesbischem Sex. Das gelingt der Künstlerin auf eine vielfältige, bunte Weise: Immer, wenn die Protagonistinnen Lust und Spaß empfinden, verwandeln sich die schwarz-weißen Szenen in expressive Gemälde, die aus allen Farben des Regenbogens bestehen. Damit wird „Melek + ich“ zum Science-Fiction-Comic, der die Grenzen zur bildenden Kunst verschwimmen lässt.

"Melek + ich" Comic

Lina Ehrentraut / Edition Moderne

„Melek + ich“ ist das Comic-Debüt von Lina Ehrentraut und via Edition Moderne erschienen.

Das Ding mit der Selbstliebe

Abseits der abstrakten Malereien nimmt die Lovestory in detailreichen Skizzen ihren Lauf. Die verschiedenen Stadien des Sich-Verknallens arbeitet Ehrentraut in all ihren Facetten ab, von der ersten Sympathie zum ersten Sex, dem Aufwachen danach bis zur ersten Meinungsverschiedenheit begleiten die Leser*innen Melek und Nici.

Das funktioniert als klassische Beziehungsgeschichte, hält man sich allerdings wieder die Parallelwelt vor Augen, datet die Wissenschafterin und Erfinderin (getarnt als Melek) einfach nur eine weitere Version ihrer selbst.

Lina Ehrentraut spielt nicht nur mit Identitäten, sie stellt das Konzept der Selbstliebe plakativ dar und möchte damit auch dem allgegenwärtigen Selbstoptimierungswahn à la Instagram gegensteuern, der den Begriff der Selbstliebe in den letzten Jahren ziemlich überstrapaziert hat. „Es ist auch einfach supergefährlich, dieses toxische Ding von ‚Du musst dich selber lieben, egal, was ist‘. Das lässt auch total die Leute außer Acht, die zum Beispiel nicht das Privileg haben, ihren eigenen Körper lieben zu können.“

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